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Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31 Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31
 

Predigt an  Sylvester 2010  über  Jesaja 30, 8 - 17

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Liebe Gemeinde!

Wie geht es Ihnen an solchen Abenden? Kommt da in Ihnen eine wehmütige Stimmung auf? Mir zu mindestens geht’s so. So richtig lieb habe ich solche Zeiten nicht. Ich halte im Lauf meiner Lebenszeit mal inne und werde mir bewusst, was eigentlich alles so gelaufen ist. Beruflich war das dieses Jahr sicherlich nicht wenig: Eine neue Pfarrstelle in meiner nun nicht mehr so neuen Philippus-Kirchengemeinde. Das stimmt mich nach wie vor positiv. Aber das Negative ist auch mit dabei. Ich denke an all die Dinge, die ich mir vorgenommen habe und die ich nicht erreicht habe. Ich denke an all die Gelegenheiten, die ich habe verstreichen lassen, um mein Leben zu verändern, ihm eine ganz andere Richtung zu geben.

Ich vermute, da geht es Ihnen ähnlich. Da denken Sie vielleicht auch an das vergangene Jahr zurück und merken, was gut gelaufen ist, aber auch, was sie nicht bekommen, ja verpasst haben.

Da kann leicht eine Wehmut in einem aufkommen, wenn man genauer drüber nachdenkt und sich da hinein vertieft.

Schön finde ich es daher umso mehr, dass Sie davor nicht einfach mit Knallerei und Alkohol in das neue Jahr flüchten, sondern diesen Abend mit einem Gottesdienst beginnen. Schön, ja gut finde ich es, dass Sie mit dem, was Sie sind und auch nicht sind, am Ende des Jahres vor Gott hintreten und auf sein Wort hören, sich dem stellen.

Also lassen wir die Worte des Herrn, unseres Gottes auf uns wirken. Ich lese aus dem 30. Kapitel des Prophetenbuches Jesaja:

8 So geh nun hin und schreib es vor ihnen nieder auf eine Tafel und zeichne es in ein Buch, dass es bleibe für immer und ewig. 9 Denn sie sind ein ungehorsames Volk und verlogene Söhne, die nicht hören wollen die Weisung des HERRN, 10 sondern sagen zu den Sehern: »Ihr sollt nicht sehen!«, und zu den Schauern: »Was wahr ist, sollt ihr uns nicht schauen! Redet zu uns, was angenehm ist; schaut, was das Herz begehrt! 11 Weicht ab vom Wege, geht aus der rechten Bahn! Lasst uns doch in Ruhe mit dem Heiligen Israels!« 12 Darum spricht der Heilige Israels: Weil ihr dies Wort verwerft und verlasst euch auf Frevel und Mutwillen und trotzt darauf, 13 so soll euch diese Sünde sein wie ein Riss, wenn es beginnt zu rieseln an einer hohen Mauer, die plötzlich, unversehens einstürzt; 14 wie wenn ein Topf zerschmettert wird, den man zerstößt ohne Erbarmen, sodass man von seinen Stücken nicht eine Scherbe findet, darin man Feuer hole vom Herde oder Wasser schöpfe aus dem Brunnen. 15 Denn so spricht Gott der HERR, der Heilige Israels: Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein. Aber ihr wollt nicht 16 und sprecht: »Nein, sondern auf Rossen wollen wir dahinfliehen«, – darum werdet ihr dahinfliehen, »und auf Rennern wollen wir reiten«, – darum werden euch eure Verfolger überrennen. 17 Denn euer tausend werden fliehen vor eines Einzigen Drohen; ja vor fünfen werdet ihr alle fliehen, bis ihr übrig bleibt wie ein Mast oben auf einem Berge und wie ein Banner auf einem Hügel.

Hui! Was für ein Text! Bereuen Sie es jetzt vielleicht, in die Kirche gekommen zu sein? Das ist ja nicht gerade einladend, was wir da zu hören bekommen haben.

Als ich den Predigttext zum ersten Mal las, war meine erste Reaktion: Oh nein! Nicht das! Was soll ich denn dazu noch sagen?!

Das Ganze klingt für mich erstmal nach Resignation! Da scheint der Prophet Jesaja sein Volk ziemlich abgeschrieben zu haben. Die haben sich knatschverkehrt verhalten und das schon seit langem. Dafür bekommen sie nun die Rechung von Gott. Jaja, so ist das halt. Da ist nix mehr zu machen.

Das passt vielleicht sogar etwas zur Stimmung am Altjahresabend: So ist halt der Lauf der Welt, so ist halt der Lauf der Zeit. Daran kann man nichts ändern. Alles geht irgendwie den Bach runter.

