Predigt am 17. November 2010 über
Römer 14, 1 - 9
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Der
heutige Sonntag könnte einigermaßen spannend
werden. Egal, ob sie nun dieser Gemeinde angehören, oder nicht.
Heute wird die relevanteste Frage schlechthin beantwortet. Sie wird
Stütze und Orientierung im Alltag geben,
Licht ins Dunkel werfen...
Aber
gut, komme ich doch einfach mal zur Frage:
Wie
sieht das richtige und gute Leben eines Christen aus?
Jawohl,
nichts Geringeres steht heute auf dem Plan. Das ist natürlich
ziemlich groß. Vielleicht breche ich dieses enorme Thema lieber
etwas herunter. Damit das aber für sie etwas spannender wird und
sie nach dem Gottesdienst noch etwas zu reden haben, machen wir
folgendes. Sie drehen nun ihren Kopf entweder nach rechts oder nach
links und schauen intensiv ihren Nachbarn an (am besten den, dessen
dunkelste Geheimnisse sie schon immer erfahren wollten). Nun werde
ich ein paar Fragen stellen. Über Kopfnicken oder schütteln können
sie dann ihrem Nachbarn ihre Meinung kundtun.
Alles klar? Dann legen wir los.
-
Darf ein Christ trinken und rauchen?
-
Darf ein Christ in Diskos gehen?
-
Darf ein Christ mit einem nichtchristlichen Partner zusammen sein?
-
Darf ein Christ politisch aktiv sein?
-
Darf ein Christ Soldat sein?
-
Dürfen Frauen Pfarrer sein?
-
Reicht es einem Christ für sein Glaubensleben, wenn er einmal pro
Woche in den Gottesdienst
geht?
-
Sollte ein Mensch, der sich bekehrt hat nicht am besten seinen Job aufgeben
und Missionar werden?
-
Sollte ein Christ nicht den Sonntag heiligen? (von wegen Sonntagsbrötchen)
Ganz
schön trivial, oder? Gibt es denn nicht was Wichtigeres? Hmm, ja
ich denke auch. Aber das sind auch nur mal ein paar Fragen. Ich
denke, ich könnte noch weiter Fragen und irgendwann....Bingo.
Treffer, versenkt. Und schon entbrennt ein Kampf um Leben und Tod.
Naja, vielleicht nicht gleich Leben
oder Tod, oder doch?
Wie
haben sie geantwortet auf die jeweiligen Fragen geanwortet? Und
haben sie die verschiedenen Meinungen wahrgenommen? Ich denke hier
in der Philippus- Gemeinde haben wir auch ein schönes Spektrum.
Innerhalb einer Generation gibt es schon Unterschiede und umso mehr
zwischen verschiedenen Generationen. Was machen wir nun? Wie gehen
wir mit diesen Unterschieden um?
Was auf jeden Fall passieren kann: Das es mal richtig
kracht und dabei habe ich die wichtigste Frage noch nicht mal
gestellt.
Darf
ein Christ Götzenopferfleisch essen? Öh...äh...hmm, bitte WAS? Na
gut, vielleicht doch nicht mehr so aktuell - die Frage. War sie aber
in Rom - Ich lese dazu die Verse, die den Kernversen in Röm 14
zuvor gehen.
Den Schwachen im Glauben nehmt an und streitet nicht über
Meinungen.
Der eine glaubt, er dürfe alles essen; wer aber schwach ist, der isst kein
Fleisch.
Wer isst, der verachte den nicht, der nicht isst; und wer nicht isst, der richte den nicht, der isst; denn Gott hat ihn angenommen.
Wer bist du, dass du einen fremden Knecht richtest? Er steht oder fällt seinem Herrn. Er wird aber stehen bleiben; denn der Herr kann ihn aufrecht halten.
Der eine hält einen Tag für höher als den andern; der andere aber hält alle Tage für gleich. Ein jeder sei in seiner Meinung gewiss.
