Predigt am 20. Februar 2011 über
Lukas 17, 7 - 10
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Ich
lese Worte aus dem 17. Kapitel des Lukasevangeliums:
7
Wer unter euch hat einen Knecht, der pflügt oder das Vieh weidet,
und sagt ihm, wenn der vom Feld heimkommt: Komm gleich her und setz
dich zu Tisch? 8 Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Bereite mir
das Abendessen, schürze dich und diene mir, bis ich gegessen und
getrunken habe; danach sollst du auch essen und trinken? 9 Dankt er
etwa dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war? 10 So auch
ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht:
Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig
waren.
Liebe
Gemeinde!
Na,
ist Ihnen noch danach zumute, so wie gerade zu singen: Das Höchste
meines Lebens ist, dich kennen Herr? Das Höchste meines Lebens ist,
dich lieben, Herr? Das Höchste meines Lebens ist, dir dienen, Herr?
Können
Sie noch auf das vertrauen, was uns in Bibelversen aus Psalm 103
zugesprochen wurde: Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer
Güte. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der
HERR über die, die ihn fürchten?
Vielleicht
tun Sie sich damit schwer, nachdem Sie den Bibeltext aus dem
Lukasevangelium gehört haben. Ich könnte es Ihnen nicht verübeln.
Noch
eben haben wir davon gehört, dass wir Gottes geliebte Kinder sind
und jetzt sind wir plötzlich unnütze oder armselige Knechte - je
nachdem wie man es aus dem Griechischen übersetzt. Ja, wir sind
sogar Sklaven! Im Griechischen steht da das Wort ‚doulos’ und
das heißt eindeutig Sklave.
Das
ist schon hart, was Jesus uns hier zumutet: Sklaven sind wir!
Wie
meint das Jesus? Das bedarf schon einer Erklärung.
Sicher
will Jesus damit nicht die Sklavenzustände seiner Zeit unkritisch
übernehmen und auch noch gut heißen.
Und
sicher will er auch nicht, wie es uns der Bibeltext nahe legen
könnte, dass wir immer auf ein Dankenschön verzichten und es auch
dem anderen versagen, weil der schließlich seine Pflicht getan hat
und er das schuldig ist.
In
dem Zusammenhang dachte ich an einen Mitarbeiter in unserer
Gemeinde, der seine Sozialstunden hier ableistet. Und dieser
Mitarbeiter arbeitet wirklich gut und bringt sich besonders ein wie
man ja auch draußen, im Schaukasten auf dem Zeitungsartikel über
den letzten außergewöhnlichen Welcome-Gottesdienst lesen kann. Ich
selbst bin in erster Linie sein Ansprechpartner und gebe ihm die
Aufträge. Wenn ich ihm nach sechs Stunden Laubkehren im
Kirchengelände draußen sagen würde: Komm mach mir jetzt ein
schönes Mittagessen und dann kannst du sehen, was du bekommst, das
wäre mehr als unfair. Das wäre sehr undankbar und ich würde auf
Dauer so einen guten Mitarbeiter, auch wenn er nur seine Pflicht
tut, vergraulen oder zu mindestens bewirken, dass er seine Arbeit
nur noch mit wenig Freude und Liebe macht.
Nein,
es ist wichtig dem anderen zusagen: Danke, dass du diese Arbeit
getan hast, die sonst keiner macht. Danke, mit welchem Einsatz du
hier dabei bist. Schön, dass es dich gibt! So etwas tut gut! Das
ist enorm wichtig, dass auch auszusprechen. Dadurch schätzt man den
anderen wert, würdigt ihn!
Eine
falsche
Frömmigkeit hingegen will einem das ausreden.
Ich
habe das früher als Pfarrer so ähnlich gesehen. Bloß keinen Dank
nach einer guten Predigt annehmen. Bloß nicht zuviel Lob über
einen selbst hören. Es geht ja schließlich um Gott, um seine Ehre
im Gottesdienst und in der Gemeindearbeit. Also bitteschön mit dem
Danken zurückhalten.
Obwohl
das theologisch, geistlich ja alles stimmen mag, sehe ich das heute
ganz anders. Ich merke einfach, dass es mir und anderen Menschen gut
tut und einen aufbaut, ein ehrliches Dankeschön zu hören.
Ich
bin also überzeugt: Jesus will einem das nicht ausreden und uns zum
Sklavendienst zwingen.
Man
sollte vielmehr darauf schauen, welchen Menschen das Jesus sagt und
warum er deswegen das Sklavenbild in unserem Gleichnis verwendet.
