Predigt am 17. Oktober 2010 über
!. Thessalonicher 4, 1 - 8
Drucken
Liebe
Gemeinde!
Stellen
Sie sich mal eine typische Hochzeitsfeier in unserer Kirche vor:
Die
Braut zieht mit ihrem Bräutigam ein und die Gemeinde steht dazu
auf. Vielleicht wird sie auch von ihrem Vater hineingeführt. Natürlich
hat sie ein weißes Brautkleid ein - ein Zeichen im Grunde genommen
dafür, dass sie noch unberührt ist. Jeder von der
Hochzeitsgesellschaft ist sich aber im Klaren, dass das Paar schon längst
zusammen lebt. Das wird schon gar nicht mehr angesprochen. So
selbstverständlich ist das. Aber jetzt wird es offiziell fest
gemacht und alles geht hoffentlich seinen guten Weg.
In
den vorderen Reihen sitzen die Großeltern. Sie haben erst vor
kurzem ihre Goldene Hochzeit gefeiert. Sie wissen, was es heißt,
solange treu zusammen zu leben. Die junge Generation kann sich daran
gefälligst ein Beispiel nehmen.
Ganz
vorne sitzen die Eltern des Brautpaares. Sie freuen sich, dass ihre
eigenen Kinder endlich heiraten. Aber sie wissen aus eigener
Erfahrung, dass nicht alles leicht sein wird. Bei aller Verklärung
am Hochzeitstag ist ihnen bewusst, dass man auch durch manche
Ehekrisen gehen muss. Manche Verletzungen und Enttäuschungen waren
auch mit dabei. Manche Wünsche und Sehnsüchte blieben unerfüllt.
Aber immerhin hat man bis jetzt irgendwie zusammen gehalten.
Dahinter
sitzt der Bruder des Bräutigams. Er ist der ganzen Hochzeitsfeier
eher skeptisch gegenüber eingestellt. Klar, er gönnt es seinem
Bruder. Aber er ist Realist: Seine eigene Ehe begann so feierlich
und inzwischen ist sie beendet. Die Scheidung von seiner Frau war
unvermeidlich. Es ging einfach nicht mehr. Zum Glück gab es noch
keine Kinder, die einen Schaden davon trugen.
Bei
seinem Vetter hingegen ist das leider so gewesen. Der Blick nach
hinten verrät ihm: Er ist heute alleine, ohne Familie gekommen.
Soweit
zu einer typischen Hochzeitsgesellschaft in unserer Kirche.
Ich
frage mich: Wie hätten die Menschen reagiert, wenn Sie unseren
Predigttext für den heutigen Sonntag gehört hätten.
Ich
lese Worte aus dem 4. Kapitel des 1.Thessalonicherbriefes:
‚1
Weiter, liebe Brüder, bitten und ermahnen wir euch in dem Herrn
Jesus - da ihr von uns empfangen habt, wie ihr leben sollt, um Gott
zu gefallen, was ihr ja auch tut -, dass ihr darin immer
vollkommener werdet. 2 Denn ihr wisst, welche Gebote wir euch
gegeben haben durch den Herrn Jesus. 3 Denn das ist der Wille
Gottes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Unzucht 4 und ein jeder
von euch seine eigene Frau zu gewinnen suche in Heiligkeit und
Ehrerbietung, 5 nicht in gieriger Lust wie die Heiden, die von Gott
nichts wissen. 6 Niemand gehe zu weit und übervorteile seinen
Bruder im Handel; denn der Herr ist ein Richter über das alles, wie
wir euch schon früher gesagt und bezeugt haben. 7 Denn Gott hat uns
nicht berufen zur Unreinheit, sondern zur Heiligung. 8 Wer das nun
verachtet, der verachtet nicht Menschen, sondern Gott, der seinen
Heiligen Geist in euch gibt.’
Ich
vermute, die einen würden dabei ganz klar mit dem Kopf nicken und
sich sagen: Jawohl, so ist es richtig. Das muss gerade an einem Tag
wie heute mal gesagt werden. Kirche steht doch noch für Moral und
Ordnung.
Die
anderen wiederum - und ich vermute, das wäre keine Minderheit - würden
ernüchtert feststellen: Das ist doch total heile Welt, was da der
Apostel schreibt. Das ist doch eher weltfremd. Heute wird das doch
ganz anders gelebt.
‚Meidet
die Unzucht und ein jeder von euch seine eigene Frau zu gewinnen
suche in Heiligkeit und Ehrerbietung.’ Ist das nicht an der nüchternen
Alltagsrealität vorbei geredet?
Ich
nenne nur knapp zwei Beispiele dazu:
Unzucht
heißt auf Griechisch ‚Porneia’. Das, was Paulus hier rät, zu
vermeiden, das kann man sich heute aus dem Internet oder sonst wo
runter laden und reinziehen.
