Predigt am 30. Januar 2011 über 2.
Samuel 6, 12 - 21
Welcome
Drucken
’After-Disco-Party’
- so lautet dieses Mal der Titel unseres Welcome-Gottesdienstes.
Viele Reaktionen habe ich zu unserer Postcard, die wir verteilt
haben, gehört.
Reaktionen
wie:
‚Der
Mensch an der Elektroorgel hätte bei dem, was ihr vorhabt, sicher
nicht sein Bild für die Öffentlichkeit freigegeben.’
oder
‚Herr
Eberhard, ich möchte doch gerne genau wissen, was sich dahinter
verbirgt. Davon mache ich es abhängig, ob ich zum Gottesdienst
komme oder nicht.’
oder
‚Hey,
wenn ihr das anbietet, dann hol doch gleich morgen am Kölner Südbahnhof
meine Töchter um sechs Uhr ab. Die kommen da gerade aus der Disco
und das liegt ja bei euch direkt in der Nähe.’
After-Disco-Party
halt! Ganz klar - das ist unsere Zeit, in der wir Gottesdienst
feiern!
Um
es dabei direkt am Anfang zu sagen: Wir möchten mit diesem
Gottesdienst nicht provozieren und nur HalliGalli mit Lightshow und
so weiter machen. Wir möchten damit einfach eine Sache offen und
ehrlich ansprechen, über die wir uns im Vorbereitungsteam Gedanken
gemacht haben: Was macht eigentlich unsere junge Generation am
Wochenende?
An
der letzten Reaktion, die ich zu der Postcard gehört habe, wird es
deutlich: Am Samstagabend geht man auf Tour in Discos und Clubs. Da
tanzt man bis in den frühen Morgen ab. Gehen Sie mal zu dieser Zeit
in die Fitnessstudios. Da ist eine gähnende Leere! Ganz klar, die
Jungs, die was für ihre Muskeln getan haben, wollen sich nun bei
den Mädels sehen lassen und umgekehrt genauso. Da geht man einfach
auf die Tanzfläche und feiert ausgelassen.
Für
mich ist das von Vorteil: Ich als sportlicher Mensch genieße diese
Leere in den Studios. Da habe ich alle Geräte für mich und nicht
den penetranten Schweißgeruch von allen Seiten in der Nase. Ich
habe mich allerdings jetzt ein bisschen einseitig dargestellt. Ich
gehe auch gerne ab und zu tanzen - etwas unkoordiniert in meinen
Bewegungsabläufen, aber immerhin versuch ich es.
Ja
früher, noch vor ein paar Jahren da habe ich daraus einen richtigen
Sport gemacht. Da wollte ich es wissen, wie lange ich auf der Tanzfläche
bleiben kann, um morgens noch im Gottesdienst auf der Kanzel zu
stehen. Mein Rekord lag so ungefähr bei 3 Uhr morgens. Andere Leute
aus der Disco sind dann teils gekommen, um zu sehen, ob ich das
wirklich schaffe und in was für einem Zustand ich mich befinde. Das
ist auch eine Art, missionarisch tätig zu sein und Menschen in die
Kirche zu bekommen. Inzwischen hat meine Kondition deutlich
nachgelassen. Ich gehe nicht mehr so oft in die Disco - alle paar
Monate. Die Zeit, wo ich im Bett bin, liegt nun deutlich früher so
zwischen Mitternacht und ein Uhr. Ich brauche nun die Zeit, wenn ich
am Sonntagmorgen den Gottesdienst so wie heute halte. Gerade als
einzelner Pfarrer in einer Gemeinde habe ich da nicht mehr so die
Kraftreserven. Das ist vielleicht auch gut so, wird sich der eine
oder andere unter uns erleichtert sagen.
Aber
mal im Ernst, offen und ehrlich gesagt: Mit Tanzen in Discos
verbringt ein großer Teil der jungen Menschen seine Zeit am
Wochenende.
Für
uns Christen stellt sich da schon die Frage: Wie stehen wir selbst
dazu? Verurteilen wir das Ganze so nach dem Motto ‚denn Christen müssen
artig sein, keine Party, keinen Wein’ oder ‚ein Bein, das sich
zum Tanz bewegt, das wird im Himmel abgesägt’?
