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Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31 Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31
 

Predigt am  31. Oktober 2010  über  Römer 3, 21 - 31  (Reformationstag)

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Ich lese Worte aus dem 3. Kapitel des Römerbriefes. Der Apostel Paulus schreibt dort:

21 Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten. 22 Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied: 23 sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, 24 und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. 25 Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher 26 begangen wurden in der Zeit seiner Geduld, um nun in dieser Zeit seine Gerechtigkeit zu erweisen, dass er selbst gerecht ist und gerecht macht den, der da ist aus dem Glauben an Jesus. 27 Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch das Gesetz der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens. 28 So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.

Liebe Gemeinde!

Als Theologe geht mir das Herz auf, wenn ich diesen Briefabschnitt lese! Was für ein durch und durch evangelischer Bibeltext! Hier wird so klar und deutlich das Evangelium ausgesprochen!

Was fallen da nicht alles für markante Worte, die für uns Christen so wichtig sind:

das Gesetz

die Gerechtigkeit

die Sünde

der Verdienst

die Gnade

die Erlösung

die Sühne

das Blut Jesu Christi

die Werke

der Glaube

Das sind alles Worte, die voller Theologie stecken und in denen auch das Herzblut des Apostels Paulus steckt!

So denke ich, wenn ich den Text als Theologe und als gut evangelischer Christ zum ersten Mal lese.

Auf den zweiten Blick hingegen melden sich bei mir starke Bedenken. Der Text ist hochtheologisch. Da wird alles so systematisch knapp zusammengefasst. Da klingt vieles so abstrakt und fremd. Vielleicht hat sich schon der eine oder andere unter uns gelangweilt, als er den Abschnitt aus dem Römerbrief gehört hat.

Sie haben dieses Problem, liebe Frau Bieler, im Schuldbekenntnis auf den Punkt gebracht. Luthers Frage nach dem gnädigen Gott, die hier mit einem klaren und fröhlichen Ja von Paulus beantwortet wird, ist uns so fern.

Sie juckt viele gar nicht mehr und ist vielen gleichgültig. Das spielt im normalen Alltagsleben keine großartige Rolle.

Das geht auch mit einem großen Traditionsabbruch einher.

Der Reformationstag ist vielen heute unbekannt. Der 31. Oktober steht für die Jugendlichen und Kinder eher im Zeichen von Halloween. Als Feiertag gibt es ihn interessanterweise nur in der ehemaligen DDR, den fünf neuen Bundesländern. Und da blüht das Evangelische nun wahrlich nicht! Gerade hier wurde die Säkularisierung unter dem damaligen Regime vorangetrieben, so dass die Kirche und der Glaube an Gott ganz aus der Öffentlichkeit verschwanden und sich davon auch nicht erholten.

Aber man muss gar nicht soweit ausholen. Man kann es ganz konkret vor Ort erleben.

Ich habe selbst vor kurzem eine bittere Niederlage in der Schule eingefahren, wo ich eine Kontaktstunde über ‚Martin Luther’ halten wollte. Ich wusste, dass das Thema nicht leicht war. Und trotzdem war ich überrascht, dass da gar nichts ist, wo ich bei den Kindern anknüpfen kann. Das ist mir nachgegangen und ich habe mich schon gefragt: Wie kann man da noch etwas von dem so Wichtigen und Wesentlichen der Reformation vermitteln? Wie kann man so davon sprechen, so dass zumindestens etwas hängen bleibt und man eine Ahnung bekommt, was evangelisch bedeutet.

Es würde jetzt aber nichts bringen, wenn ich mich darüber nur beklage und ein miesepetrige Gesicht mache. Das bringt einen nicht weiter.

Man könnte jetzt versuchen, das Evangelium anzupassen - so nach dem Motto: Evangelisch sind eben die modernen aufgeklärten Protestanten im Gegensatz zur katholischen Kirche. Die finden alles irgendwie gut und sind für alles offen. Mit so einer Haltung findet man viele Anhänger, oft bei denjenigen, die sowieso mit dem Glauben an Gott nicht viel zu tun haben. Aber das kann es nun wirklich nicht sein, das Evangelium so zu verharmlosen, es lieb, nett so zu verbiegen, bis es überall hinein passt.