Ist das also nun ein pessimistisches Endfazit von Jesaja - zu vergleichen mit einem alten Mann, der frustriert über sein Leben und das der Welt nachdenkt und darin nichts Gutes mehr zu erkennen vermag?

Dazu kann ich nur sagen: Mit Sicherheit nicht! Ganz bestimmt nicht!

Erstens ist es nicht Jesaja, der seine Sicht hier niederschreibt, sondern Gott, der durch ihn spricht.

Zweitens spricht hier Gott der Herr, der Heilige Israels wortwörtlich: ‚Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein.’

Es gibt also die Möglichkeit der Umkehr, der Hinkehr zu Gott!

Das sei mal klar festgehalten!

Und in dem, was direkt auf unseren Predigttext folgt, schreibt Jesaja: ‚Darum harrt der Herr darauf, dass er euch gnädig sei, und er macht sich auf, dass er sich euer erbarme!’

Na, das sind doch ganz andere Worte. Da erweist sich Gott, der Herr als geduldig und barmherzig!

Das wird hier also ganz klar vorausgesetzt. Das ist der Grund, mit dem unser christlicher Glaube steht und fällt!

Eigenartig, dass das aber als schönes Schlussfazit aus unserem Predigttext raus gefallen ist, nicht wahr?

Je mehr ich aber darüber nachdenke, desto mehr gefällt mir das. Ja, das soll heute gerade nicht zu billig gemacht werden, wo wir uns getrost zurück lehnen und uns sagen: Ich habe es eh gewusst. Der liebe Gott kann doch gar nicht anders. Am Ende wird eben alles gut.

Nein, so stimmt es nicht! Dann hätten wir aus der frohen Botschaft ein weiches Evangelium gemacht.

Das Ganze ist eine deutliche, klare Mahnung an uns!

Wir müssen nicht resignierend den Kopf in den Sand stecken, weil eh schon alles gelaufen ist. Aber wir werden hier ermahnt!

Vor allem in einem Punkt: Setzt nicht auf falsche Sicherheiten! Vertraut vielmehr wirklich auf Gott!

Jesaja beschreibt das ganz konkret an seinem jüdischen Volk. Das kann man direkt - diesmal vor unserem Predigttext - nachlesen. Das Volk befand sich in ziemlich großer Not. Die Assyrer waren an der Macht. Das Nordreich des Volkes war schon längst platt gemacht worden. Ein Großteil Israels war schon von den Assyrern geschluckt worden. Übrig blieb der Rumpfstaat Juda mit der einst so berühmten Stadt Jerusalem. Was hat man da versucht? Ganz klar, man hat sich in Anführungsstrichen ‚Freunde’ gesucht, benachbarte, scheinbar mächtige Völker, die es mit den Assyrern aufnehmen konnten. Eine große Macht war da doch schon immer Ägypten gewesen. Also, verlassen wir uns doch mal auf sie und gehen mit denen einen antiassyrischen Pakt ein. Ägypten ist von jetzt an unser Bündnispartner.

Das ist so verständlich, dass die Könige des jüdischen Volkes so gedacht und gehandelt haben. Sie wollten so ihr Bestes für ihr Volk. So war das auch bei Hiskia, der nun wirklich im Gegensatz zu manch anderen Königen ein frommer König gewesen ist.

Das Problem ist aber, dass man bei aller äußerlichen Frömmigkeit sehr eigenmächtig gehandelt hat und nur auf die eigene Sicherheit aus war.

Es waren schlicht und einfach falsche Sicherheiten, auf die man gesetzt hatte. Die Ägypter waren letztendlich gar keine Hilfe und verloren später so kläglich gegen die Übermacht Assyrien.

Das ist ja im Grunde etwas typisch Menschliches, auch wenn es dadurch nicht besser wird - nicht nur damals, sondern noch heute.

Ich habe mich gefragt, was sind eigentlich heute meine Ägypter?

Sind es all die Versicherungen, die ich abgeschlossen habe und jetzt an meinem neuen Wohnort angepasst habe?

Ist es meine volle, verbeamtete Pfarrstelle mit meinen monatlichen Gehalt und der genügenden Absicherung im Ruhestand?

Ist es meine neue Gemeinde, in der es so herzlich und beziehungsvoll zugeht und ich so viel erlebe?

Ist es meine Familie, zu der ich echt ein tolles Verhältnis habe, wo eben über Blutsverwandtschaft nichts hinaus geht?

Sind es meine Freunde, die zu mir stehen und sich freuen, wenn der Klaus kommt?

Das sind ja alles ganz wichtige Dinge, die es im Leben zu regeln gibt, wo tatsächlich Handlungsbedarf ist!

Aber wenn ich allein darauf setze, ja dann fehlt mir das Entscheidende, das Gottvertrauen!