Weiterhin
geht mehr als jede dritte Ehe in unserem Land kaputt. Überhaupt
wird die Ehe als Institution unserer Gesellschaft stark in Frage
gestellt und ist nicht mehr so ohne Weiteres selbstverständlich.
Hat
uns also das, was Paulus hier schreibt, nichts mehr zu sagen?
Ich
halte fest dagegen! Ich gehe davon aus: Das, was im
1.Thessalonciherbrief steht, hat uns Wesentliches zu sagen! Das ist
auch noch heute aktuell und betrifft jeden von uns!
Ich
bin überzeugt: Entschiedenes Christsein unterscheidet sich auch
eindeutig von dem, was in der Welt, um uns herum gelebt wird. Wir
Christen können nicht einfach alles, was in der Welt gelebt wird,
mitmachen. Da gibt es tatsächlich vieles, wovon wir uns fernhalten
sollten, weil es uns tief verletzt, ja unser Leben kaputt macht und
zerstört!
Es
mag sein, dass das, was Paulus schreibt, weltfremd klingt. Aber
daran gilt es sich trotzdem zu halten, weil Gott es so will - zu
unserem Besten!
Übrigens
wird das auch damals, in der heidnischen Welt ziemlich fremd
geklungen haben, was Paulus hier schreibt. Das war damals eine
heidnische Umwelt, in der die Gemeinde Thessalonich lebte. Da gab es
- vielleicht sogar mehr als heute - große Herausforderungen, sein
Christsein im Alltag zu leben. Die Gemeinde wird auch ihre Nöte,
Probleme und Konflikte im Leben gehabt haben. Vielleicht nicht so
sehr auf dem Bereich der Sexualität, dann in anderen Bereichen.
Ich
verstehe auch das, was Paulus hier schreibt nicht so, als wollte er
die christliche Ethik, wie wir Christen uns zu verhalten haben, nur
auf diesen Bereich einschränken.
Ja,
Paulus hält diesen Bereich zu Recht für wichtig, weil er das
Intimste, und damit Verwundbarste und Verletzendste des Menschen
betrifft. Aber er beschränkt ihn sicherlich nicht darauf. Das
betrifft darüber hinaus alle unsere Lebensbereiche! Einen anderen
Bereich nennt er auch kurz in unserem Briefabschnitt, wo es darum
geht, den anderen im Geschäftlichen über den Tisch zu ziehen.
Die
Frage bleibt allerdings: Wie können wir das alles befolgen, danach
leben?
Mit
Sicherheit nicht so, dass wir uns jetzt eine moralische Standpauke
anhören und krampfhaft versuchen, aus uns bessere Menschen zu
machen. Sicher nicht so, dass wir uns mit Appellen wie ‚Du musst!
Du sollst!’ total unter Druck setzen. Daran würden wir früher
oder später nur scheitern. Heuchelei und Doppelmoral träten da
schnell an den Tag.
Das
ist es sicher nicht, was Paulus von uns abverlangt und will.
Er
weiß genau, dass wir auf uns allein gestellt das nicht packen.
Das
kann vielmehr nur Gott in uns bewirken und uns schenken!
Ich
will es mal theologisch auf den Punkt bringen.
Unser
Christsein ist etwas, das sich zwischen Rechtfertigung und Heiligung
abspielt.
Die
Rechtfertigung ist dabei der Grund, auf dem wir stehen.
Das
heißt: Wir müssen vor Gott nicht wie ein perfekter, vollkommener
Mensch dastehen, um angenommen zu werden, um geliebt zu werden. Es
ist vielmehr so, dass er uns, so wie wir sind, als Sünder, als
Menschen, die vor ihm und anderen schuldig geworden sind, von ganzem
Herzen liebt!
Das
ist die frohe Botschaft Jesu Christi, das Evangelium, was Paulus
auch der Gemeinde in Thessalonich zuspricht. Da schreibt er ganz am
Anfang des Briefes der Gemeinde: ‚Liebe Brüder, von Gott geliebt,
wir wissen, dass ihr erwählt seid.’
Das
betraf damals fest und gewiss die Gemeinde in Thessalonich.
Das
betrifft - davon bin ich überzeugt! - genauso fest und gewiss noch
heute uns, die Philippus-Kirchengemeinde in Köln Raderthal!
Um
es ganz konkret auf den Bereich, den Paulus hier anspricht, zu übertragen:
Wir
alle werden von Gott auch hier geliebt!
Ich,
der ich als Verheirateter vielleicht gerade in einer Ehekrise
stecke!
Ich,
der ich als Geschiedener in der Ehe gescheitert bin!
Ich,
der ich als Wiederverheirateter es besser als damals hinkriegen
will!
Ich,
der ich eine Beziehung zum Freund, zur Freundin lebe!
Ich,
der ich als Single lebe und mich mit meinem Alleinsein vielleicht
manchmal schwer tu!
