Predigt am 30.11.2010 über Markus
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‚Nun
ist die Zeit der Stille’.
So
steht es auf der Einladungspostkarte, die vermutlich viele von Ihnen
bekommen haben und hierher gelockt hat.
Ich
selbst habe die Karten auch fleißig verteilt - so auch bei einer
Geburtstagsparty vor Kurzem in Bonn. Dort habe ich sie einem guten
Freund gegeben. Der sagte mir: Ich werde kommen - aber nur, wenn der
da nicht kommt!
Ich
gebe zu: Nun ist die Zeit der Stille - das hat mit dem schreienden
Blag vorne auf der Karte herzlich wenig gemeinsam.
Bei
so einem Gesichtsausdruck denke ich an gereizte Weihnachtsstimmung
unter Tannenbaum. Da denke ich an all die Anspannung, der hohe
Erwartungsdruck, der sich da entlädt. Da muss man sich grausig
vorgetragene Weihnachtslieder oder Weihnachtsgedichte anhören. Da
wird in aller Hektik ein Geschenk nach dem anderen aufgerissen und
das Geschenkpapier achtlos auf den Boden geworfen, bis alles davon
voll ist. Da wird herum geschrieen und herumgerannt, so wie es der
Junge auf der Karte vielleicht auch tut.
Ich
kann meinen Freund verstehen: Da will ich auch nicht kommen, wenn
der kommt und so einen Terz macht.
Aber
machen wir uns nichts vor. Es liegt nicht nur an den Kindern,
sondern auch uns Erwachsenen. An der satirischen Geschichte, die wir
gerade von Margit und Alexandra mit all dem Weihnachtsklimbim gehört
haben, ist ja was Wahres dran. Wir versuchen es allen recht zu
machen, allen Erwartungen gerecht zu werden. Wir erliegen dabei vor
allem dem Weihnachtskommerz.
Was
rennen und hetzen wir in dieser Zeit nicht alles rum und versuchen
all die vielen Aufgaben zu erledigen. Was setzen wir uns da nicht
unter Druck. Am Ende kommt es nicht selten zu Konflikten in Familien
unterm Tannenbaum. Das Lied ‚That was the worst Christmas ever’,
was wir gerade gehört haben, bringt das alles ja auf den Punkt.
All
das, was dann bei uns gar nicht gut, gar nicht rund läuft, das
decken wir allzu leicht mit schönem Weihnachtskitsch zu.
Davon
haben wir ja heute auch eine Menge. Selbst Ihr Pfarrer hat sich
davon was vor Kurzem auf dem Weihnachtsmarkt in Köln beim
Mitarbeiterausflug gekauft. Lichterketten blinken uns in diesem
Gottesdienst an. Am Anfang wurde zudem herrlich kitschige
Weihnachtsmusik eingespielt. Und als ob das nicht genug wäre,
gipfelt das Ganze noch in diesem Weihnachtsmann, der da in der Nähe
unseres heiligen Kreuzes in der Kirche hängt. Sie kennen diese
Klettermänner sicher von den Balkonen der Häuser, wo sie sonst
herum hängen. Der letzte Schrei, wie ich finde. Man hätte ihn auch
sicherlich auf das Kreuz selbst hängen können, aber das haben wir
uns dann vom Welcome-Team doch nicht getraut. Das war uns zu
provokant und ein Tick zuviel.
Wir
wollten damit auch gar nicht in erster Linie provozieren. Das Ganze
soll vielmehr ein Hallo-Wach-Effekt bei uns erzielen.
Im
Grunde genommen, wenn wir ehrlich sind, sieht es doch bei uns so ähnlich
aus. Im Grunde genommen ist doch das bei vielen unter uns die
Sichtweise. Da fällt uns nicht das Kreuz, sondern der
Weihnachtsmann in den Blick. Da verdeckt er das, was eigentlich an
Weihnachten geschehen ist und worauf wir uns im Advent vorbereiten.
Ja,
der verdeckt er oft das Kreuz, nimmt uns da die Sicht.
Das
also, was da vorne zu sehen ist, das ist vielleicht ein Spiegelbild
dessen, was bei uns Menschen zu leicht in dieser Zeit abläuft.
Wir
machen den Weihnachtsrummel um uns herum oft in vollen Zügen mit.
