Predigt am 11. Juni 2010 über
Römer 6, 3 - 11 -
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Liebe
Gemeinde!
Heute
beginne ich mal nicht mit Fußball meine Predigt. Heute beginne ich
die Predigt mal mit einem Film, der vor ein paar Jahren im Kino
lief:
‚Die Bourne Identität’! Vielleicht erinnert sich der eine oder
andere unter uns an diesen Film, wahrscheinlich die jüngere
Generation. Der Film war so erfolgreich, dass direkt zwei weitere
hinterher gedreht wurden. Schon der Titel ‚Die Bourne Identität’
macht klar, worum es in dem Film bzw. insgesamt in allen drei Filmen
geht: Der CIA-Agent Jason Bourne wird mit zwei Kugeln im Rücken und
einem Laserimplantat unter der Haut halbtot aus dem Meer gefischt.
Er stellt fest, dass er sein Gedächtnis komplett verloren hat. Nach
mehreren Anschlägen auf sein Leben wird ihm klar, dass er seine
wahre Herkunft herausfinden muss, um zu überleben. Er macht sich
auf die Suche nach seiner Identität. Wer ist er eigentlich
wirklich? Wer versteckt sich tatsächlich hinter diesem Jason
Bourne? Im Verlauf des Films fragt man sich auch: Will Jason Bourne
tatsächlich seine wahre Identität finden? Diese Frage stellt sich
dem Zuschauer, gerade dann, wenn Jason nahe dran ist, das Geheimnis
über sich selbst herauszukriegen. Aber er steht sich dabei
irgendwie immer selbst im Weg. Die Personen, die ihm weiterhelfen könnten,
nehmen es ihm auch teils nicht ab, dass er sich an gar nichts mehr
erinnern kann. Ist es also wirklich eine Suche nach der wahren
Identität oder nicht vielmehr eine Flucht vor sich selbst, etwas zu
sein, was man vielleicht nicht gerne sein möchte?
Man
weiß es nicht genau. Jedenfalls wird am Ende des dritten Films das
Geheimnis gelüftet. Die schreckliche Vergangenheit wird aufgedeckt
und die wahre Person, die eigentlich hinter dem CIA-Agent Jason
Bourne, zeigt sich.
Die
Filme sind spannend anzuschauen! Viel Action, aber auch viel
Handlung ist darin enthalten. Man muss genau aufpassen, um den Faden
nicht zu verlieren. Es lohnt sich, das Ganze im Dreierpack mal
anzuschauen.
Warum
erzähle ich nun das Ganze? Sicher nicht, weil ich gerne Filme
anschaue und eine nette Sammlung zu Hause stehen habe.
Ich
erzähle das, weil es heute in der Predigt ganz entscheidend um die
Frage geht: Was ist unsere eigene Identität? Womit identifizieren
wir uns?
Also
mal ein paar Fragen an Sie: Bitte ehrlich darauf beantworten!
Womit
kann ich mich gerade identifizieren?
-
mit meiner Familie? (bitte melden!)
-
mit meinen Geschwistern?
-
mit meinem Ehepartner?
-
mit meinem Beruf?
-
mit meiner Gemeinde?
-
und schließlich die entscheidende Frage: mit unserer Fußballnationalmannschaft?!
Mal
im Ernst, man merkt vielleicht: Das Ganze ist gar nicht so einfach
mit der Identitätsfindung. Was macht mich eigentlich aus?
Da
gibt es viele Bereiche, wo man doch sagen würde: Ja, das bin ich
und das bin ich und das bin ich auch. Sicher gibt es auch Bereiche,
wo man sagen würde, nein, das bin ich auf keinen Fall.
Insgesamt
ist es aber gar nicht so leicht zu sagen, wer ich bin, was meine
Identität ist, womit ich mich identifizieren kann.
Ich
vermute, dass das gerade heute eine große Herausforderung ist, weil
ja so vieles möglich ist und man selber nicht in allem oft ganz
genau weiß, wie man sich zu dem, was möglich ist, verhält, wie
man dazu steht. Das war früher vielleicht etwas leichter, weil es
da klare Ordnungen gab und jeder da seinen Platz, seine Rolle hatte.
Heute ist das nicht mehr so klar. Das sage ich jetzt, ohne das Ganze
zu bewerten. Das wäre mal ein Thema für sich.
Nein,
worum es heute geht, ist die Frage nach meiner eigenen Identität
und ich hoffe, dass Sie darauf heute eine eindeutige Antwort
bekommen. Das ist zu mindestens das Ziel der Predigt.
