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Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31 Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31
 

Predigt am  8. Aug. 2010  über  Römer 11, 25 - 32    -
 
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Ich lese Worte aus dem 11. Kapitel des Römerbriefes:

25 Ich will euch, liebe Brüder, dieses Geheimnis nicht verhehlen, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet: Verstockung ist einem Teil Israels widerfahren, so lange bis die Fülle der Heiden zum Heil gelangt ist; 26 und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht (Jesaja 59,20; Jeremia 31,33): »Es wird kommen aus Zion der Erlöser, der abwenden wird alle Gottlosigkeit von Jakob. 27 Und dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde.« 28 Im Blick auf das Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber im Blick auf die Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen. 29 Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen. 30 Denn wie ihr zuvor Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit erlangt habt wegen ihres Ungehorsams, 31 so sind auch jene jetzt ungehorsam geworden wegen der Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit erlangen. 32 Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.

Liebe Gemeinde!

Heute wird in den Kirchen der Israelsonntag gefeiert.

Woran denken Sie, wenn wir diesen Tag begehen?

Denken Sie da an unsere schlimme Vergangenheit, was wir Deutsche den Juden alles angetan haben?

Denken Sie da vielleicht an den Staat Israel, der entweder glorifiziert wird, weil sich dort ein Stück Heilsgeschichte Gottes erfüllt hat, oder der stark kritisiert wird, da dort auch manches Unrecht nach wie vor geschieht?

Oder denken Sie vielleicht an die stark umstrittene Judenmission?

Bei all diesen Fragen merke ich selbst. Der Israelsonntag ist mir bei all meiner Liebe zum Judentum gar nicht so angenehm.

Da sind viele heikle Themen drin enthalten, über die man sich die Köpfe einschlagen kann, ja wo man heute nach allem, was geschehen ist, vorsichtig sein muss, um sich nicht die Zunge zu verbrennen.

Dem ist auch nicht durch eine große Liebe zum Judentum beizukommen. Das hilft da auch nicht weiter. Im Gegenteil - das kann auch Skepsis hervorrufen.

Mir ist das klar geworden, als ich mit einer Gruppe vor gut einem Jahr die Synagoge in Bonn am Rhein besuchte. War ich bei dem Gottesdienst vom hebräischen Gesang angetan und fühlte mich wohl, ging es nachher ganz ernst zur Sache. Mir sind dabei ein paar Sätze im Ohr hängen geblieben, die ein Jude uns sagte: Kommen Sie uns bitte, bitte nicht mit zuviel Liebe, mit der Sie jeden Juden umarmen möchten. Wir fühlen uns davon erdrückt. Lassen Sie uns bitte noch frei atmen.

Mir ist daran klar geworden. Ich werde in Zukunft nicht leichfertig meine Israelflagge, meine Kippa, die Kopfbedeckung der Juden und meine Minora, den Siebenleuchter von meinen Reisen nach Israel hervorkramen und jedem stolz präsentieren, um zu zeigen, wie lieb ich doch Israel und die Juden habe.

Dazu ist das Ganze zu ernst. Die vielen Probleme kann man nicht mit einer Liebesumarmung erdrücken und somit beseitigen.

Der Briefabschnitt des Apostels Paulus geht auch nicht in diese Richtung.

Der Abschnitt aus dem Römerbrief hat auch keine politische Färbung.

Paulus zeigt hier ein Stück weit die Glaubensgeschichte bzw. Heilsgeschichte auf, die Gott mit seinem Volk Israel und mit den anderen Völkern macht!

Das Verhältnis zwischen Christen und Juden, zwischen Kirche und Synagoge kommt darin zur Sprache. Darum geht es auch am Israelsonntag!

Ganze drei Kapitel schlägt sich Paulus im Römerbrief damit herum.

Man merkt daran: Das muss ihm sehr wichtig sein. Das ist ihm ein Herzensanliegen. Da leidet er mit. Da schreibt er ganz zu Anfang im 9. Kapitel: ‚Ich selber wünschte, verflucht und von Christus getrennt zu sein für meine Brüder, die meine Stammverwandten sind nach dem Fleisch, die Israeliten sind, denen die Kindschaft gehört und die Herrlichkeit und die Bundesschlüsse und das Gesetz und der Gottesdienst und die Verheißungen, denen auch die Väter gehören und aus denen Christus herkommt nach dem Fleisch.’