Ganz wichtig ist vielmehr, die Möglichkeiten zu sehen, das Evangelium, die frohe Botschaft Jesu Christi mit seinem tiefgehenden und tiefernsten Gehalt, ohne Wenn und Aber unter die Leute zu bringen!

Das ist tatsächlich die Herausforderung, die jede Zeit mit sich bringt. An diesen Auftrag erinnert uns der heutige Reformationstag.

Es geht also nicht darum, etwas Altes, Verstaubtes aus dem ausgehenden Mittelalter neu hochleben zu lassen und sich durch mehr oder weniger trockene Reformationslieder und Texte neu auf das protestantische Kulturgut einzuschwören.

Es geht vielmehr darum, das Evangelium neu zur Sprache zu bringen und Menschen dadurch neu zu erreichen und sie zu überzeugen, was sie allein im Leben und auch im Sterben tragen kann!

Das ist die Aufgabe, der wir uns getrost stellen dürfen und mit der uns vor allem Gott nicht allein lässt!

Ich bin nämlich bezeugt: Der lebendige Gott begegnet uns noch heute mitten in unserem Alltag!

Ja, es mag sein, dass wir Menschen in unserer modernen Zeit vielleicht nicht mehr nach Gott geschweige denn wie Luther nach dem gnädigen Gott fragen. Aber - und das ist ein entscheidendes Aber! - aber Gott fragt nach uns! Das gilt es sich neu klar zu machen! Gott selbst offenbart sich uns, zeigt sich uns, indem er die Frage an uns stellt: Wie steht es um dich und um dein Leben? Mitten in unserem Alltag tritt er mit dieser Frage an uns heran!

Wenn wir selbst uns dieser Frage wirklich offen und ehrlich stellen, uns darauf einlassen, dann kommen oft auch Dinge ans Tageslicht, die wir sonst nicht gesagt hätten und für uns behalten hätten - Dinge, die uns verwundbar, angreifbar machen. Dinge, die uns zeigen, wie sehr wir doch manchmal an unsere Grenzen kommen, wie oft wir doch in unserem Leben versagen und kläglich scheitern. Da tritt zutage, was sich hinter den eigenen vier Wänden, hinter der eigenen Fassade oft an Schwerem abspielt bzw. an unguter Vergangenheit abgespielt hat. Da zeigt sich auch, wie gnadenlos es oft in unserer Gesellschaft zugeht, dass wir eben nicht in allem mithalten können, sondern auch in manchem durchfallen und dann am Boden liege.

In dem Moment, wo ich so etwas im Alltag erlebe - z.B. in intensiven, seelsorgerlichen Gesprächen - da merke ich, wie Gott hier ins Spiel kommt und wirklich etwas bewegt und bewirkt! In dem Moment, wo es zu solch offenen und tiefgehenden Gesprächen kommt, merke ich, wie hochaktuell das ist, was Luther damals gerade beim Apostel Paulus entdeckt hat und was er in unserem Abschnitt aus dem Römerbrief schreibt. Ich spüre dann, was für ein tief tragender Inhalt hinter den so wichtigen Worten steckt, die ich zu Anfang nannte, und wie sie sich mit Leben füllen und mich selbst betreffen:

Das Gesetz, das einem gnadenlos im Alltag sagt, du musst, du musst, musst und wehe du packst es nicht. Dann bist du unten durch.

Die Sünde, die mir klar macht. Es liegt nicht nur am anderen und den Umständen. Es liegt wesentlich an mir. Ich bin nicht vollkommen und perfekt, wie ich es gerne möchte. Ich bin schuldig vor den Menschen und vor Gott.