Wir versuchen alles Mögliche dabei mit zu bekommen und nichts zu
verpassen. Ich hatte im letzten Jahr z.B. soviel zu tun, dass ich
nur einmal und das kurz vor Heilig Abend auf den Weihnachtsmarkt
kam. Da habe ich gedacht: Jetzt musst du alles auf einmal nachholen.
Einige haben’s schon gemerkt: Ich kann gut essen. Also habe ich
innerhalb von ca. 2 Stunden Reibkuchen, Currywurst, Champignons in
Sauce, Waffeln, Dampfnudel gefressen. Am Ende war mir richtig
schlecht. Ja, ich hatte in Rekordzeit alles erledigt, aber gut ging
es mir dabei nicht.
Genau
das kann es doch nicht sein, was Advent und Weihnachten ausmacht. Da
muss doch noch mehr sein, ja etwas ganz Anderes sein.
Um
das zu verdeutlichen, erzähle ich Ihnen eine Geschichte, die Jesus
erlebt hat. Sie können die Geschichte im 1. Kapitel des
Markusevangeliums nachlesen. Jesus ist erst vor kurzem so richtig in
der Öffentlichkeit aufgetreten. Die Menschen herum sind auf ihn
aufmerksam geworden, weil er Besonderes kann. Vielleicht war er für
sie so eine Art Weihnachtsmann, der sie beschenkte, indem er
Menschen heilte und vieles andere Gute tat. Auf jeden Fall verbringt
Jesus einen ganzen Tag in der Stadt Kapernaum, die direkt am See
Genezareth liegt. Dieser Tag hat es wirklich in sich. Jesus hat da
alle Hände voll zu tun. Zuerst hält er in der Synagoge eine
richtig gute, ein vollmächtige Predigt. Mitten im Gottesdienst
kommt es daraufhin zu einem Eklat. Ein böser Geist in einem kranken
Menschen erkennt, dass Jesus zu Gott gehört und ruft es auch laut
aus: Was willst du von uns? Ich weiß genau, wer du bist: der
Heilige Gottes! Jesus befreit den Menschen hierauf von seinem bösen
Geist. Nach dem Gottesdienst geht es für ihn sofort weiter.
Zuhause, bei Simon, der später den Namen Petrus bekommt, ist die
Schwiegermutter schwer krank. Auch sie heilt Jesus und nimmt ihr das
Fieber weg. Als ob das nicht schon genug wäre, kommen am Abend alle
möglichen kranken Menschen zu ihm, die er gesund macht. Jesus
wendet sich auch ihnen allen zu und lässt sie gesund werden.
Ich
vermute, das alles hat Jesus sehr viel Kraft gekostet. Das war so
ein richtiger Stresstag für ihn. Interessant ist, ja wichtig ist,
was Jesus daraufhin tut. Er sagt sich nicht: O.K. morgen dasselbe
Programm, du bist ja schließlich der Sohn Gottes. Er feiert auch
nicht ab und geht auf den Weihnachtsmarkt oder so.
Nein,
früh morgens geht er an einen einsamen Ort. Er zieht sich dort zurück.
Vor allem er betet dort zu Gott, seinem Vater, zu dem er eine ganz
besondere Beziehung hat. Jesus macht genau das, worauf es auch in
dieser Zeit und auch darüber hinaus ankommt. Jesus ist sich im
Klaren: Nun ist die Zeit der Stille! Nun nehme ich mir Zeit für
Gott, meinen Vater, der mir doch ganz nah ist, mit dem ich doch so
eine tiefe feste Beziehung habe!
Die
Jünger haben dafür kein Verständnis. Die suchen Jesus und sagen
ihm auch deutlich, dass jedermann in sucht.
Ich
bin mir sicher, Jesus wusste das auch und trotzdem hat er etwas
anderes getan. Er hat die Zeit der Stille aufgesucht. Er hat sie
gesucht, um die Beziehung zu Gott, seinem Vater zu pflegen. Er hat
gewusst, wie wichtig das ist, wie gut ihm das tut!
Wenn
ich das höre, dann merke ich: Ja genau das ist es auch für mich!
Ich
gebe zu: Manchmal spare ich in meinen vollen Arbeitstagen genau da
ein. Das Beten und Singen zu Gott, das Bibellesen - all das kommt da
leicht zu kurz, obwohl es doch so wichtig ist und mir so gut tut.
Ich
brauche einfach diese Zeit der Stille, um mit Gott und mit mir ins
Reine zu kommen, um die Beziehung zwischen ihm und mir zu pflegen
und zu vertiefen. Ich brauche diesen Freiraum, um mich Gott tatsächlich
neu zu öffnen, um mich von ihm neu ansprechen und berühren zu
lassen!