Paulus ist sich seiner Herkunft bewusst - etwas, das die Kirche lange Zeit vergessen, ja sogar abgelehnt und mit Füssen getreten hat.

Aber es stimmt: Das Christentum ist im Judentum verwurzelt.

Und noch eins macht Paulus vor allem deutlich:

Ich leide darunter, weil ich das Heil in Jesus Christus total ernst nehme und Israel es gerade nicht annehmen will!

Das ist es, was Paulus von Anfang bis Ende in den Kapiteln 9 bis 11 im Römerbrief umher treibt. Auch in unserem Briefabschnitt liegt ihm das am Herzen.

Diesen Appell von Paulus sollten wir auch noch heute klar und deutlich hören:

Nehmt bitte das Heil in Jesus Christus, die frohe Botschaft, das Evangelium ernst!

Einerseits bedeutet das:

Benutzt das Evangelium nun nicht, um Macht auszuüben und eure Überlegenheit aufzuzeigen. Es geht nicht darum, aufzuzeigen, dass die eine Religion besser als die andere ist, dass sie vernünftiger oder was weiß ich ist. Es geht auch nicht darum, die Leute zu bedrängen, in die eigene Kirche einzutreten - so nach dem Motto ‚nulla salus extra ecclesiam’, auf Deutsch ‚kein Heil außerhalb der Kirche’ und zwar in meiner eigenen Kirche.

Nein, es geht in erster Linie gar nicht um christliche Religion und Kirche.

Es geht vielmehr um die Wahrheit, die ich allein in Jesus Christus finde!

Das heißt andererseits:

Da kann ich nicht gleichgültig bleiben und mir einreden: Jeder soll nach seiner Facon selig werden. Damit macht man es sich zu leicht, ja geht nicht mehr in die Tiefe und nimmt vor allem das Heil in Jesus Christus nicht mehr ernst!

Ich vermute, dass das vor allem in der heutigen Zeit ist. Mein Eindruck ist, dass viele so ihren eigenen unbestimmten Glauben haben und darin unentschieden sind.

Paulus sieht das ganz anders:

Es geht um das Heil in Jesus Christus!

Da ist es tatsächlich möglich, errettet zu werden, aber eben auch verloren zu gehen!

Manchmal wird gerade das Ende des 9. Kapitels bei Paulus so verstanden, als würde er hier eine Allversöhnungslehre predigen: Irgendwie kommen wir alle in den Himmel.

Das ist aber gar nicht so. Paulus ist es ganz ernst um die frohe Botschaft Jesu Christi, durch die wir und nur durch die errettet werden können!

Das Evangelium gilt es daher allen Völkern, auch Israel zu verkündigen!

Da macht Paulus keine Ausnahmen und hält sich Hintertürchen offen.

Von dieser Ernsthaftigkeit des Glaubens an Jesus Christus können wir neu lernen.

Ich vermute, dass das gerade heute in unseren Gemeinden dran ist. Da sollten wir selbstbewusst mit der Botschaft Christi auftreten und nicht dauernd Abstriche machen, weil wir es den Menschen nicht zumuten wollen. (Pause)

Jetzt kann man sich aber gerade am Israelsonntag fragen: Wie verhält sich denn das zu Gottes auserwähltem Volk Israel?

Paulus gibt zu: Da gibt es eine große Spannung zwischen zwei Polen.

Auf der einen Seite steht das Evangelium Jesu Christi. Die Juden sind in dem so wesentlichen Punkt Feinde Gottes. Da muss man schon schlucken. Paulus nimmt da kein Blatt vor dem Mund. Damit wird gesagt: Die Christen glauben, dass Jesus der Messias, ja der Sohn Gottes ist, der für die Menschen gestorben und auferstanden ist. Die Juden glauben das nicht und warten noch darauf.

Werden sie also dadurch für immer und ewig verworfen? Die Kirche hat das lange Zeit so gesehen. Paulus sieht das gar nicht so.

