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Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31 Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31
 

Predigt am  29. August 2010  über  1. Johannes 4, 7 - 12   -

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Liebe Gemeinde!

Sind Sie wieder gut im Alltag angekommen? Oder sind Sie noch in Urlaubsstimmung, möchten daran noch festhalten und gar nicht in den Alltag zurückkehren?

Ich selbst befinde mich gerade so irgendwie dazwischen. Ich hatte vor kurzem einen prima Urlaub. Zwei Wochen war ich an der Nordsee. Das Wetter hat gut mitgespielt - im Gegensatz zu hier, wie ich hörte. Ich konnte wirklich richtig abschalten und mal alle vier von mir strecken. Also, das hätte ruhig so weiter gehen können. Ich gebe es zu: Ich wollte das alles erstmal festhalten und mich auf meinen Alltag nicht so einlassen. Mein Arbeitstempo ließ anfangs zu wünschen übrig. Seufzend habe ich Mitte der Woche das letzte Urlaubsfoto, wo die Fähre auf dem Meer in der Ferne verschwindet, vom Monitor weggeklickt. Ein anderes Foto habe ich nun bewusst als Desktophintergrund gewählt - das Bild unserer Philippuskirche. Ich will mich so wieder auf meinen Alltag voll und ganz einlassen.

Es wäre ja wirklich bedenklich, wenn das nicht so wäre und man nur von Urlaub zu Urlaub flüchtet.

Unser Predigttext heute geht da in die andere Richtung!

Da geht es darum, sich dem Alltag zu stellen, die Liebe Gottes dort, wo ich stehe, zu leben! Da soll ich gerade nicht vor dem anderen fliehen, sondern mich voll und ganz drauf einlassen! Da soll es dementsprechend auch liebevoll und beziehungsvoll untereinander zugehen.

Ich lese Worte aus dem 4. Kapitel des 1. Johannesbriefes:

7 Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott. 8 Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe. 9 Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. 10 Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden. 11 Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben. 12 Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen.

Zwei Punkte sind es, die ich hier heraus höre.

Zum ersten: ‚Wir werden von Gott geliebt!’

Zum zweiten: ‚Liebt einander!’

Ich komme zum ersten Punkt: ‚Wir werden von Gott geliebt!’

Schon die Anrede im 4. Kapitel des 1. Johannesbriefes ist wunderschön: Ihr Lieben!

Da ist direkt am Anfang ein Programm für das, was folgt. Es geht schließlich um die Liebe Gottes und die Liebe untereinander. Daher redet derjenige, der den Brief verfasst hat, seine Mitgeschwister so liebevoll und persönlich an: Ihr Lieben!

Ich selbst habe daher auch überlegt, am Anfang der Predigt nicht mit dem typischen, pastoralen ‚Liebe Gemeinde!’ sondern genauso zu beginnen: Ihr Lieben!

Ich gebe zu, ich bin nach den paar Monaten in meiner neuen Gemeine noch nicht so weit. Ich würde damit etwas vormachen und ein gewisse Distanz und auch ein bisschen Fremdheit, die noch da ist, überspielen. Zudem schwanke ich noch hin und her, ob es nicht auch eine gesunde Distanz gibt, die einen selbst auch ein bisschen schützt.

Auf jeden Fall finde ich es toll, dass der Verfasser des 1. Johannesbriefes das so kann und seine Gemeinde mit ‚Ihr Lieben’ anredet.

Er kann das auch aus einem guten Grund. In dieser liebevollen Anrede steckt nicht unbedingt, dass er es mit jedem aus der Gemeinde gut kann und auf Du-Kurs ist. In dieser liebevollen Anrede steckt vielmehr: Ihr werdet von Gott geliebt. Ihr seid Geliebte - daher ‚Ihr Lieben’!

In der Liebe Gottes hat alles seinen Grund!

Und diese Liebe Gottes ist nicht nur einfach eine Wortblase, die irgendwie lieb nett daher gesagt wird, aber sonst nichts beinhaltet. Nein, diese Liebe Gottes hat Tiefgang und ganz viel Inhalt! Gerade in der Mitte des Briefabschnittes wird das deutlich und klar, wo es heißt: ‚Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.’

