Predigt am 21. November 2010 über
Offenbarung 21, 1 - 7
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Ich
lese Worte aus dem 21. Kapitel der Offenbarung:
1
Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste
Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht
mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott
aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für
ihren Mann. 3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her,
die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er
wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst,
Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle
Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid
noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist
vergangen. 5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache
alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind
wahrhaftig und gewiss! 6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich
bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen
geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. 7 Wer überwindet,
der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird
mein Sohn sein.
Liebe Gemeinde!
Ich
weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber für mich als Pfarrer sind das
vertraute Worte aus dem 21. Kapitel der Offenbarung, die fast am
Ende des Neuen Testaments stehen.
Oft
lese ich diesen Bibeltext bei Trauerfeiern vor. Wahrscheinlich tu
ich das, weil ich den Text so tröstlich und so hoffnungsvoll
empfinde. Das spricht mich an. Und ich hoffe natürlich, dass das
auch die Angehörigen in ihrer Trauer anspricht und tröstet. Vor
allem ein Wort aus Vers 4 in dem Kapitel berührt mich immer wieder
auf’s Neue, wo es heißt: ‚Gott wird abwischen alle Tränen von
ihren Augen.’
Da
habe ich schöne Bilder vor Augen. Da denke ich an Mütter, die
ihren Kindern die Tränen abwischen, die ihre Kinder herzlich in den
Arm nehmen und sie trösten.
Jetzt
in der Woche hatten wir einen ökumenischen Schulgottesdienst mit
der Europaschule. Ein Bild von Sieger Köder stand da im
Mittelpunkt. Auf dem Bild war ein zufriedenes, glückliches Kind
abgebildet, das in großen Händen geborgen war. Auf die Frage, bei
wem man sich denn so geborgen fühlen könnte, fielen den Kindern
jede Menge Antworten ein: Die Eltern, die Freunde, ja sogar die
Schule. Und auf Gott ist man natürlich auch gekommen, klar. Das
passt meinem Empfinden nach auch zu dem Bibelvers aus der
Offenbarung.
Ich
denke dabei auch an ein Wort aus dem 66. Kapitel des Prophetenbuches
Jesaja, wo Gott spricht: ‚Ich will euch trösten, wie einen seine
Mutter tröstet.’
Der
Bezug zum Prophetenbuch Jesaja ist dabei nicht zufällig. Im Buch
der Offenbarung gibt es bei allem Mysteriösen, was schwierig zu
verstehen ist, manche klaren Bezüge zum Alten Testament, auch zum
Propheten Jesaja.
Sie,
liebe Frau Schlumberger haben heute so einen Text daraus vorgelesen,
der in vielem ähnlich wie in unserem Kapitel aus der Offenbarung
klingt. Vielleicht ist das auch dem einen oder anderen unter uns
aufgefallen. Schon der Anfang der Schriftlesung aus Jesaja macht das
auf erstaunliche Weise klar: ‚Denn siehe, ich will einen neuen
Himmel und eine neue Erde schaffen, das man der vorigen nicht mehr
gedenken und sie nicht mehr zu herzen nehmen wird.’ Darin steckt
eigentlich kompakt drin, was der Prophet Johannes uns da schreibt,
ja was er von Gott offenbart bekommen hat.
Bevor
ich darauf weiter eingehe, sage ich aber zum besseren Verständnis
noch etwas kurz zum Buch der Offenbarung.
Der
Prophet Johannes schreibt diese Worte an sieben Gemeinden in
Kleinasien, der heutigen Türkei.
Schon
die Zahl sieben spielt eine große Bedeutung in der Offenbarung.
Danach ist das ganze Buch aufgebaut:
Sieben
Siegel werden der Reihe nach geöffnet.
Sieben
Engel blasen nacheinander ihre Posaunen.
Sieben
Schalen des Zornes werden eine nach der anderen über die Erde
ausgegossen.
Das
alles hört sich nicht sehr erfreulich an. Da galoppieren Furcht
erregende Reiter wild durch die Gegend. Da folgt eine Katastrophe
nach der anderen. Da ist Apocalypse now, Weltuntergangsstimmung
angesagt. Das Ganze enthält viele drastische Bilder. Von daher hat
dieser bizarre Stoff immer wieder dubiose Musikbands und auch die
Filmbranche fasziniert.
Dabei
ist das, was der Prophet da schreibt, gar nicht so abgefahren und
weltfremd. Vieles, was er da schildert, ist gar nicht soweit von den
Naturkatastrophen, den Kriegen und allem Leid, was in der Welt
geschieht, entfernt.
