Predigt am 16. Januar 2011 über 2.
Mose 33, 17 - 23
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Ich
lese Worte aus dem 33. Kapitel des 2. Mosebuches:
17
Der HERR sprach zu Mose: Auch das, was du jetzt gesagt hast, will
ich tun; denn du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne
dich mit Namen. 18 Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit
sehen! 19 Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte
vorübergehen lassen und will vor dir kundtun den Namen des HERRN:
Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich
erbarme, dessen erbarme ich mich. 20 Und er sprach weiter: Mein
Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der
mich sieht. 21 Und der HERR sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum
bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. 22 Wenn dann meine
Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen
und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. 23
Dann will ich meine Hand von dir tun und du darfst hinter mir her
sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.
Liebe
Gemeinde!
‚Herr,
das Licht deiner Liebe leuchtet auf’ - so haben wir es gerade in
dem inzwischen sehr bekannten Lobpreisklassiker von Graham Kendrick
gesungen.
Ich
mag dieses Lied nach wie vor. Es steckt so voller Glaubensfreude und
Glaubensbegeisterung. Man denke nur an die Sätze in der ersten
Liedstrophe: Jesus, dein Licht, füll dies Land mit des Vaters Ehre!
Komm, Heilger Geist, setz die Herzen in Brand! Fließ Gnadenstrom,
überflute dies Land mit Liebe!
Ja,
das wünsche ich mir sehr! Und ich vermute, ich bin nicht der
einzige.
Aber
zugleich frage ich mich: Ist das auch so? Erlebe ich das so?
Da
sieht doch vieles eher bescheiden aus und ernüchtert einen.
In
der Zeitung kann man es über die Landesssynode unserer
Evangelischen Kirche im Rheinland lesen:
Die
Einnahmen gehen weiter zurück - es geht dabei um mehrere Millionen.
Die Personaleinsparungen werden weiter vorgenommen und umgesetzt.
Man
muss aber gar nicht soweit oben mit dem Rotstift ansetzen:
Auch
wir, unsere Gemeinde, können sich nicht mehr alles leisten und müssen
in manchem sparen. Neben dem Geld, was uns fehlt, treibt uns auch
die Sorge umher: Wo bleibt unser Nachwuchs? Wie wird es wohl bei uns
in zwanzig Jahren aussehen?
Jetzt
will ich aber nicht rumjammern und eine depressive Stimmung
verbreiten.
Ich
würde damit die geistlichen Aufbrüche, die auch geschehen, und die
Chancen, die sich aus Krisenzeiten ergeben, übersehen.
Und
ich würde übersehen, dass in den alten Zeiten, die doch immer als
so gut beschrieben werden, auch manches nicht glatt und rund lief.
Das
war schon übrigens zu Zeiten des Mose so.
Wir
kennen vor allem die Geschichte von den tollen Ereignissen her:
Gott
hat sein Volk Israel aus Ägypten befreit hat. Auf wunderbare Weise
hat er sein Volk durch das Schilfmeer oder auch ein anderes Meer geführt,
während er die militärische Übermacht Ägyptens untergehen ließ.
Auf dem Berg Sinai gab er seinem Volk die 10 Gebote. Während der Wüstenwanderung
hat er sein Volk behütet und bewahrt.
Soweit
zu den herrlichen Ereignissen.
Aber
so reibungslos werden es Mose und seine Leute nicht immer erlebt
haben.
Ich
denke an das Risiko, auf das sich Mose einließ, die Quärelen, die
er mit dem Pharao hatte, die spontane Flucht aus Ägypten, der Ärger
und Widerstand, der sich aus den eigenen Reihen erhob, so dass es
dem Mose fast Kopf und Kragen kostete.
Das
waren große Strapazen. Da lief vieles genauso wie heute nicht glatt
und rund.
Und
das alles im Auftrag Gottes, in seinem Namen?