Wer auf den Tag achtet, der tut's im Blick auf den Herrn; wer isst, der isst im Blick auf den Herrn, denn er dankt Gott; und wer nicht isst, der isst im Blick auf den Herrn nicht und dankt Gott auch.
Darum ging es und Paulus musste da einiges klar
stellen. Dürfen wir, dürfen wir nicht? Wenn ja, wie? Und nicht nur
da. Die gleiche Frage finden wir auch im Korintherbrief -
interessant, oder? Es lief ein nicht geringer Abgrund zwischen jüdisch-christlicher
und heiden-christlicher Tradition. Sicher, es gab auch andere
Fragen, aber hier haben wir einen tiefen Konflikt. Und - Wie sollen
wir nun leben? 2 Köpfe, 3 Meinungen - lieber Paulus, was sollen wir
den machen?
Spannend
- was sollen wir machen? Wie sollen wir richtig leben? Bevor ich auf
die Antwort von Paulus komme - Ist uns das hier in Raderthal überhaupt
noch wichtig? Fragen wir danach? Streben wir Gott hinterher und
suchen nach einem Weg IHN in unserem Leben und in Köln groß zu
machen? Das würde ich
mir zumindest wünschen.
Hmm
- Was würde Paulus sagen? Was würde er heute sagen?...Vielleicht würde
er erstmal fragen, was z.B. eine Disko überhaupt ist. Dann würde
vielleicht ein recht konservativer Mensch sagen: Das wäre bei dir,
Paulus, sowas wie ne üble Spelunke. Leute tanzen willenlos und eng miteinander.
Unrein und...
Und
kurz darauf würde jemand anders kommen und sagen: Das Leben pur.
Musik, Tanz, Freude. Ich kann da den Herzschlag des Lebens erfahren
und das Leben genießen...
Ja
gut äh...Was soll ich dazu sagen. Ihr merkt ja selbst, dass...naja,
dass es nicht so leicht ist. Passt mal auf. Ich werde euch mal wie
den Jungs in Rom antworten. Ich werde euch nicht DEN Weg sagen - da
legt nur irgendwann wieder irgendjemand jedes Wort auf die
Goldwaage. Ich gebe euch ein Prinzip
mit, dass, denke ich, das Wesentlichste verdeutlichen sollte.
Wenn
euch klar ist, worum es euch geht, nämlich Gott, dann versucht es
doch mal mit Annahme, Anteilnahme, Rücksicht. Versucht es mal mit
dem Prinzip: Gnade.
Gnade
- toll. Was heißt das?
Gnade
heißt und bedeutet vor allem ein großes „JA“ zu finden. Ganz Grundsätzlich.
Jeder
von euch hat seine Maßstäbe. Jetzt in seinem Leben mit Gott und
davor auch schon. Meine Maßstäbe sind nicht deine. Und das ist
erstmal so. Und ob du es glaubst oder nicht, das ist auch in
Ordnung. Wir nehmen unsere Leben sehr unterschiedlich wahr, nehmen
auch Gott anders wahr. So kommt ihr zu unterschiedlichen Meinungen.
Nehmt
das wahr und urteilt nicht. Bitte urteilt nicht. Wendet euch nicht
voneinander ab und seid nicht gefrustet, weil der andere nicht die
gleiche Erleuchtung hat wie ihr - egal ob du nun viele Regeln hast
und brauchst, oder ob es deine große Regelobsession ist, keine
Regeln zu haben. Schaut doch bitte mal von den Regeln weg - hin zu
einander. Seht genau hin und sagt mal „Ja“. Wisst ihr,
andernfalls macht ihr Gottes Werk der Gnade nämlich kaputt. Das
nennt sich dann Rechtgläubigkeit und hat herzlich wenig mit
Gott zu tun.
Gnade,
es geht ausnahmsweise mal nicht um euch - sondern um den anderen.
