Predigt am 27. Juni 2001 über
1. Könige 18 und 19 -
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Einer
wird gewinnen!
(Predigt
während der Fußball-WM)
Liebe
Fan-Gemeinde!
Der
26. Mai 1999! Dieses Datum wird wohl kein eingefleischter Bayernfan
so leicht vergessen. Der 26. Mai 1999. Bayern verliert das
Champions-League-Finale 2 zu 1 gegen Manchester United. Es war wohl
der schlimmste Tag in der Vereinsgeschichte des FC Bayern. Ich gebe
das offen und ehrlich zu: Noch heute schmerzt diese Wunde: So nah am
Ziel und doch noch gescheitert. So lange auf der Siegerseite und
dann doch noch auf der Straße der Verlierer gelandet. Das ist
bitter!
Ganz
anders als das Finale, das man dieses Jahr gegen Inter Mailand mit 2
zu 0 verlor. Diese Niederlage zeichnete sich schon im Verlauf des
Spiels ab. Da waren die Verhältnisse von Anfang an klar. Aber
damals, vor gut 11 Jahren, da kam das so völlig aus heiterem Himmel
und hat mitten ins Herz getroffen. So lange 1 zu 0 geführt und dann
zwei Tore des Gegners in der Nachspielzeit, die das Spiel völlig
auf den Kopf stellten. So grausam kann Fussball sein!
Ich
habe noch die Bilder vor Augen: Die vielen Tränen, die fließen -
nicht nur bei Stefan Effenberg. Carsten Jancker und Sammy Kuffour
hocken heulend auf dem Boden herum und keiner kann sie trösten.
Mario Basler, der schon die Championsleague-Sieger-Kappe trug,
schaut fassungslos ins Leere. Ein unbeschreiblicher Moment, der
einfach weh tut.
Den
Fans von ManU und allen Gegnern des FCB wird es sicher anders
gegangen sein. Für die war das sicher der Freudentag schlechthin.
Die werden gesungen haben: So ein Tag, so wunderschön wie heute. So
ein Tag, der dürfte nie vergehen! Die werden sich wie die Könige
gefühlt haben!
Glücksgefühle
und Siegestaumel auf der einen Seite.
Tiefe
Leere, tiefe Traurigkeit und Niedergeschlagenheit auf der anderen
Seite.
Und
das innerhalb von ein paar lächerlichen Minuten.
Mir
wird daran klar: Gewinnen und Verlieren liegen manchmal ganz nah
beieinander. Das kann ruckzuck gehen, dass man in den Himmel gehoben
wird oder aber ins Bodenlose stürzt.
Ich
gehe davon aus: Das ist jetzt bei der WM in Südafrika ähnlich. Da
sind es nur nicht ein paar Minuten, sondern vier Jahre, die
dazwischen liegen. Bei der letzten WM da waren Italien und
Frankreich noch oben auf. Beide waren bei der WM in Deutschland im
Finale. Italien wurde Weltmeister. Zum vierten Mal und damit am
dreimaligen Weltmeister Deutschland vorbeigezogen. Wie müssen sich
da die Italiener gefühlt haben! Ich habe noch die Gesänge aus Bonn
im Ohr, als Deutschland im Halbfinale gegen sie verlor: Italia,
Italia, Italia!!! Es war wie ein Spießrutenlauf: Ich mit meinem
Deutschlandtrikot auf dem Fahrrad durch die Autokorsos der johlenden
Italiener hindurch. Ich wusste damals nicht, dass es so viele
Italiener in Deutschland gibt. Überall krochen sie lautstark
hervor. Ich selbst hatte eine schlaflose Nacht. Ein Italiener, dem
ich das später erzählte, lächelte mich an und sagte: Da hatten
Sie mehr als eine schlaflose Nacht.
Das
mag sein. Aber das ist alles Geschichte von gestern. Das zählt
nicht mehr angesichts dessen, was in den letzten Tagen bei der WM
passiert ist.
Italien
und Frankreich sind draußen! Beide Finalisten von damals konnten
jetzt kein einziges Spiel gewinnen und flogen schon in der Vorrunde
raus. Wie peinlich! Was für eine desolate Leistung bei solchen
Topspielern!