Jesus
redet zu Menschen, die wahrscheinlich sehr fromm waren, die als
fromme Juden das Gesetz Gottes hielten, die versuchten, sich brav
daran zu halten und meinten: Wenn ich das alles halte, ja dann habe
ich meinen Lohn bei Gott. Dann kann er doch gar nicht anders als
mich annehmen.
Verstehen
Sie, die frommen Menschen damals dachten: Gott ist so was wie ein
Arbeitgeber und ich bin der Arbeitnehmer. Mit Gott habe ich
sozusagen einen Arbeitsvertrag. Wenn ich den einhalte, dann werde
ich dafür auch dementsprechend bezahlt.
Und
genau das hinterfragt, kritisiert Jesus hier mit dem Sklavenbild auf
Schärfste.
Da
macht er einen dicken Strich durch diese Rechnung. Da sagt er uns
ganz klar:
Liebe
Leute, diese Rechnung geht nicht auf! Im zwischenmenschlichen
Bereich stimmt das zwar. Da braucht ihr das ganz klar. Ohne
Tarifverträge, Arbeitsverträge undsoweiter läuft es da nicht. Da
geht es tatsächlich auch um Leistung und Verdienst. Da habt ihr
tatsächlich einen Anspruch auf Lohn. Hoffentlich werdet ihr da
tatsächlich nicht wie Sklaven ausgenutzt und müsst mit einem
Minimallohn über die Runden kommen. Hoffentlich werdet ihr da auch
als Mitarbeiter wertgeschätzt und gepflegt. Hoffentlich gibt es da
eine gute Kultur der Dankbarkeit.
Aber
das Verhältnis zu Gott ist ein völlig anderes! Da könnt ihr keine
Ansprüche stellen, egal wie Großartiges und Tolles ihr da
geleistet habt. Gott ist euch da nichts schuldig. Vielmehr verdankt
ihr euch und euer ganzes Leben Gott selbst, dem Schöpfer und Herrn
aller Dinge!
Genau
so haben wir es auch in dem Lied vor der Predigt gesungen, was
eigentlich zu Christi Himmelfahrt erst dran ist, aber es passte
einfach zum Bibeltext so gut: ‚Jesus Christus herrscht als König,
alles wird ihm untertänig’.
Genau
so verhält es sich, auch wenn das der Mensch von heute eher ungern
hört.
Da
stellt man sich als Individuum lieber selbst in den Mittelpunkt so
wie die Sonne, um die einige Planeten kreisen. Und einer dieser
Planeten ist Gott, den man irgendwie in sein System einbaut. Ja, man
baut sich teils seinen Gott so zusammen, wie man ihn haben will, wie
er einem genehm ist und bequem in die eigene Lebenssicht rein passt.
Konstruktivismus nennt man das Ganze, wenn ich es richtig weiß.
Bei
allem Verständnis dafür, weil man so besser durchs Leben kommt und
auch manches Zusammenleben mit meinen Mitmenschen sich an der
Oberfläche erleichtert, - ich habe meinen, du hast deinen Gott -
bei allem Verständnis dafür frage ich mich schon: Was ist das für
ein Gott? Kann man das überhaupt noch Gott nennen?
Nach
biblischer Sichtweise geht da nicht, entspricht das nicht der
Wirklichkeit.
Da
steht im Zentrum, im Mittelpunkt ganz klar Gott. Da ist er unser
Herr und Schöpfer! Da hat er ein Recht auf unser ganzes Leben! Wir
sind sein Eigentum, sein eigen.
Jesus
will also damit den frommen Menschen damals und auch uns heute
sagen: Baut nicht auf euch selbst! Baut nicht auf eure eigene
Frömmigkeit, auf eure eigenen Leistungen! Prahlt nicht mit euren
angeblichen Pfunden bei Gott! Da macht ihr euch was vor. Darauf hat
Gott als euer Schöpfer und Herr sowieso einen Anspruch. Da könnt
ihr selbst keine Ansprüche geltend machen. Da gehört ihr ihm ganz
und gar!
Ich
selber hätte allerdings jetzt nach dem Ganzen, was Jesus hier sagt,
Bauchschmerzen. Das Ganze wäre so nicht evangelisch. Und unser
Bibeltext ist - ehrlich gesagt - für sich genommen auch nicht
evangelisch.
Gott
hat ganz und gar ein Recht auf uns! Das ist die harte Wahrheit, die
Jesus hier, ausspricht, mehr nicht.
Aber
- und das ist ein ganz entscheidendes Aber! - aber Gott verzichtet
uns zuliebe auf dieses Recht. Er fordert nicht bis zum bitteren Ende
das ein, was wir ihm schuldig sind. Vielmehr holt er uns aus diesem
Sklavenzustand heraus und nimmt uns als seine geliebten Kinder an.