Das Wort vom Kreuz kommt hier zur Sprache! Liebe Gottes, das heißt: Da tritt Gott höchstpersönlich für uns ein! Aus Liebe zu uns lässt er sich selbst in seinem Sohn Jesus voll und ganz auf die Welt ein! Ja, da stirbt er für mich am Kreuz, um alles zu bereinigen, was zwischen ihm und uns und untereinander steht. Da schenkt er uns Versöhnung!

Alles Unrecht, aller Unfriede, alle Lieblosigkeiten und Verletzungen, alles, was unser Leben kaputt macht und zerstört, findet dort sein Ende!

Die Liebe Gottes macht davor nicht halt, sondern überwindet all das Böse in uns und in der Welt!

Gerade durch das Kreuz Jesu Christi haben wir diese dicke Zusage Gottes: ‚Wir werden geliebt!’ Gott selbst spricht uns selbst so an: ‚Ihr Lieben!’

Darauf dürfen wir vertrauen, egal was uns zu schaffen macht!

Das ist es, was uns mitten in unserem alltäglichen Leben trägt!

Das ist die frohe Botschaft, das Evangelium für uns alle!

(Pause)

Aus unserem Briefabschnitt wird nun daraus die logische Konsequenz gezogen. Einfach und kurz schreibt es der Verfasser in einem Satz: ‚Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen auch wir untereinander lieben.’

Also wenn es sich so mit der Liebe Gottes verhält, ja dann muss das doch auch bei uns so zünden! Dann muss uns das doch so erfüllen, dass wir gar nicht mehr anders können als den anderen zu lieben!

Damit wäre ich beim zweiten Punkt: ‚Liebt einander!’

Oh, oh, mag sich der eine oder andere denken. So einfach ist das doch nicht mit dem Lieben. Da tut man sich doch ganz schön schwer. Da denkt man vielleicht an den eigenen Alltag, an all das, was man in seiner Umgebung und darüber hinaus in der Welt an Lieblosigkeiten, Gemeinheiten, Verletzungen und schlimmen Unrecht mitkriegt.

Da kann man sich schon fragen: Wie ist es möglich, da noch lieben zu können? Geht das nicht alles in den Bösartigkeiten, die wir uns zufügen, unter? Hat das überhaupt eine Chance?

Ich werde darauf jetzt nicht mit einer leichten Liebesgeschichte antworten, die ich auch im Urlaub gelesen habe, und wo am Ende sich jeder gefunden hat und alles supergut und schön war.

Ich werde darauf vielmehr mit einem Film antworten, den ich im Urlaub gesehen habe und der vor einem guten Jahr in den Kinos lief: Drachenläufer.

Der Drachenläufer ist eine eindringliche, erschütternde und rührende Geschichte aus Afghanistan. Sie spielt kurz vor, während der Zeit der sowjetischen Besatzung und der nachfolgenden Herrschaft der Taliban. Zwei Jungen, Amir und Hassan, wachsen dort auf. Eine tiefe Freundschaft verbindet beide von Kindheit auf. Alles machen sie zusammen. Amir liest Hassan Geschichten vor, während Hassan mit seiner Schleuder alles zielgenau trifft. Vor allem eines können die beiden gut gemeinsam: Das Drachenfliegen! Mit ihrem eigenen Drachen holen sie die Drachen der anderen Wettkämpfer vom Himmel herunter. Aber damit nicht genug. Nun gilt es, den heruntergeholten Drachen vor den anderen zu erlaufen und den Siegespreis zu gewinnen. Hassan selbst erweist sich hier als hervorragender Drachenläufer. Er weiß immer, in welcher Gasse die Drachen liegen und ist sofort zur Stelle. Leider bleibt diese Kindheit nicht unberührt. Furchtbares geschieht Hassan bei so einem Drachenlauf. Er wird misshandelt. Sein Freund Amir bekommt es mit, greift aber nicht ein. Um seinen ehemaligen Freund Hassan nicht dauernd zu sehen und an sein eigenes Versagen erinnert zu werden, beschimpft Amir ihn und tut ihm großes Unrecht. Die schicksalsschwere Tat reißt beide auseinander. Amir flüchtet schließlich mit seinem Vater, als die sowjetischen Truppen einmarschieren, nach Amerika. Er heiratet dort, macht Karriere und wird ein erfolgreicher Schriftsteller. Ein gut bürgerliches Leben führt er, bis die Vergangenheit ihn durch einen Telefonanruf aus Afghanistan wieder einholt. Derjenige, der anruft, ist ein ganz vertrauter und ehemaliger Geschäftsmann des Vaters. Er kennt die Geschichte von Amir und Hassan nur zu gut. In dem Gespräch stellt sich heraus: Hassan hatte inzwischen geheiratet und einen Sohn. Lange Zeit hatte er das Elternhaus von Amir behütet und für Ordnung gesorgt. Dann kam die Taliban und hat ihn und seine Frau auf offener Straße erschossen. Sein Sohn ist nun in einem Kinderheim. Der ehemalige Geschäftsmann redet Amir ins Gewissen: Es gibt eine Möglichkeit, es wieder gut zu machen. Amir entschließt sich daraufhin zu etwas Lebensgefährlichem. Als geflohener Afghane reist er mit angeklebtem Bart in seine Heimat und sucht den Jungen. Er erkennt dabei sein Land nicht wieder. Chaos, Armut, Terror herrschen überall. Schließlich findet er das Kinderheim, in dem einzelne Wächter der Taliban Kinder für sich holen - so auch den Sohn Hassans. Amir wagt sich daraufhin in die Höhle des Löwen. Seine Tarnung fliegt auf, aber wie durch ein Wunder kann er selbst schwer verletzt den Jungen finden und mit ihm fliehen. Eine zögerliche und leise Beziehung wächst wie ein kleines, zartes Pflänzchen zwischen ihnen in Amerika. Es ist bei weitem nicht alles gut und die schwere Vergangenheit lastet auf der Familie. Aber es gibt am Ende immerhin so etwas wie einen Lichtblick.

