Predigt am 25.12.2010, Weihnachten über
Micha 5, 1 - 4a
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Wir
hören Worte aus dem 5. Kapitel des Prophetenbuches Micha:
1
Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in
Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen
Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. 2 Indes lässt
er sie plagen bis auf die Zeit, daß die, welche gebären soll,
geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu
den Söhnen Israel. 3 Er aber wird auftreten und weiden in der Kraft
des HERRN und in der Macht des Namens des HERRN, seines Gottes. Und
sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich
werden, so weit die Welt ist. 4 Und er wird der Friede sein.
Liebe
Gemeinde!
Das,
was der Prophet Micha schreibt, passt doch wunderbar zu Weihnachten.
Da
wird von ‚Bethlehem’ geredet - dem Ort, wo Jesus nach der
Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas- und dem Matthäusevangelium
geboren wurde. ‚Efrata’ ist dabei das Gebiet, das Bethlehem
umfasst und aus dessen Region die Familie Davids stammt. In der
Nachfolge Davids steht der neue Friedenskönig, der geboren wird.
Ein
klassischer Weihnachtstext: Der Prophet Micha hat den zukünftigen
Messias aus dem Geschlecht Davids angekündigt. Das Ganze hat sich
in Jesus Christus, in seiner Geburt in Bethlehem, erfüllt.
Vom
christlichen Glauben her stimmt das! Darauf vertraue ich auch, dass
in Jesus der Heiland, der Messias, von dem das Alte Testament
spricht, zur Welt gekommen ist. (Pause)
Ich
würde es mir allerdings zu leicht machen, wenn ich diesen Text aus
dem Prophetenbuch Micha nur mit einer lieb netten Weihnachtssicht
vereinnahme. Wir haben alle gerade den Heilig Abend hinter uns
liegen. Wir befinden uns jetzt mitten in der Weihnachtszeit. Da legt
es sich nahe, den Text aus dem Prophetenbuch Micha nur schön
besinnlich auszulegen. So einfach ist das allerdings nicht.
Micha
ist nämlich kein Prophet, der nur nett von einem Fest der Liebe und
des Friedens redet.
Micha
war vielmehr ein harter Unheilsprophet gewesen. Das heißt: Er
redete den Leuten damals kräftig in’s Gewissen geredet. Er sprach
harte Gerichtsworte gegenüber seinem Volk.
Er
lebte im siebten Jahrhundert vor Christus. Zu der Zeit regierten in
Juda nacheinander die Könige Jotam, Ahas und Hiskia. Die Assyrer
als Großmacht bedrängten das Land und machten den Einwohnern das
Leben schwer. Der Prophet Micha trat zu dieser Zeit auf und sagte
den Leuten knallhart in’s Gesicht: So habt ihr es auch verdient.
Ihr habt euch von Gott abgewendet und dementsprechend werdet ihr
jetzt bestraft. Da finden sich ganz heftige Gerichtsworte bei ihm.
So schreibt Micha z.B. im 3.Kapitel: ‚Darum wird Zion um
euretwillen wie ein Acker gepflügt werden, und Jerusalem wird zu
Steinhaufen werden und der Berg des Tempels zu einer Höhe wilden
Gestrüpps.’ Das muss in den Ohren der jüdischen Einwohner
unglaublich hart geklungen haben. (Pause)
Jetzt
kann man sich sagen: Das Ganze also hat überhaupt nichts mit
Weihnachten zu tun. Ja vielleicht noch schlimmer - dieser Micha
vermiest uns noch unsere frohe und besinnliche Stimmung in dieser
Zeit. Hoffentlich ist das nicht der Fall, wenn Sie nach diesem
Gottesdienst nach Hause gehen.
Dieser
Text hat nämlich durchaus auch was mit Weihnachten zu tun.
Ich
sehe hier vor allem zwei Pole, die sich gegenüber stehen:
Das
Unheil und das Heil. Die unheilvolle Zeit und die heilvolle, die
heilsame Zeit.
Das
ist etwas, das damals, zu Zeiten des Micha so war.
Das
ist etwas, dass damals, als Jesus geboren wurde, zutraf.
Das
ist etwas, das auch uns heute noch betrifft.
Ich
werde das jetzt etwas genauer entfalten, was ich damit meine.
