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Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31 Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31
 

Predigt am  6. März 2011  über  Lukas 10, 38 - 42

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Ich lese Worte aus dem 10. Kapitel des Lukasevangeliums:

38 Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. 39 Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. 40 Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! 41 Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. 42 Eins aber ist Not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.

 

Liebe Gemeinde!

Stellen Sie sich einmal vor, wie es wäre, wenn es keine solchen Marta’s wie in unserer Geschichte gäbe. Stellen Sie sich mal vor, wenn all die Menschen, die sich für unsere Gemeinde reinknien, fehlen würden. Ich vermute mal: Wir würden schnell merken, wie sehr Not am Mann, nein an der Frau wäre. Wir würden deutlich spüren, wie sehr wir solche Marta’s in unserer Gemeinde brauchen und auf sie angewiesen sind.

Nein, wir können wirklich froh sein über die vielen Martha’s hier, in unserer Philippus-Kirchengemeinde. Das kann ich nach gut einem Dreivierteljahr hier als Pfarrer schon sagen. Ich bin in einer sehr lebendigen und aktiven Gemeinde gelandet! Was stellen wir hier nicht alles auf die Beine und stemmen alles. Ich denke da an die monatlichen Buffetts nach dem Welcome-Gottesdienst, die vielen Empfänge, Kreisen und Gruppen, die hier stattfinden, Tische, Stühle gestellt werden, es reichlich zu Essen und zu Trinken gibt. Da ist nicht viel mit Catering-Service. Das machen die vielen Martas in unserer Gemeinde und vieles mehr.

Ich denke auch in dem Zusammenhang an Frau Ewald, die letzten Sonntag gestorben ist. Sie war überall bekannt, war jahrelang in der Behindertengruppe und im Altenclub unserer Gemeinde tätig. Sie hat wirklich viel für andere Menschen getan. Wir werden sie da sicher in unserer Gemeinde vermissen. Sie war eine treue Marta für uns.

Ich komme damit zu der Marta in der Geschichte:

Jesus hat sich hier nicht vorher großartig angekündigt. Ich sehe vor mir, wie Martha diesen überraschenden Besuch erst einmal verkraften muss. Sie hat keine Vorbereitungszeit, aber sie lässt sich davon natürlich nichts anmerken. Schließlich kommt nicht irgendeiner, sondern Jesus selbst! Für ihn zeigt sie sich als Hausfrau von der besten Seite. Ich vermute, sie putzt, kocht, tischt das Beste auf und das alles gleichzeitig.

Ich selbst bewundere Frauen, die das können und sich wirklich soviel Liebe und Mühe geben. Ja, ich schätze überhaupt Menschen, die das leben, was wir in der Geschichte hören: ‚Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen.’

Das sei zu Anfang schon mal ganz deutlich gesagt: Martha tut hier nichts Falsches! Sie tut es bloß zu einem falschen Zeitpunkt! Dazu später mehr.

Martha macht erst einmal alles, was von ihr aus möglich ist. Sie tut viel Liebes und Gutes. Und sie tut es nicht für sich! Manche hyperaktiven Menschen heute arbeiten ja so viel, um einen gewissen Lebensstandard zu haben.

Martha hingegen denkt gar nicht in erster Linie an sich selbst. Zumindestens am Anfang der Geschichte ist das so. Sie will vielmehr Jesus dienen. Für ihn will sie alles aufbringen, so dass gar nicht erst der Eindruck entstehen kann, er sei ein ungebetener Gast. Sie übt wirklich Liebe am Nächsten!

Aber dann fällt ihr Blick auf ihre Schwester Maria. Plötzlich sieht sie, wie sehr sie sich abhetzt und ihre Schwester hingegen scheinbar nichts tuend, gemütlich bei Jesus sitzt und ihm einfach zuhört. Da platzt ihr der Kragen. Da bekommt sie so einen Hals. Da muss sie ihrem Ärger soviel Luft machen, dass sie selbst einem so angesehenen und hohen Besuch in ihrem Haus wie Jesus vorwirft: ‚Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll!’

Vielleicht kennen Sie das auch von sich selbst. Wenn man viel beschäftigt ist, dann kann man es manchmal schwer ertragen, wenn jemand still, ja anscheinend faul herumsitzt und nichts tut. Dafür hat man in der heutigen Zeit, in der so vieles hektisch und schnell zugeht, kaum Verständnis. Da schüttelt man innerlich vielmehr den Kopf, wenn man seinen Unmut nicht schon laut geäußert hat.