Es geht um ein „Ja“ für den anderen.
Und
diese Gnade, von der ich spreche, hat auch eine mächtiges Fundament
- die Gnade Gottes. Er nimmt uns an, jeden einzelnen hier. Er nimmt
Anteil an unserem Leben, von jedem einzelnen hier. Er hat sein
„JA“ unverrückbar ausgesprochen - zu jedem einzelnen hier.
Schau dich noch mal um und schau dir jeden mal an. Über jedem steht
ein „JA“ - Gottes. Und das zu Zeitpunkten, wo wir nicht mal
etwas mit ihm zu tun haben wollten/wollen. Zu Zeitpunkten, an denen
Gott bestenfalls ein gedankliches Relikt aus einer Mythen-erfüllten-Zeit
ist. Ich meine, wer will heute noch jemand über sich stehen haben -
einfach so. Das läuft so nicht mehr. Gott? Um Gottes Willen, bleib
mir mit dem fort. Aber Gott nimmt dennoch Anteil, nimmt an und
findet ein „JA“. Siehst du es? Guck noch mal genau hin. Ja, auch
der, der...naja, vertiefen
wir es nicht. JA!
Dafür
kam er zu uns und ist heute bei uns. Und so sage ich, Paulus, euch: Röm.
14, 7 - 9.
Denn unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber.
Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.
Denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende Herr sei.
Wir
leben in Jesus. Wir sterben in Jesus. In seiner Gnade. Und in seiner
Gnade finden wir unser Heil. Das ist das Zentrum. Gnade - mehr als
ein Wort. Es ist sein Leben und Sterben, seine Taten und der Weg,
den er eröffnete, damit wir daran teilhaben können. Auf diesem Weg
ist sicher nicht jede Handlung ok und es gibt genug, was wir tun,
worüber Gott nur den Kopf schütteln
kann...aber er bleibt bei uns, bleibt gnädig.
Eure
Grenzen sind ok. Eure Fragen sind in Ordnung. Aber lasst sie nicht
euren Blick auf das Wesentliche zustellen. Lasst sie nicht die Gnade
Gottes hinter eurer Unsicherheit verblassen. Dann seid ihr schnell
da, wo wir am Anfang waren. Ein Ringen um die richtigen Antworten zu
nicht annähernd heilsentscheindenden
Fragen - und den Kämpfen, Urteilen, Verlusten.
Gnade!
Nehmt
Rücksicht aufeinander. Und da ist jeder gemeint. Jeder - auch du, falls
das noch nicht deutlich geworden ist.
Nehmt
euch gegenseitig an. Freut euch an der Andersartigkeit des anderen, vielleicht
schließt es euch noch mal ganz andere Wege zu Gott auf.
Nehmt
Anteil an aneinander. Finde erstmal ein „Ja“. Und dann gehen wir
zusammen in Richtung Gott
weiter. Zum Zentrum unseres Lebens.
Heilsentscheidend
ist, ob wir in Jesus leben und ihn Herr sein lassen (können).
Wir
haben eine Perspektive. In Jesus zum Heil. Was machen wir daraus?
Damit und mit ein paar Fragen komme ich zum Ende. Ist ihnen diese
Gnade klar? Haben sie sich in der letzten Zeit das große „Ja“
Gottes vor Augen geführt?
Und
wie sieht es mit ihrem „Ja“ aus? Hinterfragen sie doch mal ihre
Regeln oder fehlenden Regeln mit diesem „Ja“ von Gott. Und gehen
sie mit diesem „Ja“ vor Augen bewusst auf ihren Nachbar, Gegenüber,
etc. zu. Finden sie dort
auch da ein „Ja“. Kann ich da geduldig und annehmend sein?
Wir
in und mit Christus - nie nur ich. Das ist spannend und
herausfordernd. Gott segne
uns auf dem Weg.
Amen.
Alexander
Hauber
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