Wir
dürfen tatsächlich im Glauben an Jesus Christus darauf vertrauen,
dass Gott uns trotz allem, was uns nicht gelingt und wo wir
versagen, annimmt und uns unsere Schuld vergibt!
Jetzt
könnte sich der eine oder andere bequem im Sitz zurücklehnen und
sich sagen: Puh, nochmal Schweinchen gehabt. Aus dieser Nummer bin
ich raus. Ich muss zum Glück nichts großartig in meinem Leben verändern
und kann weiter nach dem Motto leben: Lieber Gott, bleibt alles beim
Alten.
Genauso
hätte man aber das Evangelium, was Paulus hier meint, total
missverstanden.
Gott
nimmt unsere Schuld schon ganz ernst und wir haben unser Leben vor
ihm zu verantworten. So schreibt Paulus ganz klar: ‚Der Herr ist
Richter über das alles, wie wir euch schon früher bezeugt
haben.’
Damit
wäre ich bei dem anderen Punkt, der Heiligung.
Es
geht tatsächlich darum, diese Liebe, mit der Gott mich Menschen
liebt, auch zu leben. Es geht tatsächlich darum, mich als Christ in
meinem Alltag dementsprechend zu verhalten, auf Gott zu hören und
seine Gebote auch zu befolgen.
Um
es auf den Bereich der Sexualität, der im Briefabschnitt so
deutlich betont wird, zu übertragen:
Das
ist sicherlich etwas Gutes und ich darf mich an der Liebe zwischen
Mann und Frau erfreuen! So ist das sicherlich von Gott gewollt! Aber
in dem Moment wird es falsch, wenn das zuviel Platz in meinem Leben
einnimmt und ich meine, dass es das allein ist, was mein Leben reich
macht und erfüllt. In dem Moment wird es falsch, wo ich nur noch
mich selbst sehe und das andere für mich gebrauche. Ich sage
bewusst das andere, nicht den anderen, wie bei einer Person. Genauso
meint es wahrscheinlich auch Paulus, wenn er schreibt: ‚Meidet die
Unzucht und ein jeder von euch suche seine eigene Frau zu gewinnen
in Heiligkeit und Ehrerbietung.’ Eigentlich steht da für Frau ein
ganz anderes Wort. Da steht das Wort ‚Gefäß’. Paulus spielt
damit auf die Umgangssprache der Heiden damals an. Die Frau war
danach ein Gefäß, in das man was hinein tun kann. Das klingt
wirklich sehr despektierlich, ja schon fast obszön. Da sieht man in
dem anderen gar nicht mehr das Subjekt Mensch, sondern nur noch ein
Objekt, das ich für meine Zwecke benutze. Das hat mit Liebe nichts
mehr zu tun. Ganz anders Paulus, wenn er davon redet, seine eigene
Frau in Heiligkeit und Ehrerbietung zu gewinnen. Der Blick geht hier
voll und ganz auf die geliebte Person, auf seine Würde. Ich will so
den anderen, mein Gegenüber voll und ganz ernst nehmen. Ich will
mich voll und ganz auf ihn einlassen. Das ist also eine ausschließliche
Liebe, die ich nicht mit einem anderen, mit einer anderen teilen
kann.
Genauso
versteht Paulus die Heiligung am Beispiel der Liebesbeziehung
zwischen Mann und Frau. Ich kann ihm darin, so schwer das manchmal
auch ist, nur Recht geben.
Darum
geht es tatsächlich, das auch in unserem Alltag so zu leben, soweit
wir das können.
Sicher
werden wir dabei nicht vollkommen, perfekt. Wir werden da auch
Fehler machen und schuldig werden. Das dürfen wir auch, weil Gottes
vergebende Liebe uns trägt.
Wichtig
ist allerdings sich immer wieder neu klar zu machen und damit auch
ernst zu machen: Gott spricht uns seine Liebe nicht nur zu! Er
erhebt auch einen vollen Anspruch auf unser ganzes Leben, dass wir
auf ihn hören und seine wohltuenden Gebote und Ordnungen halten!
Ich
lese dazu zum Abschluss der Predigt die 2. These der Theologischen
Erklärung von Barmen vor, die in der Zeit des dritten Reiches
verfasst wurde und gerade das deutlich macht. Sie können die These
auch im Evangelischen Gesangbuch auf der Seite 1378 mitlesen: ‚Wie
Jesus Christus Gottes Zuspruch der Vergebung aller unserer Sünden
ist, so und mit gleichem Ernst ist er auch Gottes kräftiger
Anspruch auf unser ganzes Leben; durch ihn widerfährt uns frohe
Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem,
dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen. Wir verwerfen die falsche
Lehre, als gebe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus
Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären, Bereiche, in denen
wir nicht der Rechtfertigung und Heiligung durch ihn bedürfen.’
Amen.
Klaus Eberhard
|