Wenn
man es auch so sieht, das Ganze weckt in einem erstmal nicht
Vertrauen.
Manche
Theologen vermissen in diesem Buch das Evangelium, die frohe
Botschaft von Jesus Christus.
Selbst
Martin Luther, unser großer Reformator konnte mit diesem Buch
anfangs nicht viel anfangen. Ja, er hat sogar einmal ganz heftig
gesagt: Die Offenbarung kann man in die Elbe werfen. Später hat er
dann doch noch freundliche und tröstliche Worte über dieses Buch
gefunden. Ich selbst könnte mich dieser frühen Aussage Luthers
auch so nicht anschließen. Das Buch der Offenbarung enthält zwar
viele rätselhafte Schreckensvisionen und Bilder. Aber das Buch der
Offenbarung ist in erster Linie ein Trostbuch!
Der
Prophet Johannes will die Christengemeinden in Kleinasien in erster
Linie trösten und ihnen Mut zu sprechen: Er will ihnen sagen: Es
gibt Grund zur Hoffnung!
Diesen
Grund zur Hoffnung hatten die Christen damals bitter nötig. Damals
begannen die ersten groß angelegten Christenverfolgungen. Der römische
Kaiser Domitian wollte dem christlichen Glauben Einhalt gebieten,
weil er seiner Ansicht nach das starke römische Reich schwächte.
Die Christen wurden daher benachteiligt, unterdrückt und im
schlimmsten Fall getötet. Der Prophet Johannes spricht in seinem
Buch der Offenbarung von den Märtyrern des Glaubens, die zu Gott
schreien. Den Propheten Johannes selbst, der eine anscheinend eine
Größe unter den Christen damals war, hatte es dabei erwischt. Er
durfte nicht mehr öffentlich auftreten. Er wurde auf die karge
Insel Patmos verbannt, von wo er aus die Offenbarung schrieb.
Von
diesem Hintergrund lässt sich klar festhalten: Die Gemeinden damals
waren in großen Nöten. Sie brauchten Trost und Halt. Sie brauchten
etwas, woran sie sich festhalten konnten - etwas, das wirklich ganz,
ganz festen Bestand hatte durch die schweren Zeiten hindurch.
Genau
diesen ganz festen Bestand, diesen Trost und Halt nennt der Prophet
Johannes klar und deutlich beim Namen. In liebevollen, trostreichen
Worten spricht er seinen Mitbrüdern und -schwestern zu:
Liebe
Christen! Ihr macht gerade Furchtbares durch - ohne Frage. Aber das
alles wird nicht das letzte Wort haben. Das ist nicht alles. Wir
haben durch Jesus Christus, unseren Herrn, eine himmlische Hoffnung!
Das ist schon jetzt eine Realität. Das ist die Wirklichkeit! Auch
wenn wir hier und jetzt davon noch nicht viel sehen - aber diese
Wirklichkeit wird offenbar werden! Noch haben wir nicht den Himmel
auf Erden - aber es wird der Zeitpunkt kommen, wo alles neu gemacht
wird, wo alles neu geschaffen wird!
Das
ist, was der Prophet Johannes den Gemeinden damals so drastisch und
inbrünstig ans Herz legt und was auch noch genauso für uns heute
gilt!
Gerade
in unserem Abschnitt kommt das deutlich zur Sprache!
Das
geht Gott eine endgültige, ganz tiefe Verbindung zu uns Menschen
ein!
Nicht
nur das Bild vom Tränenabwischen drückt das aus.
Weiterhin
wird von der Braut und dem Bräutigam gesprochen. Die Beziehung
zwischen Mann und Frau ist ja mit die engste unter uns Menschen.
Genauso ein inniges Liebesverhältnis geht Gott zu uns Menschen ein.
So persönlich und liebevoll wendet sich uns Gott zu. Und all das,
was uns von ihm trennt, all das, was uns Kummer bereitet, was uns
das Leben so schwer macht, was uns zum Weinen bringt, all das nimmt
Gott weg! Es wird ein Ende haben!
Ich
denke da an die vielen Tränen, die viele von uns hier geweint
haben, weil sie im letzten Jahr ihren liebsten Menschen auf Erden
verloren haben. Ich denke an all das Leiden, wo man über den
Verlust eines geliebten Menschen nicht hinweg kommen ist und verständlicherweise
nicht hinweg kommt, weil er einfach fehlt.
Das
tut weh und bereitet tiefen Schmerz. Man kann es vielleicht verdrängen,
aber in bestimmten Situationen bricht es einfach auf und aus einem
heraus.