Ich
lese dazu eine Geschichte aus dem Alten Testament vor, genauer aus
dem 6. Kapitel des 2. Samuelbuches. Der Hintergrund ist folgender:
David ist König über das Land Israel geworden. Er hat die Stadt
Jerusalem erobert und zu seiner Hauptstadt gemacht. Richtig
erfolgreich war er. Genau da beginnt unsere Geschichte, die ich aus
einer modernen Bibelübersetzung, der ‚Hoffnung für alle’
vorlese:
‚Eines
Tages berichtete jemand David: „Seit die Bundeslade bei Obed-Edom
ist, hat der Herr ihn, seine Familie und allen seinen Besitz reich
gesegnet.“ Da ging David voller Freude zum Haus Obed-Edoms, um die
Bundeslade nach Jerusalem zu holen. Als die Männer, die sie trugen,
die ersten sechs Schritte auf dem Weg nach Jerusalem zurückgelegt
hatten, ließ David sie anhalten und opferte dem Herrn einen Stier
und ein Mastkalb. Als der Zug sich wieder in Bewegung setzte, tanzte
David voller Hingabe neben der Bundeslade her, um den Herrn zu
loben. Er war nur mit einem leichten Leinenschurz bekleidet, wie ihn
sonst die Priester trugen. Jubelnd brachten David und alle
Israeliten, die ihn begleiteten, die Bundeslade nach Jerusalem, und
die Musiker bliesen ihre Hörner. Als die Menge in der Stadt Davids
ankam, schaute Davids Frau Michal, die Tochter Sauls, aus dem
Fenster. Sie sah, wie der König hüpfte und tanzte, und verachtete
ihn dafür. Man trug die Bundeslade in das Zelt, das David für sie
errichtet hatte, und stellte sie auf den vorgesehenen Platz in der
Mitte. Dann ließ David dem Herrn Brand- und Dankopfer darbringen.
Er segnete das Volk im Namen des allmächtigen Gottes. Alle
Israeliten, Männer und Frauen, erhielten einen Laib Brot, einen
Rosinen- und Dattelkuchen. Dann machten sie sich auf den Heimweg.
Auch David ging nach Hause, um seine Familie zu sehen. Er war noch
nicht im Palast, als ihm Michal schon entgegen kam: „Ach, wie würdevoll
ist heute der Herr König vor seinem Volk aufgetreten!“, spottete
sie. „Bei deiner halb nackten Tanzerei hast du dich vor den
Sklavinnen deiner Hofbeamten schamlos entblößt. So etwas tut sonst
nur das Gesindel!“ David erwiderte: „Ich habe dem Herrn zu Ehren
getanzt. Er hat deinem Vater und seinen Nachkommen die Herrschaft
genommen und sie mir anvertraut. Mich hat er zum König über sein
Volk Israel eingesetzt, und ihm zu Ehren will ich auch künftig
tanzen.“’
Der
große König David tanzt ausgelassen vor Gott! Pure Lebens- und
Glaubensfreude bricht da aus ihm heraus!
Um
sich mal eine Vorstellung zu machen, in was für einer Kleidung
David herum getanzt hat, blenden wir so einen leinernen
Priesterschurz, den David anhatte, auf der Leinwand ein. Auf Hebräisch
heißt dieser Priesterschurz Efod. Vielleicht war das hier schon ein
schmuckes Stück für den Hohenpriester und David hatte etwas
Einfacheres an.
Unabhängig
davon finde ich jedenfalls, dass dieser Efod, dieser Priesterschurz
noch ganz gemäßigt aussieht - wie so ein nettes Abendkleid für
eine Dame - noch nicht mal Minirock, wo die Beine zu sehen sind.
Sicher,
auch in so einem Priesterschurz kann man ausgelassen tanzen. David
jedenfalls hat das getan! Voller Gottvertrauen ist er vor der
Bundeslade des Herrn wild hin und her gehüpft. Dazu war er sich
nicht zu schade und kannte da keine Hemmungen. Übrigens ist er da
nicht die Ausnahme. Wenn man sich mal die Geschichten gerade aus dem
Alten Testament durchliest, dann merkt man, wie begeistert, wie erfüllt
vom Geist Gottes die Menschen damals waren und sich Gott total
hingaben. Da ist das, was David tut noch ziemlich harmlos.