Genau
darum geht’s, wenn ich es richtig verstehe, auch dem Apostel
Paulus im 6. Kapitel des Römerbriefes. Da schreibt er an die
Gemeinde in Rom:
3
Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft
sind, die sind in seinen Tod getauft? 4 So sind wir ja mit ihm
begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt
ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in
einem neuen Leben wandeln. 5 Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm
gleich geworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der
Auferstehung gleich sein. 6 Wir wissen ja, dass unser alter Mensch
mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde,
sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen. 7 Denn wer gestorben
ist, der ist frei geworden von der Sünde. 8 Sind wir aber mit
Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben
werden, 9 und wissen, dass Christus, von den Toten erweckt, hinfort
nicht stirbt; der Tod kann hinfort über ihn nicht herrschen. 10
Denn was er gestorben ist, das ist er der Sünde gestorben ein für
alle Mal; was er aber lebt, das lebt er Gott. 11 So auch ihr, haltet
dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Christus
Jesus.
‚Wisst
ihr nicht?’ Mit diesen paar Worten fängt Paulus hier an. ‚Wisst
ihr nicht?’ Mit diesen paar Worten kommt Paulus ohne große
Umschweife auf die Taufe zu sprechen. Damit will er den Christen in
Rom klar machen: Liebe Leute, ihr seid getauft! Getaufte Christen!
In der Taufe, da seid ihr ganz eng, ja ganz fest mit Jesus Christus
verbunden! Das macht euch, euer Leben aus! Das ist eure Herkunft! Da
kommt ihr her! In der Taufe findet ihr eure Identität!
Ich
habe mich selbst gefragt: Weiß ich das eigentlich? Wenn ich ehrlich
bin, ist mir das oft nicht bewusst. Über die eigene Taufe weiß ich
nicht unbedingt sehr viel. Ich war selbst zu klein, um irgendetwas
mitzubekommen. Das geht wahrscheinlich vielen von uns hier so.
Meinen eigenen Taufspruch habe ich übrigens nie rausbekommen. Meine
Eltern wussten ihn auch nicht mehr. Vor ein paar Jahren bin ich in
Bonn einer Grundschullehrerin über den Weg gelaufen. Da stellte
sich heraus, dass sie die Tochter des Pfarrers war, der mich getauft
hat. Immerhin! Aber wesentlich mehr ist es nicht, was ich zu meiner
eigenen Taufe sagen kann. Anders ist es hingegen, wenn ich mich
frage: Was hat dich dem christlichen Glauben eigentlich näher
gebracht? Da fallen mir mehrere Sachen im Leben zu ein: Da war es
der Religionsunterricht in der Grundschule, durch den ich viele
spannende Geschichten aus der Bibel kennen lernte. Da war es der
Kindergottesdienst, durch den ich einen Bezug zur Kirche und zu Gott
bekam. Da war es die schöne Kinderbibel, aus der mir jeden Abend
vorgelesen wurde, und das Abendgebet, das meinen Glauben an Jesus
festigte. Da war es ein Erlebnis, dass ich kurz vor dem
Erwachsenwerden hatte, wo mir klar wurde, dass Gott tatsächlich wie
ein guter Freund bei mir ist und mich liebt, so wie ich bin. Später
im Theologiestudium wurde mein Glaube an Jesus Christus
durchreflektiert. Ich kann mich noch an die hochtheologischen
Debatten auf dem Flur und im Aufenthaltsraum entsinnen, die bis tief
in die Nacht gingen. Ja und dann kam die Zeit in den Gemeinden, wo
ich von dem hohen Ross der Theologie wieder runter musste, wieder
bodenständig wurde und die Lebens- und Glaubensprobleme der
Menschen vor Ort hautnah erfuhr, mich drauf einlassen musste. Das
alles hat meinen Glauben an Jesus Christus schon geprägt.
Ich
vermute, viele unter uns könnten dazu auch viel erzählen, wie sie
einen Bezug zum christlichen Glauben, zur Kirche, zu Gott, ja zu
Jesus Christus bekommen haben.
Da
gibt’s sicherlich jede Menge interessante Lebensgeschichten mit
Gott. Das ist zu mindestens mein Eindruck in der Gemeinde, wo ich
Sie jetzt gerade kennen lerne und manche tiefen Gespräche schon
hatte.
Und
angesichts dessen, was ich hier, im Römerbrief bei Paulus lese, bin
ich überzeugt: Das sind nicht nur einfach Geschichten, die wir uns
da erzählen. Die schweben nicht einfach im luftleeren Raum rum.
Diese Geschichten haben vielmehr einen Ausgangspunkt. Das Ganze hat
seine Herkunft in der Taufe! Von dort kommen wir her! Dort, in der
Taufe finde ich das, was mich ausmacht, was mir meine Identität
gibt. Und zwar nicht nur im Moment der Taufe, sondern mein Leben
lang. Taufe ist so etwas, was mich mein ganzes Leben lang begleitet,
ja mich bestimmt.
Das
heißt für mich: Immer wenn ich mich verrannt habe, es hoch und
runter in meinem Leben geht, und ich gar nicht mehr weiß, wo mir
der Kopf steht bzw. wer ich bin, darf ich eins auf jeden Fall
wissen: Ich bin getauft! Ich gehöre zu Jesus Christus!
Genau
davon redet der Apostel Paulus so begeistert in einer sehr
theologischer Sprache, die wirklich toll ist. Ich fasse das mal
zusammen: Da schreibt er, dass wir mit Christus begraben und in den
Tod getauft sind. Wir sind so der Sünde gestorben und frei davon.