All
das - so spricht es uns Gott in der Offenbarung liebevoll zu - all
das wird ein Ende haben und etwas wunderbar Neues kommen!
Und
das ist nicht nur auf unser schweres Einzelschicksal reduziert. Das
betrifft die ganze Welt mit ihrem ganzen Chaos, in der sie sich
befindet.
Mir
ist das an einer Aussage deutlich geworden, die Johannes macht. Da
schreibt er ziemlich am Anfang: ‚der erste Himmel und die erste
Erde sind vergangen und das Meer ist nicht mehr.’ Also den ersten
Teil habe ich immer verstanden. Aber beim zweiten Teil habe ich
gestutzt. Das Meer ist nicht mehr? Was soll den das? Mit Meer, da
verbinde ich Urlaub, Baden im warmen Wasser, mit den Wellen
schwimmen usw.
Das
Meer ist aber in den Büchern der Bibel oft gar nicht etwas Schönes.
Das Meer war danach etwas Todbringendes. Es war eine Chaosmacht, die
alles Leben auf dem Land tötet. Man kann es gut mit dem Tsunamis
vergleichen, die vielen, vielen Menschen in Indonesien oder anderswo
das Leben kosten. Das Meer ist danach also ein Sinnbild für all
das, was unsere Welt ins Chaos stürzt, sie zerstört und
vernichtet.
All
das, nicht nur unsere Tränen, sondern auch das Chaos der ganzen
Welt werden ein Ende haben!
Jetzt
kann man dagegen einwenden: Naja, nun mal halblang. Dieses
endzeitliche Denken, dass bald der neue Himmel und die neue Erde
anbricht, ja dass Jesus Christus selbst wiederkommt, das ist doch
ziemlich abgehoben und weltfremd.
Ich
würde da insofern Recht geben: Das klammern wir heute oft aus
unserem christlichen Glauben aus. Dieses heikle Thema wird kaum in
unseren Kirchen angerührt. Wir können dafür auch einen guten
Grund ins Feld führen. Seitdem, was Johannes hier schreibt, sind
knapp 2000 Jahre vergangen. Die Wiederkunft Christi, der neue
Himmel, die neue Erde lassen noch immer auf sich warten. 2000 Jahre
Christentum - das ist viel Geschichte passiert und eine große
Kultur entstanden. Da ist es doch klar: Wir haben es uns hier auf
Erden zu Recht gut eingerichtet. Da gehen wir verständlicherweise
den normalen Dingen des Lebens nach und freuen uns auch daran.
Ich
bin aber überzeugt: Wenn wir nur so denken und leben, dann ist das
auf Dauer unbefriedigend.
Da
bricht doch die Frage in einem auf, wenn man sie zulässt -
vielleicht gerade in Krisenzeiten - die Frage: War es das jetzt
wirklich alles? Kommt da nix mehr?
Genau
darauf gibt uns das, was Johannes hier schreibt, eine Antwort!
Da
will uns Johannes neu die Augen öffnen, dass es da etwas gibt, was
darüber hinausgeht! Da will er uns neu auf den Geschmack nach mehr,
auf die christliche Hoffnung, die wir haben dürfen, bringen!
Dabei
geht es jetzt nicht darum, das irdische Leben abzuwerten, sich davon
völlig abzuwenden. Eine Weltflucht ist hier nicht angesagt.
Lebensfreude, Lebenslust, wo jemand das pure Leben ausstrahlt, ist
so wichtig und so wunderbar. Das steckt einen selbst an. Dadurch
lebt man ja selbst auf. Liebevolle Beziehungen zu unseren
Mitmenschen, zu demjenigen, der mir nahe steht, mit dem ich soviel
verbinde, soll ich jetzt nicht abbrechen.
Aber
ganz wichtig, ja entscheidend ist es, dass ich dabei nicht stehen
bleibe und meine, das war es.
Ich
darf vielmehr fest darauf vertrauen und hoffen: Das hier ist nicht
alles!
Und
ich darf dadurch wissen: Alles, was mich bedrückt und belastet,
womit ich mich schwer tu und woran ich leide - der Trennungsschmerz,
die Trauer über einen geliebten Menschen - all dass bleibt nicht für
immer! Es ist in Gottes himmlischer Zukunft gut aufgehoben. Ich darf
darüber Frieden finden. Ich muss keine Angst vor dem Sterben, vor
dem Tod haben, weil er nicht das letzte Wort hat.
Gott
selbst, Jesus Christus spricht es uns mit aller Macht und Liebe fest
zu: ‚Seht, ich mache alles neu!’ Amen.
Klaus Eberhard
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