Wie gesagt, das ist ein sehr eindringlicher, erschütternder und rührender Film.

Ich kann mir gut vorstellen, den Film mit Ihnen gemeinsam mal zu schauen. Also herzliche Einladung! Kommen Sie ruhig auf mich zu. Vielleicht findet sich ja ein kleines Grüppchen.

Um noch mal auf den Film zurückzukommen:

Mir ist zum einen daran klar geworden, unter welch furchtbaren Bedingungen Menschen oft leben und aufwachsen.

Mir ist zum anderen daran klar geworden, dass Versöhnung mit der unguten Vergangenheit möglich ist. Es ist tatsächlich möglich, kleine, vielleicht auch große Schritte zu gehen, um etwas Liebe in die Welt zu bringen.

Um das Ganze etwas runterzuholen und in unseren Alltag zu übertragen.

Ich denke da an eine Trauerfeier vor Jahren, die ich hatte. Die Familie war total verkracht. Jahrzehnte hatte man nicht voneinander gehört, geschweige denn sich gesehen. Nach der Trauerfeier, wo nur ein Teil da war, bekam ich einen Anruf: Ich habe mich mit meiner Schwester getroffen. Sie ist jetzt hier und wir würden gerne mal bei Ihnen vorbei kommen. Und dann saßen sie bei mir, Hand in Hand und erzählten sich so viel. Wir haben dann noch eine zweite Trauerfeier am Grab gemacht. Diese Versöhnung musste schließlich gefeiert werden! Aber nicht, dass Sie jetzt auf den Gedanken kommen, dass ich als Pfarrer jetzt immer zweimal antanze. Nein, im Ernst, das Ganze hatte mich sehr berührt, weil ich spürte: Da ist ein Stück weit Versöhnung geschehen!

Vielleicht kennen Sie Geschichten, wo Sie Ähnliches erlebt haben und sei es nur etwas Kleines, Unscheinbares.

Unabhängig von unseren mehr oder weniger bemerkenswerten Geschichten, bin ich davon überzeugt: Das, was uns im 1. Johannesbrief so ans Herz legt - Liebt einander! - das ist tatsächlich möglich! Das ist möglich, weil Gott selbst uns liebt! Er selbst schenkt uns Versöhnung! Er selbst vergibt uns alle unsere Schuld und nimmt uns an, so wie wir sind! Wir werden geliebt!

Das ist die frohe Botschaft an uns alle, die wir hier sitzen!

Mit dieser frohen Botschaft im Rücken können wir getrost den Urlaub hinter uns lassen und uns mit Freude auf das einlassen, was im Alltag auf uns wartet! Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, er bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. 

Amen.

Klaus Eberhard