Predigt am 14. November 2010 über
Römer 8, 18 - 25
Drucken
Ich
lese Worte aus dem 8. Kapitel des Römerbriefes:
18
Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht
fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden
soll. 19 Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass
die Kinder Gottes offenbar werden. 20 Die Schöpfung ist ja
unterworfen der Vergänglichkeit - ohne ihren Willen, sondern durch
den, der sie unterworfen hat -, doch auf Hoffnung; 21 denn auch die
Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit
zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. 22 Denn wir wissen,
dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt
und sich ängstet. 23 Nicht allein aber sie, sondern auch wir
selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns
selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres
Leibes. 24 Denn wir sind zwar gerettet, doch auf Hoffnung. Die
Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man
auf das hoffen, was man sieht? 25 Wenn wir aber auf das hoffen, was
wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld.
Liebe
Gemeinde!
Das
Seufzen über alles Schwere und alles Leiden bei einem selbst und in
der Welt - wer kennt es nicht? Das ist doch einem nur zu bekannt und
vertraut!
Eine
Melancholie macht sich in der Novemberzeit eher breit. Das fies
nasse Wetter, die abfallenden Blätter, das Absterben der Natur
tragen mit dazu bei.
Weiterhin
erinnern uns die Gedenk- und Feiertage an manches Schwere und
Leidvolle aus unserer Vergangenheit. Sie machen uns aber auch
bewusst, was hier und jetzt an Schwerem Leidvollen geschieht!
Der
9.November in der vergangenen Woche erinnerte uns an die Verfolgung
und Vernichtung der Juden durch das deutsche Volk.
Der
Volkstrauertag heute erinnert uns an die vielen Millionen Opfer, die
bei den zwei Weltkriegen ums Leben kamen.
Für
manche ist das eine alte Vergangenheit, die irgendwie verstaubt ist
und jedes Jahr am Volkstrauertag hervorgekramt wird.
Doch
spätestens seit den letzten Jahren wissen wir, dass das so nicht
stimmt.
Deutschen
Soldaten sind in Afghanistan im Einsatz und sie sterben auch dort
bei Anschlägen, die auf sie verübt werden. Das ist die bittere und
harte Wirklichkeit zur Zeit.
Gestern
liefen dazu Berichte im Fernsehen, die mir bewusst machten, was
unsere Soldaten dort unten durch machen.
Mir
ist zudem bewusst geworden: Bundeswehr ist nicht mehr einfach etwas
Schikane, die man für eine kurze Zeit, wenn man nicht Zivi macht,
über sich ergehen lässt und das war es dann. So habe ich das zu
mindestens bei meinen beiden älteren Brüdern erlebt.
Nein,
damit wird tatsächlich Ernst gemacht! Da muss man tatsächlich mit
dem Tod rechnen.
Das
wird mir ganz aktuell am Volkstrauertag klar. Das verbinde ich also
nicht nur mit den beiden schlimmen Weltkriegen vor mehr als 70 bzw.
90 Jahren.
Dieser
Sonntag ist aber nicht nur Volkstrauertag. Wer einen Blick auf die
Losung heut morgen geworfen hat, wird es wissen. Dieser Sonntag ist
zugleich der Gebetstag für verfolgte Christen.
Auch
das kriegen wir aktuell gerade mit. Da werden Anschläge auf
christliche Gemeinde im Irak verübt. Christen lassen dort für
ihren Glauben ihr Leben! Und wer die Augen auf macht, der wird
merken, dass das nicht das einzige Land ist, wo so etwas geschieht.
Es
ist wirklich dran, für unsere Brüder und Schwestern in den Ländern,
wo nicht Religionsfreiheit herrscht, zu beten, dass Gott den
Benachteiligungen und Verfolgungen von Christen Einhalt gebietet und
so etwas nicht weiter vorkommt.
All
das, was ich bis jetzt genannt habe, zeigt das tiefe Seufzen, wovon
auch der Apostel Paulus spricht.
Paulus
spricht aber noch von mehr. Das Seufzen geht bei ihm noch weiter. Er
bezieht es nicht nur auf Menschen. Er bezieht es auf die ganze Welt,
die Schöpfung.
Das
Ganze hat etwas Universalistisches! Wir Christen vergessen das
schnell, indem wir nur den Menschen in den Mittelpunkt stellen und
den Glauben individuell verinnerlichen. Der Glaube wird so zur
Privatsache und hat mit der Öffentlichkeit nur noch wenig zu tun.
Paulus
redet da ganz anders. Das ist nicht nur etwas, was uns angeht. Wir
haben durch unser falsches, ja sündhaftes Tun die ganze Welt mit in
den Schlamassel rein gezogen. Wir haben das verbockt! Heute wird uns
das besonders bewusst, wenn wir an unseren Umgang mit der Natur
denken. Was für eine schwere Verantwortung lastet da auf unseren
Schultern! Der Castortransport und die Demonstrationen machen uns
deutlich - egal wie man jetzt dazu steht und darüber denkt.
Was
für ein Schwergewicht nehmen also all unsere Leiden und die unserer
Welt ein!
Da
kann man schon tief aus dem Innern heraus aufseufzen. Ja, daran kann
man auch zerbrechen. Ich kenne Christen, die damit nicht fertig
geworden sind.
Von
daher finde ich es unglaublich, was Paulus da am Anfang des
Briefabschnittes uns sagt: ‚Denn ich bin überzeugt, dass dieser
Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit,
die an uns offenbart werden soll.’
Das
gegenwärtige Leiden macht nichts aus gegenüber der zukünftigen
Herrlichkeit? Das ist ein echt starker, ungeheuerlicher Satz!
Da
kommt richtig zum Ausdruck, was für eine strange Hoffnung hinter
dem Glauben der Christen steckt.