Was
mir daran klar wird: Glaube an Gott hat unwahrscheinlich viele
Ausdrucksformen!
Es
gibt da nicht nur die eine Form, die die richtige ist. Da gibt es
diejenigen, bei denen das mit dem Glauben eher über den Kopf läuft,
die eine gut theologische Predigt hören möchten, bei denen die
gewohnte, vertraute Liturgie korrekt, bis ins Kleinste stimmen muss.
Diejenigen brauchen das. Und das alles hat auch sein gutes Recht,
wenn es Menschen anspricht und sie so einen Zugang zum lebendigen
Gott bekommen.
Da
gibt es aber auch diejenigen, die eher emotional, über viele Sinne
einen Zugang zum lebendigen Gott bekommen, angesprochen und berührt
sind. Da gibt es diejenigen, die Hände, Beine oder sonst was
bewegen wollen, um ihre Freude Gott gegenüber auszudrücken und ihn
so loben und ehren!
Es
gibt da sicherlich noch viel mehr an Formen als das, was ich jetzt
grob zweigeteilt habe. Und wenn ich mir die Bibel anschaue, dann bin
ich überzeugt: Gott hat da ein ganz, ganz weites Herz! Da gibt es
alle möglichen Formen, über die Menschen zum Glauben an den einen
lebendigen Gott finden!
Ich
selbst finde das wunderschön, wunderbar, dass das so ist!
Gott
spielt da nicht die eine Form gegen die andere aus. Er lässt sie
vielmehr nebeneinander stehen und benutzt sie, damit Menschen auf
ihn vertrauen und von ihm total erfüllt sind!
Um
es mal konkret auf unsere Gemeinde zu übertragen:
Ja,
es ist gut, dass es den klassischen Gottesdienst mit Liturgie,
Orgel, feierlichem Abendmahl und vielen anderen kirchlichen
Elementen gibt.
Ja,
es ist aber auch gut, dass wir Welcomegottesdienst mit Band,
lockeren Einlagen, visuellen Effekten und vielem mehr so wie heute
haben.
Wir
sollten da nicht in einen falschen Konkurrenzkampf treten, bei dem
einen sagen, wie stinklangweilig und asbach uralt das doch ist, und
bei dem anderen, wie niveaulos und unkirchlich das ist.
Es
gibt da keine absolute Form, die bei Gott nur als die wahrhaft
richtige gilt! Nochmals: Gott hat da ein viel größeres Herz, wenn
es um den Glauben an ihn geht, als wir oft meinen.
Ich
habe den Eindruck, dass das im Gespräch zwischen Michal und David
auch so wichtig ist. David hat nicht danach gefragt, was sich für
einen König gebührt. Er hat einfach seine spontane Freude an Gott
rausgelassen. Deswegen hat er zu Ehre und zum Lob Gottes wild
getanzt und gefeiert!
Damit
wäre ich bei dem weiteren, ganz entscheidenden Punkt an der
Geschichte.
Ich
habe bis jetzt ja noch nicht so richtig die Frage beantwortet: Dürfen
wir Christen an den Feiern und Feten in den Discos so mitmachen?
Ich
würde sagen, wir dürfen. Wir Christen haben die Freiheit dazu!
Auch wenn ich da nicht alles gut heiße und manches auch platt und
falsch ist, wir dürfen auch da unsere Freude ausleben! Ich würde
sogar sagen: Dahinter steckt letztendlich die Sehnsucht der Menschen
nach erfülltem und wahrem Leben!
Ich
kann diese Sehnsucht nur allzu gut verstehen. Wir, die Kirche,
unsere Philippus-Kirchengemeinde hier vor Ort steht da in der
Pflicht, hat den Auftrag, den Menschen auf ihre Sehnsüchte und
Fragen eine Antwort zu geben.
Wie
können wir das machen?