Man
wird die Mannschaften, die noch vor vier Jahren umjubelt waren, zu
Hause, in der Heimat auseinander nehmen und über sie herziehen.
Keine Frage.
Was
für ein Wechselbad der Gefühle muss das für jeden Fussballspieler
sein:
Noch
heute wie ein Fussballgott verehrt und morgen schon der letzte
Versager!
Ich
bin überzeugt: Das gilt nicht nur für Fussballspieler. Die machen
das vor den Massen auf eine besondere Weise durch und müssen damit
umgehen können.
Aber
im Kleinen gilt das auch für uns. Auch da liegen Gewinnen und
Verlieren nah beieinander. Mal gewinnt man, mal verliert man. Mal
ist man auf der Gewinnerseite, mal auf der Verliererseite.
Das
betrifft alle Lebensbereiche, beruflich wie privat.
Eine
entscheidende Zusage oder Absage, ein entscheidender Anruf, der
alles klar macht oder scheitern lässt, eine alles entscheidende
Situation macht es oft aus, dass wir auf der Straße der Gewinner
oder der Verlierer sind.
Ich
denke, da kennt jeder genug Szenen aus seinem Alltag.
Für
mich stellen sich hier zwei ganz wichtige Fragen:
Wie
gehe ich selbst damit um? - und - Wie verhält sich Gott dazu?
Ich
möchte dazu eine Geschichte aus dem Alten Testament, genauer aus
dem 18. und 19. Kapitel des 1. Buches der Könige erzählen. Die ist
echt spannend! Es lohnt sich, das Ganze selbst nachzulesen, weil da
einer genau dieses Wechselbad der Gefühle durchmacht.
Um
das Ganze besser zu verstehen, erzähle ich etwas kurz zum
Hintergrund: Die glorreichen Zeiten des großen Königs David sind
in Israel längst vorbei. Das Land Israel hat sich verkracht und ist
in zwei Reiche zerfallen - das Südreich und das Nordreich. Unsere
Geschichte spielt im Nordreich unter dem König Ahab. Ein eher
weicher, softer König, der viel mit sich machen lässt - z.B. durch
seine Frau Isebel. Die hat die Hosen an und sagt, wo es lang geht.
So auch in Sachen Religion. Der Glaube an Baal, den
Fruchtbarkeitsgott will sie in Israel zur Staatsreligion machen. Der
Glaube an den lebendigen Gott Israels hingegen ist gar nicht ihr
Ding. Im Gegenteil: Sie lässt alle Menschen, die an Jahwe glauben,
verfolgen und töten. Die Schar der Gläubigen wird immer kleiner.
Unter ihnen ist auch der Prophet Elia, der im Auftrag Gottes den
Kampf mit ihr aufnimmt.
Nach
einer längeren Vorrunde mit manchem Hin und Her kommt es schließlich
zum entscheidenden Finale auf dem Berg Karmel.
Die
vielen Baalspriester auf der einen Seite und Elia auf der anderen
Seite. Die Massen vom Volk Israel schauen zu. Die Spielregeln sind
klar.
Beide
bauen ihrem Gott einen Altar, ohne Feuer zu legen. Beide erwarten
nun ein Zeichen von ihrem Gott. Feuer soll vom Himmel fallen und das
Holz und das Opfer darauf verbrennen. Die Baalspriester beginnen.
Sie geben sich alle Mühe, veranstalten ein Bohei hoch drei, machen
pausenlos Halligalli, aber nichts passiert. Dann folgt der Auftritt
des Elia. Selbstbewusst im Vertrauen auf Gott geht er vor den Altar.
Er spricht ein einfaches, klares Gebet zu Gott und der erweist sich
tatsächlich als der lebendige Herr! Das Wunder passiert! Aus
heiterem Himmel lässt er das Feuer vom Himmel fallen und verbrennt
mit einem Schlag den ganzen Altar, komplett mit allem, was drauf
ist!
Alle
Israeliten kommen zum Glauben an Jahwe, den lebendigen Gott Israels.
Alle Baalspriester hingegen werden beseitigt, getötet.
Was
für einen großartigen Kantersieg fährt Elia hier ein! Was für
einen gewaltigen und tollen Auftritt legt er hier im Namen Gottes
hin!