Da schreibt er von dem neuen Leben, in dem wir wandeln, da Jesus
Christus von den Toten auferstanden ist.
Theologisch
kann man es so auf den Punkt bringen, was Paulus hier schreibt:
Das
Kreuz und die Auferstehung Jesu gehören ganz wesentlich zur Taufe
und wir selbst stecken da voll und ganz mit drin. Wir selbst werden
in der Taufe mit unserem gekreuzigten und auferstandenen Herrn Jesus
Christus fest verbunden.
Paulus
will uns mit all der hohen Theologie einfach zu verstehen geben:
Ihr
seid getaufte Christen! Ihr gehört zu Jesus Christus! Das ist eure
Identität!
Alles,
was euch im Leben fertig macht, sei es eure eigene Schuld oder
andere böse Mächte, die im Spiel sind, all das kann euch nichts
mehr anhaben. Das ist für euch gestorben. Aus und vorbei! Dafür
steht eure Taufe!
Das
ist ein unglaublicher Zuspruch, der hier laut wird!
Ich
darf ich selbst sein. Ich muss kein verkrampftes Leben führen
voller Sorgen, es selber nicht zu schaffen. Ich muss keine Ängste
haben, den ganzen Herausforderungen und Aufgaben, die ich im Alltag
habe, nicht gewachsen zu sein und zu versagen. Ich darf vielmehr
befreit von all dem falschen Leistungsdruck aufatmen und aufrecht
durchs Leben gehen. Ich darf gelassen sein über die Dinge, die
nicht so funktionieren, wie ich es eigentlich will.
Gerade
die Taufe macht mich frei von diesem falschen Denken, was in meinem
Kopf oft drin ist.
Genau
darüber kann ich mich doch eigentlich nur von Herzen freuen, dass
es so ist.
Ja,
diese fröhliche Haltung soll ich als Christ an den Tag legen und
selbstbewusst sagen: Genau das bin ich - ein von Gott geliebter und
von aller Schuld befreiter Mensch.
Darauf
legt auch der Apostel Paulus am Ende unseres Briefabschnittes ganz
großen Wert, wenn er da schreibt: ‚So auch ihr, haltet dafür,
dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Jesus
Christus.’
Da
wird uns nicht nur etwas zugesprochen, da werden wir auch in
Anspruch genommen.
Damit
sind nicht die Ansprüche gemeint, die wir selbst uns stellen, um
den Erwartungen der anderen gerecht zu werden.
Da
stellt vielmehr Gott selbst den Anspruch auf unser ganzes Leben!
Da
sagt er uns klipp und klar: Ihr seid getaufte Christen! Jetzt lebt
gefälligst danach! Drückt euch nicht davor, sondern steht dazu!
Lass euch auf das neue Leben, das ich euch schenke, voll und ganz
ein! Flieht nicht vor dem, was ihr seid, sondern stellt euch dem und
lebt euer Christsein!
Ich
habe den Eindruck, daran hapert es manchmal bei uns getauften
Christen.
Das
ist wahrscheinlich ähnlich wie in dem Film mit Jason Bourne. Der
sucht nach seiner Identität in seiner Lebenslage und irgendwie
flieht er aber auch vor ihr, weil er sich dem nicht stellen will.
Manchmal
habe ich das Gefühl: Genau das ist es, was ich aus meinem Leben
kenne. Da suche ich nach der eigenen christlichen Identität und
zugleich fliehe ich vor ihr.
Eigentlich
will ich und will doch nicht. Eigentlich ist mir das ganz wichtig
und doch verstecke ich mich manchmal. Trägheit, Bequemlichkeit,
falsches Harmoniebedürfnis und vieles mehr ist es vielleicht, was
mich dann davon abhält, mein Christsein überzeugend zu leben, tatsächlich
in einem neuen Leben mit Gott zu wandeln.
Der
Apostel Paulus gibt darauf den Christen damals in Rom, wie uns
Christen heute eine eindeutige, klare Antwort und damit ein ganz
tolles Selbstbewusstsein mit auf den Weg!
Der
sagt im Grunde genommen: Liebe Leute, schaut nicht auf euch selbst,
wie ihr vor den anderen dasteht, was ihr vor ihnen seid oder eben
auch nicht seid. Schaut auf das, was euch in der Taufe geschenkt
wird, was euch eigentlich ausmacht! Wisst ihr das nicht? Doch, natürlich
wisst ihr das! Also los, geht in das neue Leben mit Jesus hinein!
Lebt das nun auch, egal ob das die Menschen um euch herum gut oder
schlecht finden! Lasst euch voll drauf ein! Seid darin authentisch!
Identifiziert euch klar und eindeutig damit! Schließlich schenkt
euch Gott darin, in der eigenen Taufe eure wahre Identität, die
euch ausmacht, die euer Leben lang, sogar über den Tod hinaus gilt!
Amen.
Klaus
Eberhard
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