Predigt am 5. September 2010 über
Römer 8, 12 - 17
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Ich
lese Worte aus dem 8.Kapitel des Römerbriefes. Der Apostel Paulus
schreibt dort:
12
So sind wir nun, liebe Brüder, nicht dem Fleisch schuldig, dass wir
nach dem Fleisch leben. 13 Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so
werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten
des Fleisches tötet, so werdet ihr leben. 14 Denn welche der Geist
Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. 15 Denn ihr habt nicht einen
knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet;
sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir
rufen: Abba, lieber Vater! 16 Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm
Geist, dass wir Gottes Kinder sind. 17 Sind wir aber Kinder, so sind
wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir
denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben
werden.
Liebe
Gemeinde!
Na,
haben Sie alles verstanden, was Paulus sagt? Ich vermute nicht!
Schon das Wort ‚Fleisch’, das der Apostel Paulus hier so oft
benutzt, weckt verschiedene Assoziationen. Denken Sie dabei an ein
schön saftiges Steak? Oder schrecken Sie davor eher zurück, weil
Sie Vegetarier sind? Ich selbst habe dabei an ein nettes Comedystück
gedacht, das vor Jahren Rüdiger Hoffman erzählte. Zwei Studenten
sitzen sich in der Mensa an einem Tisch gegenüber. Der eine bemerkt
am Essen des anderen, dass er Vegetarier ist. Anstatt ihn nun in
Ruhe sein vegetarisches Gericht essen zu lassen, bohrt er dauernd
nach, ob der andere wirklich kein Fleisch isst. Da fallen Frage wie:
Essen Sie nicht mal eine Kohlroulade als Kompromiss? Wie sieht es
denn mit Scheibchenaufschnitt aus? Sie essen kein Fisch, kein
Fleisch, also nur Wild? Ja, auch nicht mal was zu Ostern oder
Weihnachten? Schließlich treibt er’s auf die Spitze und sagt dem
anderen: Also, wenn ich richtig sehe, sind da Eier drin. Der
Vegetarier steht daraufhin entnervt auf und lässt das Essen auf dem
Tisch liegen. Der alleingelassene Student probiert das Essen und
sagt zufrieden: Ich weiß gar nicht, was der hat. Das kann man doch
essen.
Wie
gesagt, daran musste ich zuerst denken, als ich das Wort
‚Fleisch’ las - vermutlich weil ich Comedy mag und gerne von
Herzen lache. Vielleicht geht’s Ihnen da ähnlich. Aber jetzt mal
im Ernst - manche denken bei dem Wort in den Briefen des Apostels
Paulus wie hier in unserem Abschnitt aus dem Römerbrief schon
tiefgehender.
Das
Ganze verbindet man dabei schnell mit der Sexualität. Alles mögliche
Negative fällt einem dazu ein: Unzucht, ein unordentliches,
ausschweifendes Leben usw. - die fleischliche Sünde halt, wie man
früher sagte. Das Ganze geht dann schnell in eine moralische
Richtung.
Das
aber ist mit dem allen nicht in erster Linie gemeint, wenn der
Apostel Paulus hier vom Fleisch spricht. Paulus denkt in erster
Linie gar nicht an Moral, an irgendwelche Verfehlungen in unserem
Leben. Wenn er in unserem Briefabschnitt vom Fleisch - auf
Griechisch von der Sarx - redet, dann hat er was ganz anders vor
Augen.
Dann
hat Paulus allgemein vor Augen:
den
Menschen, der total auf sich selbst bezogen lebt,
den Menschen, der nur sich selbst kennt
den
Menschen, der nur seinen Eigeninteressen nachgeht
den Menschen, der nur auf sich selbst baut
den Menschen, der den anderen nur übertrumpfen und in den
Schatten stellen will
den
Menschen, der in allem auf sich so furchtbar allein gestellt ist und
von dem abhängt, was er selbst ist und vor den anderen präsentiert.
In
der Sprache des Paulus: Wer so lebt, der lebt nach dem Fleisch.
So
verstanden klingt das Ganze gar nicht mehr so altbacken, sondern ist
ganz aktuell.