Die Werke und die Verdienste, die mir oft so wichtig sind. Ich sehne mich, ja lechze doch oft nach Anerkennung und Bestätigung, um etwas vor dem anderen zu sein, zu gelten. Der tiefe Wunsch: Bitte beachtet mich! Es gibt auch mich! Ich will beliebt sein und geliebt werden!

Die Gerechtigkeit Gottes, die Gnade Gottes, die mir sagt: Hallo, das brauchst du doch alles nicht. Ja, ich weiß um deine Grenzen, um dein Versagen und dein Scheitern. Ich weiß um deine Schuld. Aber ich selbst nehme dich trotzdem an, so wie du bist, so wie du vor mir dastehst.

Die Sühne durch das Blut Jesu Christi, wo mir klar wird: Das sind nicht nur lieb, nette, oberflächliche Worte, so mal locker daher gesprochen. Nein, das ist tiefernst und total tiefgehend gemeint. Da setzt sich Gott voll und ganz für mich ein.

Die Erlösung, durch die ich von allem befreit werde, was mich bedrückt und belastet. Da kann ich wirklich als freier Mensch vor Gott und den anderen aufrecht durchs Leben gehen und muss keinem mehr etwas vormachen.

Der Glaube, durch den Gott mich einlädt: Vertrau darauf. Vertrau auf mich, gerade dann, wenn es nicht so rund läuft, du manches zu tragen hast. Vertrau auf Jesus Christus, denn darauf kommt es an! Das ist es, was wirklich zählt, was dich wirklich tragen kann.

Ich hoffe, es ist klar geworden: So gesehen ist das alles gar nicht mehr eine hochtrabende Theologie, die der Apostel Paulus von sich gibt und mit der sich der mittelalterliche Mönch Martin Luther damals rum geschlagen hat.

Nein, das ist etwas, das mitten in unserem alltäglichen Leben anzutreffen ist und uns vor allem trägt!

Überall dort, wo wir in unserem Alltag unseren Mann und unsere Frau stehen, überall dort ist Gott schon da und trägt uns! Wir leben so durch und durch von der Gnade Gottes!

Davon lebe auch ich als Pfarrer. Gerade Ihnen gegenüber als meiner Gemeinde ist mir das wichtig, zu sagen. Ich habe nicht nur eine Vorbild- und Leitfunktion. Ich werde vor allem in diesem Amt getragen.

Davon leben aber auch Sie, unsere ganze Gemeinde. Wir haben nicht nur ein wichtiges Leitbild für unsere Gemeinde und ein buntes Leben in unserer Gemeinde. Wir werden vor allem getragen.

Davon leben auch Sie, liebe Evangelische Frauenhilfe der Philippus-Kirchengemeinde. 20 Jahre existieren Sie jetzt schon. Und was haben Sie da nicht alles an guter und segensreicher Arbeit geleistet. So aktiv waren und sind Sie. Ihr Programm kann sich sehen lassen. Zuletzt war es die Reise nach Chrischona und heute das große und gut vorbereitete Jubiläum. Das alles ist wunderschön. Aber das allein ist es nicht. Die Präambel Ihrer Satzung stellt es klar: Der Grund der Arbeit der Evangelischen Frauenhilfe im Rheinland ist das Evangelium von Jesus Christus. Das heißt: Auch Sie werden dadurch getragen in Ihrem Ehrenamt und das gewiss auch in der Zukunft.

Um es nochmal auf den Punkt zu bringen:

Wir müssen nicht die hochtheologischen Worte vom Apostel Paulus und die Frage nach dem gnädigen Gott von Luther eins zu eins auf heute übertragen.

Der Reformationstag erinnert uns vielmehr daran, dass wir die tiefgehende frohe Botschaft Gottes in unserem Alltag neu entdecken, uns davon neu ansprechen lassen und sie auch von ganzem Herzen den Menschen weitersagen.

Gott selbst schenke uns dazu den nötigen Glauben, dass wir uns in all dem nicht über fordert fühlen, sondern letztendlich von ihm getragen wissen.

Amen.

Klaus Eberhard