Da
wird davon geredet, dass Gottes Herrlichkeit an seinen Kindern, an
den Menschen und an seiner ganzen Welt offenbar werden wird. Paulus
hat dabei vor Augen, dass Jesus wiederkommt und dann der Himmel auf
Erden sein wird.
Das
ist die Hoffnung der Christen und wir sollten das keinen Deut
verringern, klein reden oder verschweigen, weil das doch eh die
wenigsten glauben.
Nein,
da gilt es sich vielmehr neu klar zu machen, was uns letztendlich
schon hier und jetzt im Leben trägt!
Auch
wenn wir davon jetzt herzlich wenig sehen, manche über unseren
Glauben schmunzeln und nicht für voll nehmen, auf eines dürfen wir
fest und gewiss vertrauen: All das Leiden - so unzählig und schwer
es oft ist - all das Leiden hat nicht das letzte Wort. Das hat
vielmehr Gott!
Man
kann es auch so sagen: Wir Christen wissen um das gute Endergebnis!
Ich
will es Ihnen am Beispiel aus einem meiner Lieblingsbereiche, dem Fußball
deutlich machen. Gestern war ja wieder Bundesliga. Nachmittags
liefen die meisten Spiele in den Stadien. Wer das hörte, der wusste
schon am Abend bei der Sportschau die Ergebnisse. Der konnte sich
das dann alles gelassen anschauen.
Wer
Fußball nicht mag, dem kann ich noch ein anderes Beispiel nennen.
Wenn
Sie das Buch zum Film schon gelesen haben, das wissen Sie, was im
Film vorkommt. Da können sich ruhig im Sessel zurücklehnen. Sie
wissen ja, wo die Szenen kommen, die einen erschrecken und tief
betroffen machen. Sie wissen auch um das Ende. Sie sind darauf
eingestellt.
So
ähnlich ist es mit der Hoffnung, die Gott uns schenkt! Wir dürfen
um das gute Ergebnis, das auf uns wartet, wissen! Wir dürfen uns
darauf einstellen!
Mit
der Einstellung und Sichtweise können wir uns unserem Alltag
stellen!
Wir
müssen dabei nicht das Leiden klein reden. Es wird nicht gesagt,
dass wir Christen da weniger als die anderen zu tragen haben.
Aber
wir müssen es nicht absolut setzen. Wir können es relativieren.
Wir dürfen darauf vertrauen und hoffen: Das ist nicht das Letzte,
das Endergebnis, was uns bleibt. Das liegt vielmehr bei Gott selbst!
Genau
diese Hoffnung, das Wissen um Gottes letztes Kommen, wo alles
bereinigt wird, macht uns fähig, uns der Welt mit all ihrem Leid zu
stellen und uns auf sie einzulassen.
Da
ist also keine fromme Weltflucht angesagt. Das ist nicht einfach
eine billige Vertröstung auf bessere Zeiten.
Nein,
das gibt uns vielmehr die Kraft, hier und jetzt unseren Alltag zu
leben, mag er noch so grau und trist manchmal sein.
Da
müssen wir nicht pessimistisch alles sehen. Da müssen wir nicht
alten Zeiten hinterher trauern - so nach dem Motto ‚ja früher, da
war noch alles anders, da war noch heile Welt’.
Nein,
da kann man sich auf das alltägliche Leben einstellen und es
annehmen, weil Gott Wunderbares für uns bereithält.
Da
darf ich wissen:
Ja,
es geht mir vielleicht gerade schlecht, aber Gott trägt mich auch
da durch.
Ja,
ich habe viel am Schweren in meiner Familie, bei meinen Freunde und
Nachbarn zu tragen, aber Gott wird es dabei nicht belassen.
Ja,
mich betrifft es tief, wenn Menschen in Kriegen sterben, Christen
verfolgt werden und wir so gedankenlos mit unserer Umwelt umgehen,
aber Gott wird!
Und
wenn ich um diese gute Hoffnung weiß und sie mir neu klar mache,
dann kann ich auch versuchen, als Christ dementsprechend in der Welt
zu leben, mich dementsprechend zu verhalten.
Ich
muss dabei nicht verkrampfen, als ob das alles in meinen Händen
liegt und machbar ist. Ich muss mich nicht in irgendeinen
Ideologiekram hinein vertiefen. Die ganzen Ismen der Menschheit
bringen uns da nicht weiter, sondern führen uns nur auf gefährliche
Bahnen. Ich muss aber auch nicht resignieren und denken: Das bringt
eh nichts. Ich muss nicht lethargisch und gleichgültig sein.
Ich
darf vielmehr mein alltägliches Leben annehmen und mich dort, wo
Gott mich hinstellt, voller Zuversicht und Hoffnung mich dort mit
ganzem Herzen einbringen!
(Pause)
Ich
hoffe, es ist jedem von uns klar geworden:
Das,
was Paulus hier sagt, ist keine Depri-Predigt, die einen nur
runterzieht und einem bewusst macht, über was man alles in der Welt
seufzen kann.
Es
ist auch keine billige Vertröstung auf etwas, das man nur belächeln
kann.
Es
ist vielmehr die feste, gewisse Hoffnung, dass all das, was uns an
Schwerem und Leidvollem hier und jetzt begegnet, nicht das letzte
Wort hat. Das hat vielmehr Gott! Das hat unser Herr Jesus Christus,
wenn er einst wieder kommen wird!
Mit
dieser Hoffnung, mit diesem guten Endergebnis im Rücken können wir
uns getrost auf unseren Alltag einlassen, uns dem stellen, was uns
dort begegnet, und versuchen, Dinge, die falsch laufen, zum Guten
hin zu bewegen und zu verändern!
Amen.
Klaus Eberhard
|