Wissen Sie, vor ein paar Jahren war ich auf einer Fortbildung in Wuppertal. Da erzählte der Referent uns, dass er vor kurzem auf einem Pfarrkonvent gewesen ist. Das ist so ein Treffen, wo die Pfarrer aus der gleichen Region so ca. jeden Monat einmal zusammenkommen. Da hat diese Referent die einfache Frage an die Pfarrer gestellt: ‚Haben Sie in ihrem Pfarrberuf eigentlich Zeit frei?’ Das wurde natürlich sofort von fast allen mit einem klaren Nein beantwortet. Überlasteter Terminkalender, so vieles auf einmal und gleichzeitig machen, keine vernünftige Vorbereitung mehr auf die wesentlichen Dinge usw. Das wurde anscheinend so vorgetragen, als ob man darauf auch noch stolz war. Nur einer der Pfarrer traute sich zu sagen: ‚Doch, also ich habe schon Zeit!’ Automatisch drehten sich alle Köpfe überrascht und fragend zu demjenigen hin, worauf dieser schnell sich versicherte: ‚Das ist doch in Ordnung, oder?’ Darauf die anderen: ‚Jaja, natürlich.’ Aber ihre Blicke, ihre Gesichtsmienen sagten da etwas ganz anderes. Da war vielmehr ein unverständliches ‚Wie kann man nur?’ herauszulesen.

Wenn man heute Zeit hat, dann muss man schon fast ein schlechtes Gewissen haben, zu wenig zu arbeiten. Ich kenne das zu mindestens von mir so.

Genau da liegt m.E. ein großes Problem unserer Zeit: Nicht zur Ruhe kommen. Ganz aktuell in den jecken Tagen - ja, Karneval ist schön, wenn man mal ausgelassen feiert und irgendwie anders sein kann, nicht so im Beruf und Arbeitsstress eingespannt ist und da mal rauskommt. Aber das ersetzt nicht die Ruhe und Stille, die wir vor Gott brauchen.

Jesus legt seinen Finger genau auf diesen wunden Punkt. Er stößt uns dabei nicht vor den Kopf. Als guter Seelsorger spricht er uns hier auf ganz liebevolle Weise an.

Das höre ich aus der Antwort heraus, die Jesus der vielbeschäftigten Martha gibt: ‚Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist Not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.’

Da höre ich Dankbarkeit, Wertschätzung gegenüber Marta, die so vieles tut und macht!

Jesus will aus dem ganzen Streit auf keinen Fall Maria zum Gewinner küren und Marta die Verliererrolle geben. Ganz und gar nicht!

Jesus will vielmehr auf das so ‚gute Teil’ hinweisen, das wir so nötig haben!

Damit will Jesus jedem einzelnen von uns sagen: Ich viel beschäftigter Mensch werde jetzt mal vor Gott ruhig und still. Ich stelle mich innerlich auf Gott ein und sage zu ihm: Herr, hier bin ich. Ich will jetzt wirklich mal all meine Arbeit niederlegen und offen für dich sein. Füll du mich neu und beschenke mich mit deiner Liebe!

Das ist das gute Teil, von dem Jesus hier spricht. Und ohne dieses gute Teil geht es nicht. Ansonsten laufe ich an Gott vorbei und komme überhaupt nicht mehr zum Nachdenken, was ich eigentlich den ganzen Tag tu, wie wichtig oder wie unwichtig das eigentlich ist.

Das ist mir selbst in der hinter uns liegenden Woche zweimal klar geworden.

Erstens bei der Predigvorbereitung selbst: Da habe ich gemerkt, wie oft ich da an meine Klausurtagungen vor ein paar Jahren im Kloster Steinfeld bei den Benediktinerinnen gedacht habe. Da habe ich nicht viel getan. Ich habe an den Gebetszeiten morgens, mittags, abends teilgenommen und gemerkt, wie gut mir das tat! Das gab meinem Leben so einen wohltuenden Rhythmus. Alles war vorgegeben und ich konnte mich da einfach hineinfallen lassen. Ich habe mich gefragt: Warum kommt das gerade jetzt in dir hoch, wo du den Predigttext so gründlich studierst? Warum habe ich jetzt gerade danach eine so große Sehnsucht?

Die Antwort darauf habe ich schnell gefunden. Wahrscheinlich ist das so, weil ich viel zu sehr in Action bin. Ich gehe jetzt auf die Vierzig zu und da schafft man halt viel.

Weil ich schon beim Klosterleben gerade war, sag ich’s noch mit einem lateinischen Satz aus dem Mönchtum: ‚Ora et labora’ - auf Deutsch: ‚Bete und arbeite’.

Also das mit dem Arbeiten stimmt. Das kann ich mit stolz geschwellter Brust wie die anderen Pfarrer auf dem Konvent behaupten. Das mit dem Beten, hm, da sieht’s eher mager aus.

Damit bin ich beim zweitens: Ich hatte diese Woche ein Mitarbeitergespräch, das vom Kirchenkreis aus für Pfarrer eingerichtet ist. Da wird so ein bisschen die Lage gecheckt, wie es so im Pfarramt aussieht. Man erkundigt sich, wie es den Pfarrern so geht. Dazu gab es vorher einen Fragebogen, den ich brav beantwortet habe. Da war auch eine interessante Frage dabei: Haben Sie Möglichkeiten zur Gestaltung ihres eigenen spirituellen Lebens?