Da steht nämlich auf der anderen Seite noch die Erwählung: Da spricht Paulus klar davon dass die Juden die Geliebten Gottes bleiben. Gott steht also zu dem, was er seinem Volk zu gesprochen hat. Er lässt es nicht fallen. Es bleibt nach wie vor sein Volk.

Um diese Spannung nochmals deutlich zu machen, lese ich dazu die entscheidenden Sätze von Paulus vor. Da schreibt er: ‚Im Blick auf das Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber im Blick auf die Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen. Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen.’

Gottes Feinde einerseits - so wie halt jeder Mensch, der sich gegen das Evangelium quer stellt und es ablehnt. Gottes Geliebte andererseits - dieses Volk hat sich Gott erwählt und das bleibt auch so!

Diese Spannung kann man, wenn ich Paulus richtig verstehe, nicht einfach auflösen. Diese Spannung muss ich, gerade wenn mir der Glaube an Jesus Christus so wichtig ist, aushalten! Da werde ich nicht drum herum kommen.

Beides, das Evangelium Jesu Christi und die Erwählung Israels muss ich mir immer wieder klar vor Augen führen.

Vielleicht stellt sich der eine oder andere die Frage: Hält denn Paulus selbst diese Spannung aus?

Man könnte ja meinen: Paulus kommt damit nicht klar, dass die Juden nicht zum Glauben an Jesus kommen. Also legt er sich über Ecken und Kanten etwas zurecht, damit es am Ende doch schön stimmig ist. Die Juden lehnen das Evangelium ab. So kommt es zu den anderen Völkern. Tja, und wenn aus der Welt die Menschen vollzählig zum Glauben gekommen sind, dann kommt Israel endgültig wieder zum Glauben. So einfach ist die Rechnung.

Paulus guckt Gott sozusagen durch das Schlüsselloch.

Ich würde dem nicht zustimmen.

Paulus sucht in erster Linie keine rationale Erklärung. Paulus blickt vielmehr tief in das Herz Gottes! Er lässt hier vielmehr klar und deutlich das Herz Gottes sprechen!

Paulus weiß um die frohe Botschaft, dass Gott den Gottlosen rechtfertigt. Paulus weiß, dass Gottes Erbarmen die ganze Geschichte der Menschheit durchzieht. Sein Erbarmen zeigt sich immer und immer wieder seinem Volk Israel und den anderen Völkern.

Sein Erbarmen zeigt sich also auch uns, indem wir Sünder durch Christus angenommen werden.

Wir werden es gleich im Lied auch singen ‚Mir ist Erbarmung widerfahren’.

In jeder Strophe kommt die Barmherzigkeit Gottes vor.

Diese Barmherzigkeit Gottes trägt auch mich so wie den anderen.

Da steht also keiner über dem anderen. Da ist keiner privilegiert.

Da ist vielmehr Demut angesagt. So wie Gott ein weites Herz hat, so sollten auch wir ein weites Herz dem anderen gegenüber haben!

Um es noch mal zum Abschluss auf den Punkt zu bringen.

Drei Dinge sind es, die uns Paulus in seinem Briefabschnitt an’s Herz legt:

Zum einen gilt es, das Heil in Jesus Christus wieder ernst zu nehmen, es wahrhaftig und ohne Abstriche zu verkünden!

Zum anderen gilt es, sich die Erwählung Israels als Gottes Volk immer wieder neu bewusst zu machen und sich nicht über sein Volk zu heben, geschweige es zu richten.

Über allem und vor allem steht schließlich das große Erbarmen Gottes! Darauf dürfen wir vertrauen und hoffen!

In dem Sinne stehen zu Recht in unserer Kirchenordnung folgende Sätze im Grundartikel:

Die Evangelische Kirche im Rheinland bekennt sich zu Jesus Christus, dem Fleisch gewordenen Worte Gottes, dem für uns gekreuzigten, auferstandenen und zur Rechten Gottes erhöhten Herr, auf den sie wartet.

Sie bezeugt die Treue Gottes, der an der Erwählung seines Volkes Israel festhält. Mit Israel hofft sie auf einen neuen Himmel und eine neue Erde.

Amen.

Klaus Eberhard