Ich
fange mit der Zeit des Micha an:
Das
war, wie schon gerade angedeutet, keine heilvolle Zeit. Die Assyrer
hatten das Sagen. Das jüdische Volk war weit von dem Großreich
unter dem König David entfernt. Ein kleines Gebiet um Jerusalem
herum war als Rumpfstaat übrig geblieben. Zudem leiteten führenden
Köpfe das Volk in die Irre und machten leere Versprechungen.
Wirtschaftlich gesehen steckte sich die meisten das Geld in die
eigene Tasche. Viele, die am Rande der Gesellschaft standen, blieben
auf der Strecke, hatten nichts zu melden.
Micha
nennt diese unheilvollen Zustände deutlich beim Namen. Er geht
dabei auch hart die damaligen Könige aus dem Hause Davids an. Für
sie hat nur ein vernichtendes Urteil übrig. Der neue Friedenskönig
wird sicherlich ganz anders aussehen. Das wird etwas völlig Neues
anbrechen, etwas, wo Gott selbst in den Lauf der Geschichte
einbricht und die Initiative übernimmt!
Damit
wäre ich bei der heilvollen Seite, der Hoffnung, die der Prophet
Micha ausspricht. Durch das Gericht hindurch prophezeit er eine gute
Zukunft, die Gott selbst herbeiführen wird. Mitten in allen
Gerichtsworten, die der Prophet für sein Volk übrig hat, wird auch
das Heil angekündigt.
Einer
pessimistischen Sicht nach dem Motto ‚Jaja, so böse ist die
Welt’ will Micha hier gerade nicht das Wort reden. Er sieht
vielmehr das kommende Heil!
Damit
komme ich zur Weihnachtsgeschichte selbst, zur Geburt Jesu
Jahrhunderte später.
Wissen
Sie, ich bin bei der Weihnachtsgeschichte hin und her gerissen.
Einerseits weiß ich, wie wichtig ist, diese Geschichte gerade an
Weihnachten den Menschen vorzulesen. Ich sehe immer wieder, wie
gerade ältere Menschen leuchtende Augen dabei bekommen und wachsam
zu hören. Das gehört für die Menschen zu Weihnachten - zu Recht,
wie ich finde. Vor allem theologisch: Gott wird schließlich Mensch!
Andererseits
tu ich mich manchmal mit der Weihnachtsgeschichte auch schwer. Ich
ertappe mich dabei, wie ich diesen Text nur lieblich und nett finde.
Ja, ich verniedliche die Weihnachtsgeschichte. Ich vermute, das geht
einigen ähnlich. Manche Weihnachtslieder laden uns ja gerade dazu
ein, all das, was damals geschah, tatsächlich zu verniedlichen.
Ich
erinnere nur an das Lied ‚Stille Nacht, heilige Nacht’.
Da
heißt es in der zweiten Strophe: ‚Holder Knabe im lockigen Haar,
schlaf in himmlischer Ruhe, schlaf in himmlischer Ruh.’ Also, ich
gehe davon aus, dass dieser Knabe damals nicht so hold im lockigen
Haar dalag und himmlisch ruhte.
Damit
Sie es jetzt nicht falsch verstehen: Ich habe nichts gegen das Lied,
wenn es uns auf Weihnachten einstimmt und in uns auch emotionale Gefühle,
besinnliche Momente auslöst. Aber wenn es nur bei dem holden Knaben
im lockigen Haar bleibt, ja dann bleiben wir selbst an der Oberfläche
der Weihnachtsgeschichte. Dann dringen wir zu dem Eigentlichen, was
an Weihnachten passiert ist, nicht durch.
Wichtig
ist, die unheilvollen Verhältnisse von damals wieder zu erkennen
und sie nicht zu beschönigen. Wichtig ist, die Weihnachtsgeschichte
mit ihren Ecken und Kanten wahrzunehmen. Dieses Bethlehem z.B. war
ein hässlicher und armer Ort. Wenn Sie heute nach Israel fahren und
dorthin kommen, hat sich da nicht viel verändert. Viel Armut und
große Arbeitslosigkeit herrscht da unter der palästinensischen Bevölkerung.
Das
war, als Jesus geboren wurde, nicht wesentlich anders.