Da habe ich sofort stolz los gelegt: Ich bin jetzt in einer frommen Gemeinde! Da lerne ich gerade wieder mehr, frei zu beten und intensiv in der Bibel zu lesen. Daraufhin wurde ich im Gespräch gefragt: Das tun Sie doch auch viel als Pfarrer für die Gemeinde. Wo tun Sie etwas Spirituelles für sich selbst, für Ihre Person Klaus Eberhard? Da fiel mir erstmal nicht viel ein. Da war es eher mager. Wie gesagt: Labora viel, aber ora eher wenig. Vielleicht ist so eine Auszeit im Kloster mal wieder dran. Vielleicht ist das auch mit Einübung und Disziplin verbunden. Auf jeden Fall ist das ein Punkt, dem ich mehr nachgehen möchte.

Ich bin jedenfalls überzeugt: Das ist der gute Teil, den Jesus hier meint.

Da werde ich beschenkt! Da darf ich neu mit offenen Herzen Gottes Liebe, Jesus selbst empfangen!

Da muss ich nicht Jesus dienen und ihm alles recht machen. Da ist er schon längst für mich da und will mir dienen! Die Passionszeit, die nach der Karnevalszeit beginnt, erinnert uns daran. Jesus sagt es im 10. Kapitel des Markusevangeliums selbst: ‚Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.’

Darin ist alles enthalten, was wir brauchen, so nötig haben: Jesus dient uns, ja er tritt für uns ein! Er ist unser Heil und Lebensglück, unser Halt und Trost, unsere Stärke und Kraft und vieles mehr!

Genau dieses so gute Teil geschieht bei Maria, wenn es in unserer Geschichte heißt: ‚Die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu.’ Maria lässt sich von Jesus beschenken. Sie öffnet sich Jesus und hört ihm wachsam zu. Sie nimmt sich dazu die Zeit.

Freie Zeit ist also nicht mit Faulsein gleichzusetzen. Im Gegenteil: Solch eine freie Zeit kann sehr intensiv sein, wenn ich das zulasse und mich darauf einlasse.

Wichtig ist, dass ich in dem allen kein meditatives Ohm in mir selbst suche, sondern den Blick wieder für Gott bekomme, ihm einfach zuhöre, was er mir zu sagen hat und mich neu beschenken lasse!

Genau da will Jesus liebevoll der so wertgeschätzten Martha und auch uns heute die Augen öffnen. (Pause)

Jetzt sagt sich vielleicht mancher unter uns: ‚Ja, das mag ja alles richtig sein. Aber die Hände in den Schoß legen und nur den anderen machen lassen geht doch auch nicht.

Dazu kann ich nur sagen:

Sicherlich ist jetzt kein kontemplatives Leben angesagt, wo ich alles nur verinnerliche und mich aus meiner Arbeitswelt für immer verabschiede. Ich hätte die stille und freie Zeit für Gott falsch verstanden, wenn ich mich aus allem zurückziehen und jede Verantwortung ablegen würde. Es gibt sicherlich viele Aufgaben, die auf mich warten und die es auch anzupacken gilt.

Aber in der Arbeit, in meinem Tun und Schaffen, sei es noch so liebevoll und fürsorglich, geht eben nicht alles auf. Da verausgabe ich mich auf Dauer nur total. Ganz wesentlich ist es, auf Gott zu hören und sich von ihm tragen lassen. Dazu bedarf es Zeiten der Ruhe, in denen ich ihn zu mir sprechen lasse und mich ganz in Gottes Hände fallen lasse.

Um es zum Abschluss nochmals deutlich zu sagen:

Wir brauchen beide Personen in unserem Leben: Maria und Marta! Beide sind zu ihrer Zeit dran! Beide gehören zusammen! Die eine geht ohne die andere nicht!

Wir brauchen die Maria ins uns! Es ist für uns entscheidend, das gute Teil von Gott wirklich anzunehmen, sich ihm anzuvertrauen, sein Wort zu hören, sich neu von ihm beschenken und erfüllen zulassen!

Wir brauchen auch die Martha in uns! Es ist auch so wichtig, aus der Zeit der Stille mit Gott aufzubrechen und mit Motivation, voller Elan das anzugehen, was im Alltag auf uns wartet!

Machen wir daraus bloß keine Alternative, die das eine gegen das andere ausspielt.

Bitten wir vielmehr Gott darum, uns zu zeigen, was gerade in unserem Leben dran ist.

Genauso verstehe ich auch den Leitvers aus Psalm 31, von dem sich auch der lateinische Namen dieses Sonntags ‚Estomihi’ ableitet, wenn dort der Beter sich an Gott wendet und zu ihm spricht: ‚Sei mir ein starker Fels und eine Burg, dass du mir helfest! Um deines Namens willen wollest du mich leiten und führen.’ Amen.

Klaus Eberhard