Dieser
Freiraum ist so wichtig, damit Gott tatsächlich zu mir kommen kann
und mich im Innern, im Herzen tief bewegt.
Nur
so, davon bin ich überzeugt, nur so kann ich in dieser oft
hektischen und stressigen Zeit tatsächlich die frohe Nachricht neu
hören:
Die
frohe Nachricht, dass Gott in seinem Sohn Jesus Christus zu uns
kommt!
Die
frohe Nachricht, dass Gott für jeden einzelnen von uns hier und
jetzt da ist!
Die
frohe Nachricht, dass er uns all das, was zwischen ihm und uns
steht, wegnimmt und uns eine gesunde, heile Beziehung zu ihm
schenkt!
Genau
dafür brauchen wir die Zeit der Stille, Zeit für Gott!
Ich
bin also überzeugt: Das gilt nicht nur mir als Pfarrer in der
vollen Advents- und Weihnachtszeit. Das gilt auch für Sie! Das gilt
auch für Euch!
Das,
was wir aus der Geschichte von Jesus im Blick auf Advent und
Weihnachten mitnehmen können, ist also Folgendes:
Ja,
wir dürfen auf Weihnachtsmärkte gehen, das genießen und in Maßen
essen, wenn uns danach ist. Ja, wir dürfen zu Hause Lichterketten
aufhängen und auch manchen Kitsch aufstellen. Die Freude daran soll
einem nicht verdorben werden.
Aber
das alles ist es nicht, was Advent und Weihnachten ausmacht. Das
alles sollte uns nicht den Blick nehmen bzw. verdecken für das, was
tatsächlich das Wesentliche, das Eigentliche in dieser Zeit ist.
Als
symbolische Aktion werden wir daher jetzt den Weihnachtsmann vom
Kreuz entfernen, damit wir nicht zu sehr auf ihn schauen und uns
dadurch von der frohen Botschaft Gottes, für die das Kreuz steht,
ablenken lassen.
- Katechumenen hängen den
Weihnachtsmann ab (Schnur abschneiden)
Jetzt
ist der freie Blick auf Gott, auf Jesus Christus und damit der
Freiraum für ihn wieder da!
Als
weiteres Zeichen werden wir jetzt ein paar Räucherkerzen vorne vor
dem Kreuz anzünden.
- Katechumenen zünden Räucherkerzen
an und stellen sie auf einen Teller vor dem Kreuz
Die
entzündeten Räucherkerzen sind jetzt nicht dazu, um uns
einzunebeln und wieder im Weihnachtsdunst zu versinken.
Nein,
sie können uns vielmehr an den Weihrauch erinnern, der schon in der
Bibel vorkommt. Die Weisen aus dem Morgenland bringen dem Jesuskind
drei Geschenke - Gold, Myrrhe und Weihrauch.
Nach
altkirchlicher Tradition steht das Gold dafür, dass Jesus der König
ist, die Myrrhe dafür, dass Jesus am Kreuz für uns stirbt, und
schließlich der Weihrauch, dass Gott in Jesus Christus gegenwärtig
ist.
Das
mit dem Weihrauch tun zwar normalerweise in Gottesdiensten nur die
orthodoxen und manchmal auch die katholischen Christen.
Aber
im Grund genommen können wir evangelische Christen das zu
mindestens auch als ein Zeichen sehen, dass Gott wirklich gegenwärtig
ist, dass er wirklich für uns da ist. Dafür steht nämlich der
Weihrauch.
Daher
werden alle am Ende des Gottesdienstes eine Räucherkerze geschenkt
bekommen - Zimtgeschmack, also nichts furchtbar Riechendes für Ihre
Wohnung.
Vielleicht
kann Sie dieses Räucherkerzen an die frohe Advents- und
Weihnachtsbotschaft erinnern, wenn Sie es zu Hause anzünden:
Nun
ist tatsächlich Gott, ist Jesus Christus zu mir gekommen! Nun ist
er tatsächlich für mich da! Nun wendet er sich mir persönlich zu
und geht mit mir eine tiefe, feste Beziehung ein!
Dafür
möchte ich mich auch ihm tatsächlich öffnen und mit ihm reden!
Dafür möchte ich Freiraum für ihn allein haben!
Dafür
ist nun die Zeit der Stille! Amen.
Klaus
Eberhard
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