Da
denke ich an meinen eigenen Alltag. Wie oft lebe ich da genau nach
diesem Muster. Da sitze ich z.B. am Morgen im Wohnzimmer, mache
etwas stille Zeit, indem ich die Losung und Lehrtext - also
Bibelverse aus dem Alten und Neuen Testament - für den Tag lese und
mit Gott im Gebet spreche. Ich will mich so neu von Gottes Liebe füllen
lassen. Ich will mich darauf konzentrieren und merke manchmal, wie
schwer mir das fällt. Da bin ich in Gedanken schon bei dem neuen
Tag mit den vielen Aufgaben. Da mache ich mir schon Sorgen, ob ich
auch alles packe, ja vielleicht es auch allen recht mache. Das Bedürfnis
nach Selbstbestätigung und eigener Erfüllung bestimmt mich da
schon. Das hat ja auch alles sein Recht. Aber wenn das alles auf
Dauer ist, dann gehe ich daran kaputt. Dann werde ich den
Erwartungen, die ich mir stelle oder die andere an mich haben, nicht
mehr gerecht. Wenn das allein in meinem Leben zählt, dann werde ich
auf kurz oder lang daran scheitern, ja baden gehen.
Vielleicht
kennen Sie das auch aus Ihrem Leben. Das ist manchmal ein
unerbittliches Alltagsgeschäft, das uns da gefangen nimmt und uns
wie gesagt auf Dauer auch kaputt macht.
Ja,
da stehen wir am Ende mit leeren Händen da - und das nicht nur vor
den Menschen, sondern auch vor Gott.
Der
Apostel Paulus bringt das im Abschnitt des Römerbriefes klar und
deutlich auf den Punkt, indem er schreibt: ‚wenn ihr nach dem
Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen’.
Auf
Erfolge, Leistungen in unserem Leben dürfen wir stolz sein. Aber
wenn es das ist, wann uns auszeichnet, dann bleibt uns am Ende
herzlich wenig, ja eigentlich gar nichts.
Da
machen wir uns nur von den Dingen abhängig, die zerbrechlich, vergänglich
sind.
Ich
erzähle Ihnen dazu ein Beispiel, was ich in einem Seniorenheim
erlebt habe. Da haben wir jedes Jahr am Anfang der Weihnachtszeit
Adventssterne zu den Bewohnern auf die Zimmer gebracht - so auch vor
zwei Jahren. Ein Zimmer hat mich dabei besonders beeindruckt, in das
ich hinein ging. Da waren lauter tolle Urkunden an der Wand. Ich
habe bemerkt, dass es ganz besondere Auszeichnungen waren. Da wurde
ein Professor für die Entdeckung eines Impfstoffes gegen die
Polio-Krankheit, also gegen die Kinderlähmung geehrt! Was für eine
Wahnsinnsleistung! Was für ein Riesenbeitrag hatte dieser Professor
für die Menschheit geleistet! Aber dann sah ich diesen Professor in
seinem Bett liegen. Er war völlig geistesabwesend, das Atmen fiel
ihm schwer und es war kein Gespräch mehr miteinander möglich. Ein
paar Tage später las ich in der Zeitung, dass er gestorben war. Das
war für mich damals so ein starker Gegensatz: Auf der einen Seite
diese großartige Leistung des Mannes in seinem Leben - auf der
anderen Seite die Vergänglichkeit des Lebens, als ich damals vor
seinem Bett stand. Für mich selbst ist daran deutlich geworden: Bei
allem Tollen, was ich vollbringe, kann es das allein nicht sein.
Davon sollte ich es nicht abhängig machen, was mein Leben ausmacht.
Genau
das stellt auch Paulus mit seinen Worten klipp und klar fest.
Aber
er gibt zu unserem Heil, zu unserem Lebensglück auch die Antwort,
die uns aus diesem aussichtslosen Dilemma raus holt!
Es
ist der Geist Gottes, der uns erkennen und erfahren lässt: Wir sind
Gottes Kinder! Wir gehören ganz fest zu ihm, komme was mag - so wie
wir es auch heute in der Taufe gehört haben!
Es
ist der Geist Gottes, der uns eine tiefe Gemeinschaft, ein tiefe,
persönliche Beziehung zu Gott ermöglicht, so dass wir zu ihm
‚Abba, lieber Vater’ sagen können!
Das
ist etwas, was nicht machbar ist, geschweige denn in uns selbst
angelegt ist. Das ist vielmehr etwas, das Gott uns selbst schenkt!
Darauf
gilt es, wie ein Kind zu vertrauen, sich voll und ganz auf diesen
lebendigen Gott, auf Jesus Christus selbst einlassen!