Mit
Sicherheit nicht so, dass wir es der Stadt Köln gleichmachen und
einen Discogottedienst nach dem anderen anbieten. Da können wir gar
nicht mithalten. Da sind die anderen viel besser und professioneller
als wir. Da würden wir nur eine billige Kopie von abgeben, mehr
nicht. Da würden wir auch das Eigentliche, was uns ausmacht,
verschweigen. Nein, da haben wir viel mehr, ja noch was ganz anderes
zu bieten! Wir haben die frohe Botschaft, dass Gott selbst bei uns
ist und für uns da ist, ja dass er unser Leben ausmacht und erfüllt!
Jesus Christus selbst hat es uns im 6. Kapitel des
Johannesevangeliums gesagt: ‚Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu
mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird
nimmermehr dürsten.’ Und ein Kapitel weiter sagt er: ‚Ihr
werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei
machen.’ Das ist es! Darauf kommt es an! Und mit dieser frohen
Botschaft dürfen wir als Kirche selbstbewusst auftreten! Bei Gott
selbst finden wir unsere befreiende Antwort auf alle unsere Sehnsüchte
und Wünsche nach Leben!
Das
war genauso auch bei David der Fall. Dem ging es eigentlich ganz
gut. Wie gesagt: Jerusalem erobert, zu seiner Hauptstadt gemacht, König
über ganz Israel, zudem viele Frauen - Herz was willst du mehr? Er
war doch eigentlich der Discokönig.
Aber
ihm hat etwas ganz Entscheidendes gefehlt: Die Gegenwart Gottes, der
Segen Gottes zu allem! Ohne das fehlte ihm die entscheidende Mitte
seines Lebens, der tragende Grund!
Genau
das findet David in der Bundeslade des Herrn!
Auch
dazu haben wir ein Bild, das auf der Leinwand eingeblendet wird.
Die
Bundeslade war etwas ganz Brisantes und Hochheiliges damals beim
Volk Israel. Das war ein rechteckiger Kasten, der mit Gold überzogen
war und an zwei Stäben getragen wurde. In dem Kasten befanden sich
die beiden Tafeln mit den zehn Geboten und noch andere heilige
Sachen. Auf dem Kasten befand sich eine goldene Platte mit zwei
Cherubim bzw. Engeln mit ausgebreiteten Flügeln. Diese Bundeslade
war das Symbol für die Gegenwart Gottes schlechthin! Hier konnte
man ihm begegnen! Hier war er da und ließ seinen Segen wirken!
Aus
diesem Grund holt David die Bundeslade nach Jerusalem und freut sich
so sehr darüber!
David
weiß in seinem Herzen: All meine Erfolge, alles, was ich bisher
erreicht habe, das zählt ohne Gott nicht. Erst er selbst gibt mir
das, was mich letztendlich im Leben trägt und erfüllt. Darin liegt
der Grund seiner unbändigen Freude!
Um
es auf uns heute zu übertragen:
Ja,
wir haben auch manches Schöne und Gute an Leben in unserer
Gemeinde. Wir haben auch viel pulsierendes Leben in Raderthal und
ganz Köln.
Aber
das ist nicht das, was uns ausmacht. Da würde uns was ganz
Entscheidendes fehlen. Das Entscheidende ist vielmehr, dass Gott in
unserer Mitte ist! Nicht durch die Bundeslade so wie damals, sondern
durch Jesus Christus ist er das! Das Entscheidende ist, dass er
durch Jesus seinen Segen uns, unserer Philippus-Kirchengemeinde,
ganz Raderthal, ganz Köln und noch darüber hinaus gibt! Darin
finden wir in allen unseren so unterschiedlichen Ausdrucksformen
unseres Glaubens unser Lebensglück und unsere Freude! Das gilt es
fröhlich zu leben und laut in der Welt weiterzusagen und somit eine
Glaubensfröhlichkeit und Freude nach außen hin auszustrahlen! In
dem Sinne lasst uns voller Freude das nächste Lied ‚Heut wird
gefeiert’ miteinander singen und damit unserem Herrn und Gott die
Ehre geben.
Amen.
Klaus
Eberhard
|