Ich
kann daher die Worte verstehen, die wir heute als Predigttext aus
dem 33. Kapitel des 2. Mosebuches gehört haben. Ich kann verstehen,
dass Mose zu Gott spricht: Lass mich deine Herrlichkeit sehen! Ich
kann verstehen, dass er sich danach sehnt, sich das wünscht.
Mose
sucht einfach Bestätigung, Absicherung für all das, was er bis
jetzt getan hat, wofür er sich so über Jahre hinweg eingesetzt
hat.
Da
lag eine große Verantwortung auf seinen Schultern und von da her möchte
er genau, ganz klar wissen, woran er bei Gott ist.
Vielleicht
möchte er auch damit all den Menschen, die ihm Probleme bereiten,
ihm Widerstand leisten und ihn hinterfragen, sagen: Hey, schaut mal!
Hier ist Gott! So und so verhält es sich mit ihm! Jetzt habt ihr
den Beweis dafür!
Und
was tut Gott auf diesen so verständlichen Wunsch von Mose?
Er
geht tatsächlich auf Mose ein, aber er geht nicht so ein, wie Mose
es sich wünscht!
Er
sagt ihm auch ganz klar, warum: Das würdest du gar nicht aushalten
Mose. Daran würdest du zugrunde gehen und sterben, wenn du mich von
Angesicht zu Angesicht sehen würdest.
Der
so ungeheuerlich große Abstand zwischen Gott und mir Menschen tritt
hier hervor. Dem heiligen und herrlichen Gott kann ich unheiliger
und kleiner Mensch mich nicht so ohne weiteres nähern. Das ist
etwas, das die Menschen damals genau wussten, was bei uns heute
allerdings kaum eine Rolle mehr spielt. Aber genau das betont unser
Predigttext. Das macht er uns neu bewusst. Ich bin nicht mit Gott
automatisch per du. Ich habe ihn nicht in der Tasche.
Nein,
da entzieht sich Gott erstmal mir und bleibt unverfügbar!
Da
kann ich kleiner Mensch mit meinem Verstand - und sei ich noch so
schlau - Gott nicht begreifen. Bei aller gut gemeinten und auch
segensreichen Aufklärung - auf einem rationalistischen Weg komme
ich bei Gott nicht weiter. So kann ich nicht zu ihm kommen und ihn
packen.
Wenn
das möglich wäre, dann wäre ich im Grunde genommen mein eigener
Herr über Gott. Ich könnte ihn für meine Zwecke gebrauchen und -
ganz gefährlich! - auch missbrauchen.
Ich
denke da an so viele schlimme Geschehen aus unserer Vergangenheit.
Wie oft haben da Menschen den Namen Gottes missbraucht. Dahinter
stand aber nicht der lebendige und heilige Gott, der sich zeigt,
sondern einfach ein Benutzen und Missbrauchen von Religion -
menschengemacht.
Gott
spielt da nicht mit. Dafür gibt er sich nicht her. Dem entzieht er
sich und bleibt uns Menschen unverfügbar.
Wir
können also Gott mit unserem Verstand und auch allen unseren Sinnen
nicht begreifen. Es mag sein, dass jeder Mensch seinen eigenen eher
sinnlichen, emotionalen oder eher rationalen, intellektuellen Zugang
zu Gott hat. Ich vermute darauf geht auch Gott ein und geht da mit
jedem seine eigene Geschichte.
Aber
letztendlich können wir ihn mit unseren Fähigkeiten nicht
begreifen. Es bleibt eine Sache des Vertrauen, des Glaubens!
Und
genau auf dieser Schiene geht Gott tatsächlich auf den Wunsch des
Mose ein.
Er
zeigt sich wirklich dem Mose - aber von der Rückseite, quasi von
der unansehlichen Seite.
Wir
sagen ja auch manchmal etwas ironisch, wenn wir Fotos uns ansehen,
oder Menschen von hinten vor uns stehen: ‚Auch ein Rücken kann
entzücken’.
Also,
wenn ich als Mann eine Frau ganz nett finde, dann möchte ich sie
nicht von hinten, sondern von vorne sehen. Da gibt’s einfach mehr
Reizvolles, Schönes zu sehen.