Also
wenn ich das höre, dann merke ich, wie mich das mit Freude erfüllt!
Da kann ich befreit von all dem, was mich gefangen nimmt, auf Dauer
mein Leben zerstört, ja vernichtet, aufatmen.
Da
spüre ich den befreienden Geist Gottes, der mir zu spricht: Dein
Leben liegt letztendlich nicht in dir selbst. Das macht es nicht
aus. Dein Leben liegt vielmehr bei Gott selbst, der dich als sein
geliebtes Kind annimmt!
Das
hat ewig Bestand! Das ist die befreiende Botschaft, das Evangelium,
das jeder von uns mit in seinen Alltag nehmen darf!
Ja,
es mögen manche heiklen Aufgaben auf uns zukommen, denen wir uns
nicht gewachsen fühlen. Ja, es mag manches an Schwerem auf uns
warten. Gott verspricht uns hier und jetzt noch keinen Himmel auf
Erden. Es wird nicht alles wie auf Wolke sieben sein. Aber Gott
verspricht uns seinen Geist, der uns befreit und uns bewegt, voller
Zuversicht den manchmal grauen und trostlosen Alltag, der vor uns
liegt, anzugehen!
Das
Leiden wird uns dabei nicht erspart. Auch Paulus erwähnt es in
seinem Briefabschnitt. Das ist übrigens ein Leiden, das einem nicht
nur durch schwere Krankheiten, berufliche oder privater Lebenskrisen
auferlegt wird. Es ist ein Leiden, das jeder Christenmensch hat,
indem er sich zu Jesus Christus bekennt und dafür schwere Nachteile
in Kauf nimmt. Paulus selbst hat dabei seine Christengemeinden in
Rom vor Augen, die wegen ihres Glaubens an Jesus verfolgt wurden.
Wir selbst denken vielleicht an den Artikel im Gemeindebrief über
die aktuellen Christenverfolgungen, wo wir nachlesen, was in manchen
Ländern der Glaube kostet. Das ist wirklich schlimm genug und geht
bei uns oft unter. Wir müssen da aber gar nicht soweit gehen. Wir können
da bei uns selbst anfangen und uns fragen: Wo sind wir selbst
bereit, unseren Glauben klar und deutlich nach außen zu bekennen
und dafür vielleicht anzuecken, auch Nachteile in Kauf zu nehmen?
Also an diesem wunden Punkt ertappe ich mich selbst wieder und
merke, dass ich es gerne allzu leicht allen recht machen will und
das Evangelium in salbungsvolle Worte verpacke, bis es jedem bequem
und angenehm erscheint. Vielleicht kennen Sie das auch, dass man
damit manchmal so seine Probleme hat und den Glauben an Jesus zu
sehr für sich privat oder in seiner Gruppe lebt. Man hat dabei
vielleicht Angst, sich zu sehr zu outen.
Paulus
als Kämpfer für das Evangelium hält da zu Recht dagegen. Der
Apostel macht klar: Liebe Leute, das müsst ihr doch gar nicht. Eure
Anerkennung braucht ihr nicht bei den Menschen suchen. Das macht
doch euer Leben nicht aus. Das, was euch ausmacht, das findet ihr
doch vielmehr bei Gott, der euch fest und gewiss durch seinen Geist
zuspricht, dass ihr seine Kinder seid! Euch gehört also bei allem
Leiden Gottes gute, ja himmlische Zukunft! Also seid nicht zu übervorsichtig!
Lasst euch da nicht unterkriegen! Bekennt euch vielmehr fröhlich zu
Jesus Christus in eurem Alltag und lebt dementsprechend! Lasst euch
da von seinem Geist, der euch befreit, erfüllen!
Nochmals
mit den Worten des Apostels Paulus aus dem 8. Kapitel des Römerbriefes,
die wir jetzt hoffentlich besser verstehen: 12 So sind wir nun,
liebe Brüder, nicht dem Fleisch schuldig, dass wir nach dem Fleisch
leben. 13 Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben
müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet,
so werdet ihr leben. 14 Denn welche der Geist Gottes treibt, die
sind Gottes Kinder. 15 Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist
empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr
habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba,
lieber Vater! 16 Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass
wir Gottes Kinder sind. 17 Sind wir aber Kinder, so sind wir auch
Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit
ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.
Amen.
Klaus Eberhard
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