Das
waren armselige Verhältnisse. Bei der Geburt Jesu hatte man kein
richtiges Dach überm Kopf. Der Stall mit der Futterkrippe musste
herhalten. Die Hirten, die später dazu kamen, waren auch nicht
gerade die angesehensten Leute.
Dafür
gilt es, sich bewusst zu machen.
Gott
kommt tatsächlich in diesem armen Kind leibhaftig zur Welt. Aus der
Höhe begibt er sich in unsere menschlichen Tiefen, in unsere
armseligen Verhältnisse. Gott hat sich nicht gescheut, diesen
unteren Weg zu gehen.
In
seinem Sohn Jesus Christus schenkt er uns das Heil und kommt in
unsere unheilvollen Verhältnisse.
Das
ist die Weihnachtsbotschaft, die wir mitnehmen dürfen!
Damit
komme ich zu unserer Weihnachtssituation, in der wir stehen.
Es
ist jetzt sicherlich nicht angesagt, all das, was wir an Weihnachten
so lieblich finden, einfach über Bord zu werfen. Nein, das gehört
ohne Frage dazu, dass es besinnlich unter uns zugeht und wir diese
feierlichen Momente auch richtig genießen können. Der
Weihnachtsbraten, die vielen Plätzchen, der schön geschmückte
Tannenbaum sollen nicht schlecht geredet werden. Darum geht es gar
nicht.
Es
geht vielmehr darum, dass wir selbst den Tiefgang der
Weihnachtsbotschaft neu entdecken und die unheilvollen Zustände
nicht ausblenden.
Ich
denke dabei an mich selbst als Pfarrer, was bei mir nicht so rund läuft
und nicht gut ist. Ich denke aber auch an all diejenigen unter uns,
die Schweres in diesem Jahr erlebt haben, die wirklich manches Päckchen
zu tragen haben und darunter leiden. Soviel habe ich in den all den
seelsorgerlichen Gesprächen und Begegnungen in dem guten halben
Jahr als Pfarrer hier in der Philippus-Kirchengemeinde schon
mitbekommen. Es ist eben nicht alles Friede und Freude in unserem
Leben.
Das
dürfen wir auch offen und ehrlich vor Gott sagen:
Ja,
Herr, so sieht’s bei uns aus. Nicht nur zu Zeiten des Micha, nicht
nur zur Zeiten Jesu, sondern auch zu unserer Zeit.
Wir
machen uns daher was vor, wenn wir das, was in unserem eigenen Leben
unheilvoll ist und eben nicht besonders gut läuft, mit dem
Weihnachtsfest überspielen.
Das
Erfolgsrezept liegt nicht darin, dass wir uns Weihnachten in eine
heile Welt flüchten und es versuchen, wenigstens da so bestens wie
möglich hinzukriegen.
Manche
hohen Erwartungen verbinden wir mit diesem Fest. Damit überfordern
wir uns aber leicht und es kommt so schnell zum Krach, zum großen
Streit.
Das
Problem liegt darin, dass wir selbst so versuchen, wieder alles in
die Hand zu nehmen und das Beste draus zu machen.
Da
gehen wir genau in die entgegen gesetzte Richtung zu dem, was an
Weihnachten eigentlich geschehen ist: Anstatt Gott auf uns zu kommen
zu lassen, wollen wir es selbst alles schon regeln und es richtig
machen.
Die
Weihnachtsbotschaft sagt da etwas ganz anderes:
Da
kommt Gott als das Heil der Welt in ihre unheilvollen Verhältnisse!
Da
schenkt er seinen Frieden in den unfriedlichen Zeiten!
Das
hat damals der Prophet Micha schon verheißen.
Das
ist damals im Stall zu Bethlehem geschehen, als Jesus geboren wurde.
Das
ist die gute Nachricht, die Gott uns noch heute fest zuspricht!
Wir
dürfen daher mit offenen und leeren Händen vor ihn hintreten und
uns neu beschenken lassen. Wir dürfen in Jesus Christus das Heil
und den Frieden für unser manchmal trostloses Leben finden!
Das
ist die frohe Weihnachtsbotschaft, über die wir uns in diesen Tagen
und auch darüber hinaus von Herzen freuen dürfen!
In dem Sinne wünsche ich uns
allen ein gesegnetes und frohes Weihnachtsfest! Amen.
Klaus Eberhard
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