Genauso
macht es aber Gott nicht. Er zeigt sich uns Menschen nicht volle
Front von der prachtvollen schönen Vorderseite, sondern von der
eher unattraktiven Rückseite.
Mit
all seiner Herrlichkeit zeigt er sich im Unscheinbaren, Verborgenen,
gar nicht so Attraktiven uns Menschen!
Das
ist die tiefe Wahrheit, die hinter diesem Satz ‚Auch ein Rücken
kann entzücken’ steckt. Bei Gott trifft das genauso zu.
Denken
wir doch nur an die Kirchenjahreszeit, in der wir jetzt stehen: Die
Weihnachtszeit liegt hinter uns - der Tannebaum ist dank kräftiger
Mitarbeiter weg und auch der Herrnhuter Stern -, die Epiphaniaszeit
ist am Ausklingen und bald beginnt schon die Passionszeit.
Das
sind alles Zeiten, die uns deutlich machen, dass Gott nicht
prachtvoll, herrlich daher schreitet, sondern bescheiden und
armselig kommt.
Der
Weg Jesu Christi von der Krippe zum Kreuz macht uns das deutlich.
Gott
ist sich nicht zu schade, für uns diesen unteren Weg zu gehen, all
seine Herrlichkeit in diesen armseligen Verhältnissen zu zeigen.
Er
ist sich nicht zu schade, in unsere menschlichen Tiefen hinab
zusteigen und sich genauso, von seiner unansehlichen Rückenseite zu
erkennen zu geben.
Jetzt
mag manch einer sich sagen: Das ist mal wieder viel
Kreuzestheologie. Das waren mal wieder sehr theologische Gedanken.
Dem
würde ich widersprechen und sagen:
Nein,
das Ganze hat gerade so ganz viel mit unserem Leben zu tun.
Gott
wollte damit dem Mose klar machen: Ich bin bei dir und für dich da,
gerade in dem ganzen Trouble´, den du hast, in all dem Stress und
den Problemen, die dich rumtreiben.
Und
ich bin überzeugt, das will er auch jedem von uns heute noch
genauso klar machen: Ich bin bei dir und für dich da, gerade dort,
wo du in einer Krise steckst, wo es dir beruflich oder privat echt
schlecht geht. Die Verhältnisse mögen noch so armselig und
miserabel sein, aber auch darin, ja gerade darin wirst du mich
antreffen und finden.
Um
es etwas konkreter, aktueller zu sagen:
Wir
haben heute die Gemeindeversammlung, wo wir alles Mögliche
aussprechen und hören werden, was im letzten Jahr an Gutem und Schönem
so gelaufen ist. Vielleicht haben wir da auch etwas von Gottes
herrlicher Gegenwart gespürt. Wunderbar, wenn es so ist!
Und
wir sollten dabei sicherlich auch den Blick nach vorne richten, von
Gott Großes für die Zukunft erwarten. Visionen und Träume
brauchen wir für unsere Gemeinde! In sofern stimmt das Lied, das
wir vor der Predigt gesungen haben, tatsächlich. In sofern stimmen
auch die Worte des Mose: ‚Lass mich deine Herrlichkeit sehen!’
Aber
heben wir dadurch nicht zu sehr vom Boden ab. Meinen wir nicht, wir
hätten somit alles im Griff.
Vielleicht
werden wir auch manches hören, was nicht so toll ist und uns ernüchtert.
Vielleicht werden wir merken, dass wir vor manch Herausforderungen
stehen. Da dürfen wir wissen: In all dem Unansehlichen, Schwachen
und Kümmerlichen ist Gott auch da!
Darauf
dürfen wir ganz fest vertrauen und hoffen, so wie es auch der
Taizegesang den wir gleich im Fürbittengebet singen werden,
ausspricht: ‚Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein
Licht, Christus, meine Zuversicht, auf dich vertrau ich und fürcht
mich nicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht.’ Amen.
Klaus
Eberhard
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