Ich
stelle mit vor, wie sich Elia da gefühlt hat. Der muss doch hin und
weg gewesen sein. Der muss doch total erfüllt, total glücklich
gewesen sein. So ein Tag wie dieser, der muss ihn doch auf Wolke
sieben getragen haben!
Spätestens
mit diesem starken Auftritt hatte er selbst übrigens auch einen großen
Namen und war in aller Öffentlichkeit bekannt. Elia galt seitdem
als der Wunderprophet schlechthin. Er war in dem Punkt unter den
Propheten die Nummer eins! Selbst Jahrhunderte später sprachen noch
die Juden über ihn und nannten ihn in einem Atemzug mit Mose. So
hoch oben war er auf der Rangliste. Das Gottesurteil auf dem Karmel,
der alles entscheidende Sieg hat ihm dazu sicherlich auch verholfen.
Man
könnte also meinen: Elia ist am Ziel seiner Träume und Wünsche
angelangt. Er steht ganz oben auf dem Treppchen. Eigentlich kann ihn
doch jetzt nichts mehr aus der Bahn hauen.
Weit
gefehlt! Die Geschichte geht weiter. Die Königin Isebel bekommt das
Ganze mit und lässt Elia ausrichten: ‚Die Götter sollen mir dies
oder das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir das tue, was
du meinen Baalspriestern angetan hast.’ Ein klares Todesurteil,
das hier ausgesprochen wird. Und das sitzt! Elia bekommt es auf
einmal mit der Angst zu tun. Der haut einfach ab. Er rennt in die Wüste
weg, an einen einsamen Ort. Elia ist fertig - mit sich und mit der
Welt. So kurz zuvor wie ein Sieger gefühlt und nun der Verlierer.
Elia steckt in einer tiefen Depression. Der kann nicht mehr und will
einfach nur noch sterben.
Ganz
wesentlich ist jetzt: Gott schaut nun nicht einfach von oben herab
zu. Nein, er hilft ganz konkret dem Elia. Dazu macht er erstmal
etwas ganz Einfaches. Er schickt einen Engel, der Elia Nahrung gibt.
Elia darf nach dieser totalen Erschöpfung sich ausruhen. Er darf
schlafen, essen und trinken. Und das nicht nur einmal. Gott sorgt
sich hier um das leibliche Wohl des Menschen. Es sind die ganz
einfachen Dinge, die den Elia am Leben erhalten. Es bleibt aber
nicht nur bei dem leiblichen Wohl. Gott hat auch etwas ganz
Wesentliches für die Seele!
So
spricht er zu Elia: Brich auf und geh zum Berg Horeb. Da will ich
dir ganz persönlich begegnen. Und genau das macht Elia. Er bricht
auf und es kommt zu der persönlichen Begegnung mit Gott!
Ich
lese dazu die Stelle vor, die unser Moderator, Thomas Pape am Anfang
des Gottesdienstes schon genannt hat: ‚Der Herr sprach: Geh heraus
und tritt hin auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR wird
vorübergehen. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss
und die Felsen zerbrach, kam vor dem HERRN her; der HERR aber war
nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der HERR
war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der
HERR war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes
Sausen. Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem
Mantel und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle.’
Nach
dem tollen Erlebnis auf dem Karmel könnte man meinen, Gott kommt
nur gewaltig daher. Der starke Wind, das Erdbeben oder das Feuer, ja
da ist er im Element. Da müsste er doch zu finden sein. Aber was hören
wir? Der Herr aber war nicht im Wind - aber der Herr war nicht im
Erdbeben - aber der Herr war nicht im Feuer. Nichts davon!
Im
stillen sanften Sausen hingegen, dort wo man ihn gar nicht erwartet,
da ist er da, da begegnet er Elia hautnah!
So
und nicht anders erfährt er die Gegenwart Gottes!
So
weit zur Geschichte des Elia, die damals vor mehr als knapp 3000
Jahren stattfand und die uns doch so vertraut ist.
Das
Wechselbad der Gefühle - Gewinnen und Verlieren - Elia hat es
durchgemacht, viele Fussballspieler machen es noch heute durch und
auch wir erleben es im Alltag.
Ich
komme zurück zu den beiden Fragen, die ich stellte:
Wie
gehe ich selbst damit um? - und - Wie verhält sich Gott dazu?