In all den Dingen, die ich genannt habe, drehe ich mich nur um mich selbst. Da versuche ich selbst alles in die Hand zu nehmen und hinzukriegen.

Das Selbstvertrauen, aber nicht das Gottvertrauen bestimmt so mein Leben!

Genau da lenkt Jesaja meinen Blick wieder darauf, dass doch alles in meinem Leben vielmehr ein Geschenk, eine Gabe Gottes ist! Da macht er mir bewusst machen, wie zerbrechlich mein Leben auf mich allein gestellt doch eigentlich ist.

Genau da macht Jesaja mir klar: Mach nicht so weiter wie bisher! Suche neu den Bezug zu Gott! Bau zu ihm eine persönliche und tiefgehende Glaubensbeziehung auf! Denn darauf kommt es an! Ohne diese tiefe Bindung an Gott verkümmert nämlich dein Leben. Ja, ohne diese feste Bindung an Gott geht dein Leben total kaputt.

Jesaja nennt dazu zwei drastische Beispiele:

Das ist wie ein Riss in der Mauer, der alles plötzlich zum Einstürzen bringt.

Das ist wie ein Tonkrug, der mit voller Kraft auf den Boden geworfen wird und in kleinste Teile zerspringt, mit denen man nichts mehr anfangen kann.

Das ist hart, aber es stimmt offen und ehrlich gesagt.

Ohne Gott stehe ich letztendlich mit leeren Händen, mit Nichts da.

Manch einer mag jetzt vielleicht innerlich protestieren und sich sagen: Hey, so schlimm ist es doch bei mir nicht. Ich bin doch fromm. Ich glaube an Gott. Für mich ist doch Kirche wichtig und ich versuche mich da auch einzubringen.

Ja, das mag alles stimmen. Ich will das auch alles in Ehren halten und wert schätzen.

Aber ist es nicht oft so, dass wir unser Frommsein auch mit unseren eigenen Interessen und Vorteilen verbinden?

Manchmal habe ich das Gefühl: Wir bauen da Gott solange in unser eigenes System ein, bis er da hinein passt und alles so weiterlaufen kann wie bisher.

Genau das ist verkehrt. Hier werden unsere eigenen Standpunkte, mögen sie noch so fromm sein, vielmehr relativiert.

Das ist wirklich echtes Gottvertrauen gefragt! Ein Vertrauen, das sich hineinfallen lassen kann in ihn, der einen wirklich hält! Ein Vertrauen, das falsche Sicherheiten loslassen kann und auch etwas riskiert!

Genau daran fehlte es dem Volk Israel damals. Daran fehlt es wahrscheinlich auch uns!

Ich möchte dazu nochmal etwas persönlich sagen. Als damals klar war, dass Sie mich als neuen Pfarrer haben wollen, da war nicht nur Freude da, sondern auch Angst. Plötzlich war ich vor meiner eigenen Courage erschrocken. Bis dahin empfand ich es als Kompliment, dass man an mir interessiert war und dass ich durchaus Chancen hatte. Aber auf einmal wurde es ernst und ich musste mich auf die neue Situation einlassen. Da weiß ich noch, wie ich einem Pfarrkollegen in Godesberg die Pro- und Contra-Argumente vortrug und alles genau abwägte. Der Pfarrer, der deutlich liberaler als ich war, sagte mir eher frommen Pfarrer: Klaus, habe doch einfach Gottvertrauen! Da fühlte ich mich in mancher Frömmelei ertappt und habe mich schon gefragt: Nehme ich das mit dem Glauben an Gott wirklich ernst? Lass doch jetzt mal falsche Sicherheiten los und dich wirklich auf das Neue ein!

Genau dem sollte sich jeder von uns neu stellen: Wie sieht das aus für unsere Gemeinde? Wie sieht das für uns beruflich wie privat aus? In all diesen Bereichen, egal was da ansteht, ist ganz klar das Vertrauen auf Gott, auf Jesus Christus gefragt!

In dem Punkt ist das, was Jesaja uns predigt, tatsächlich keine angenehme Predigt, wo man sich träge zurücklehnen kann und so weitermachen kann wie bisher. Vielmehr werden wir ermahnt, wirklich auf Gott, auf Jesus Christus zu vertrauen und uns auf ihn mit allem, was kommt - auch an Überraschungen und Veränderungen - einzulassen.

Gott ist es, der alles in seinen Händen hält, auch unsere Lebenszeit. Treffend mit den Worten, die wir gleich singen werden: ‚Meine Zeit steht in deinen Händen. Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir. Du gibst Geborgenheit, du kannst alles wenden. Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir.’ Amen.

Klaus Eberhard