Er schenkt uns die Anerkennung und Liebe, die wir uns für unser
Leben wünschen und nach der wir uns sehnen.
Jesus
selbst hat das so gelebt. Er hatte mit den Menschen Gemeinschaft,
mit denen keiner was zu tun haben wollte. Schon sein Jüngerhaufen
war da eine kuriose Schar. Frauen und Kindern, Zöllnern,
Prostituierten und vielen anderen Außenseitern hat er sich
zugewandt. Und schließlich hat er am Kreuz die endgültige
Gemeinschaft Gottes mit uns Menschen wieder hergestellt und darin
gezeigt, wie sehr Gott uns Menschen liebt!
Die
vor uns liegende Passionszeit macht uns das neu bewusst.
Sie
macht uns bewusst: Nicht auf das, was wir im Leben geleistet und
geschafft haben, kommt es vor Gott an. Es kommt vielmehr auf den
Glauben an, dass Gott uns ohne Vorbedingung, ohne Wenn und aber
liebt und uns annimmt, so wie wir vor ihm dastehen.
Darauf
gilt es von ganzem Herzen zu vertrauen!
Das
ist übrigens auch das Thema dieses Sonntags Septugesimae - siebzig
Tage vor Ostern.
Der
Wochenspruch aus dem 9. Kapitel des Prophetenbuches Daniel macht uns
das deutlich: ‚Wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen
nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große
Barmherzigkeit.’
Ja
das stimmt! Genau darauf kommt es an!
Für
mich bedeutet das:
Wenn
ich mal wieder Niederlagen statt Erfolge habe, wenn es mir schlecht
geht und mir irgendwie die Freude und Lust an allem fehlt, weil ich
alles andere als Dank in meinem Leben erfahre, dann will ich mich
nicht an dem festhalten, wo ich doch so gut bin, was meine Stärken
und Fähigkeiten bin. Ja, das stimmt sicherlich. Aber das wird mich
nicht tragen können. Das kann vielmehr nur Gott in seiner so
großen, unendlichen Liebe!
Mein
Seelsorger und Beichtvater, zu dem ich vor Jahren gegangen bin, hat
mir das immer wieder gesagt, wenn ich mich so schlecht fühlte und
so klein vorkam: Du wirst von Jesus geliebt! Schau nicht zu sehr auf
dein Leben, was da gelingt und was du da vergeigt hast. Schau auf
Gott, der dich liebevoll in seinen Händen hält.
Um
auf den Anfang der Predigt zurückzukommen:
Wir
müssen nicht als gebeugte und geknickte Christen mit strengem und
ernstem Gesicht durchs Leben gehen. Das ist nicht die fromme
Sklavenhaltung, die wir annehmen müssen, die Gott von uns erwartet.
Vielleicht für denjenigen, der zu selbstbewusst ist und meint:
‚Eigentlich bin ich der Beste - nur schade, dass das keiner der
anderen einsieht.’
Nein
im Ernst, wir dürfen fröhlich und aufrecht durchs Leben gehen. Wir
dürfen von Herzen ein Dankeschön dem anderen gegenüber
aussprechen, eine Kultur der Dankbarkeit pflegen und den anderen so
wertschätzen - auch für das, was er getan, geleistet hat. Das ist
wichtig, tut gut, stärkt und baut auf.
Wir
können aber dieses Verdienst-Lohn-Schema, was sich dahinter oft
verbirgt, so nicht auf Gott übertragen. Gott ist nicht wie ein
Vertragspartner, mit dem wir verhandeln können. Da ist er uns gar
nichts schuldig. Als unser Herr und Gott hat er ein Anspruch auf
unser ganzes Leben.
Zu
unserem Glück und Heil zieht er das aber nicht gnadenlos durch und
lässt uns in einem sklavenähnlichen Zustand. Zu unserem Glück und
Heil, beschenkt er uns vielmehr mit seiner unendlich großen Liebe,
nimmt uns als seine geliebten Kinder, so wie wir sind, an und gibt
uns die Anerkennung, nach der wir uns sehnen! Im Glauben an Jesus
Christus dürfen wir das wissen! Im Glauben an Jesus Christus stimmt
es, was der Beter aus Psalm 103 uns zuspricht: ‚ Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte. Wie
sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über
die, die ihn fürchten.’
In
dem Vertrauen kann ich auch - und ich hoffe, jeder von uns - Lieder
singen wie:
‚Das
Höchste meines Lebens ist, dich kennen, Herr’! ‚Das Höchste
meines Lebens ist, dich lieben, Herr’! ‚Das Höchste meines
Lebens ist, dir dienen Herr’! Amen.
Klaus
Eberhard
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