Ich
kann es jetzt genauso wie Elia machen. Ich kann versuchen, vor der
schweren Situation, der ich nicht gewachsen bin, zu fliehen. Ich
kann versuchen, abzuhauen und mich zu verkriechen. Das ist
menschlich gesehen verständlich. Manchmal geht es vielleicht auch
nicht anders. Aber das ist zum Glück nicht die einzige Möglichkeit,
die mir bleibt, wie ich mit meiner eigenen Niederlage umgehen kann.
Es
ist nicht die einzige Möglichkeit, weil Gott selbst zu meinem Glück
mir da noch eine ganz andere schenkt!
Gott
lässt mein manchmal schweres Schicksal gerade nicht kalt! Wir haben
im Lied von Abba ‚The winner takes it all’ gehört: ‚Die Götter
dürfen die Würfel werfen. Ihr Verstand ist nämlich so kalt wie
Eis und jemand auf seinem Weg hier unten verliert einen Liebsten.
Der Gewinner nimmt sich alles. Der Verlierer steht klein da. Es ist
einfach und geplant.’
Genauso
ist Gott eben nicht! Er schwebt nicht als der allmächtige Herr
hocherhaben im Himmel, den es kalt lässt, was ich hier unten auf
Erden durchmache!
Nein,
er kommt vielmehr aus seiner Höhe herab in meine Tiefe. Er begegnet
mit im Kleinen, Unscheinbaren, Einfachen und Stillen. So verstehe
ich das, Elia im stillen Sausen Gott findet, seine Gegenwart erfährt.
Genauso
verhält sich Gott! Er ist für mich da! Wie ein guter Freund ist er
mir ganz nah - nicht nur in den tollen Momenten meines Lebens, wo
ich mich wie der Held fühle, sondern auch in den besch … eidenen
Zeiten, wo ich mich wie ein Verlierer fühle. Gott spricht mir das
fest und gewiss zu: Du wirst von mir geliebt. Du bist nicht so
allein, wie du meinst. Ich bin für dich da, egal in welcher
Situation du dich befindest, ob du nun in einem Hoch oder in einem
Tief dich befindest! Ich bin da bei dir!
All
das höre ich aus diesem kleinen und so unscheinbaren Ende der
Geschichte Gottes mit Elia heraus. Wem das zu sehr reininterpretiert
erscheint, dem sage ich: Schau an, wie es in der Bibel weitergeht.
Diese Liebe Gottes, die den Tiefgang, den unteren Weg nicht scheut,
- diese Liebe Gottes zieht sich wie ein roter Faden bis zu Jesus
Christus durch. Spätestens dort, bei Jesus Christus wird es ganz
klar und deutlich: Ich habe einen Gott, der sich auch auf meine
Verliererseite stellt und für mich voll und ganz eintritt! Das
Kreuz ist dafür das ganz klare Zeichen - ja noch mehr, das ist die
Wirklichkeit, die mich trägt!
Damit
schenkt mir Gott auch eine Möglichkeit, mit meinem Verlieren, mit
meinen Niederlagen richtig umzugehen. Ich muss davor nicht fliehen
und mich verstecken. Ich kann dazu vielmehr stehen, weil ich darauf
vertrauen darf: Ich werde trotzdem geliebt. Ich darf darauf
vertrauen: Da steht trotzdem jemand hinter mir, auch wenn die
anderen mich fallen lassen. Mich muss all das Schwere, was ich zu
tragen habe, nicht umhauen, weil Jesus Christus bei mir ist und für
mich da ist. Ich stehe eben nicht allein wie der Depp da. Ich muss
nicht verzweifelt versuchen, den Ball im Spiel des Lebens am Rollen
zu halten. Diesen Part hat letztendlich Jesus für mich übernommen.
Er spielt für mich den entscheidenden Pass, den entscheidenden
Ball! Das heißt für mich: Auch wenn ich manchmal verliere und
Niederlagen im alltäglichen Leben einstecke - es steht trotzdem 1
zu 0 durch Jesus! Er zeigt für mich vollen Einsatz, gibt für mich
ganze Hundert Prozent! Nicht nur zweimal 45 Minuten, sondern mein
Leben lang! Amen.
> den Ball vor das
Kreuz legen!
Klaus
Eberhard
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