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Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31 Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31
 

Predigt am  10.04.2009 (Karfreitag)  über  Johannes 19, 16 - 30  -
 
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Ihr Lieben,

ich lese gerne Kriminalromane.

Und manchmal frage ich mich ganz selbstkritisch:

Warum tue ich das eigentlich?

Was fasziniert mich an solchen Geschichten?

An Geschichten von Mord, Verbrechen und Unrecht.

Geschichten, in denen Menschen Andere töten, oder auch „nur“ betrügen, verraten oder sonst wie ihnen schaden?

Einmal fasziniert es mich, wie die Bösen meistens doch entdeckt werden.

Das genaue Beobachten des Ermittlers; die logischen Schlüsse oder auch nur die

Ahnung – wo die Lösung des Rätsels liegt.

Mehr noch fasziniert mich die Abgründigkeit menschlichen Daseins.

Wie kommen Menschen dazu, Verbrechen zu begehen –

und wie leben sie dann mit ihrer Schuld?

Die Beschreibung vom gewaltsamen Tod Jesu hat manches von einem Krimi.

Die Schilderungen sind realistisch, grausam und sie offenbaren die Abgründe menschlichen Handelns.

Wir haben es gerade wieder gehört.

Nur: es ist eben nicht eine gut erzählte Geschichte, nicht ein Krimi.

Sondern es ist die Schilderung einer brutalen Wirklichkeit.

Ein Unschuldiger wird in einem Schauprozess verurteilt.

Und dann zur Abschreckung gefoltert und schließlich hingerichtet.

Dabei ist diese Wirklichkeit noch nicht einmal einzigartig.

Eine blutige Spur von Folter und Mord zieht sich durch die menschliche Geschichte – bis in unsere Tage.

Mir fielen die Bilder von den Folterexessen im Gefängnis Abu Ghureib bei Bagdad ein. Das ist gerade fünf Jahren her!

Menschen wurden erniedrigt, gequält manche auch ermordet –

von Soldaten, die ihre Befehle hatten und ihren Job machten – wie bei Jesus.

Ivan Frederic, einer der US-Obergefreiten aus diesem Gefängnis sagte später vor Gericht: „Ich wusste gar nichts von den Genfer Konventionen.

Niemand hat mir im Training etwas davon vermittelt.“

Nicht irgendein Monster, nicht ein krankes Gemüt steht hinter der Grausamkeit.

Sondern ein normaler Mensch.

Sicher etwas naiv – aber entschuldigt das irgendwas?

Er hatte seine Befehle und er war bereit, Grausames zu tun.

Psychologische Experimente haben es immer wieder gezeigt:

Wenn nur die Bedingungen dazu stimmen, dann ist jeder ist zu Grausamkeiten fähig.

Es ist eben nicht so, als wenn der Mensch im Kern gut sei – und nur die bösen Umstände einen zum Mörder werden lassen.

Es ist genau umgekehrt: Gott sei Dank verhindern die Umstände meistens, dass Menschen einander ans Leben gehen.

Ein Grundprinzip, das jeder Mensch erst lernen muss, ist dies:

Wer Verbotenes tut, wer Grenzen Anderer missachtet, der muss mit negativen Folgen rechnen.

Deshalb verhalten wir uns rücksichtsvoll.

Deshalb achten wir das Eigentum und die Unversehrtheit des Anderen.

Weil wir verinnerlicht haben:

Wenn wir es nicht tun, dann hat das unangenehme Folgen für uns.

Nimmt man die bösen Folgen weg, sind wir schnell selber Täter.

Es ist Teil unseres Wesens – der Mensch ist dem Menschen ein Wolf!

Wir sind, mehr oder weniger deutlich, vor allem bedacht auf den eigenen Vorteil. Die Bibel nennt den Menschen einen Sünder:

Getrennt von Gott und getrennt vom Menschen.

Und das hat Auswirkungen darauf, wie Menschen miteinander umgehen:

Da überantwortete er ihnen Jesus, dass er gekreuzigt würde.

Sie nahmen ihn aber, und er trug sein Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf hebräisch Golgatha. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte.

Er – das ist nicht dieser eine, ganz besondere Pilatus.

Dieser Machtmensch, der zutiefst ein Feigling war.

Er - das ist ein Mensch wie wir!

Einer, den nicht mal Warnungen und eigene Einsichten bremsen konnten.

Die böse Tat, dieser Foltertod eines Unschuldigen, sie bricht sich Bahn.

Und Sie – das sind nicht nur die Soldaten, die ihren Dienst tun.

Sie, das sind wir, die wir nicht besser sind, sondern nur das Glück haben, zu einer anderen Zeit am anderen Ort geboren zu sein.

Hätten wir denn nicht unseren Dienst getan?

Diese Justizmordgeschichte ist so bedrückend, weil sie uns in den Abgrund menschlicher Möglichkeiten schauen lässt.

Wie wahr, wenn Jesus vor dem Sterben schreit:

Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?

Warum hast Du mich den gottverlassenen Menschen ausgeliefert?

fragt Jesus – sterbend am Kreuz.

Wieso hat Gott nicht eingegriffen?

Wo war Er, als sein einziger Sohn von Menschen ermordet wurde?

Auf diese Frage brauchen wir doch eine Antwort.

Sonst könnten wir doch nicht ehrlicherweise Gottesdienste feiern.

Es ist schon richtig: Dieser tag heute ist nicht ein Feiertag, sondern ein Gedenktag. Er erinnert uns an die finsterste Stunde der Menschheit.

An den Tiefpunkt. Deshalb schweigt die Orgel.

Deshalb läuten bis Sonntag keine Glocken mehr.

Deshalb der leere Altartisch und das schwarze Antependium:

Der Gottesdienst heute erinnert an den Moment der Gottverlassenheit Jesu.

Ohne das eine kleine Licht der Osterkerze wäre es nicht auszuhalten.

Auch das ist wahr! Auch das ist heute laut zu sagen:

Der Tod ist nicht Sieger geblieben.

„Tetelestai!“ Es ist vollbracht! – mit diesem Seufzer auf den Lippen starb Jesus.

Es war kein Siegesruf, es war ein Todesseufzer. Und doch:

Sein Eintauchen in die Todeswirklichkeit war nicht ohne Hoffnung.

Nach dem Tod, nach dem Grab kam die Auferweckung.

Gott hat sich nicht geschlagen gegeben, als er selber starb.

Er hat sich in das Sterben hineingestellt – damit Sterbende Hoffnung bekommen.

In aller Rätselhaftigkeit von menschlichen Grausamkeiten ist das klar:

Gott ist bei jedem Opfer – und er leidet mit, wo Menschen unter Menschen leiden.

Und weil Er dabei ist, ist keine Träne verloren.

Sie alle werden von Gott gesehen – und abgewischt, wenn Sein Tag kommt.

Wir feiern heute noch einmal das Mahl der Freiheit. 

Auch wenn es eigentlich in den gestrigen Abend gehört.

Weil wir dabei nicht wiederholen, was Jesus mit seinen Jüngern getan hat.

Sondern wir nehmen in Anspruch, was Jesus seinen Jüngern versprochen hat:

Ich werde dieses Mahl wieder mit Euch feiern!

Das hat er versprochen – kurz bevor er starb.

Das Abendmahl ist deshalb mehr als eine Erinnerung an den Abschied Jesu.

In Brot und Wein – so hat Er versprochen, ist er anfassbar. Gegenwärtig.

Ein Geheimnis – nur im Glauben zu fassen.

Auch wenn wir das nicht verstehen, dürfen wir es annehmen.

Denn das dient uns zur Stärkung.

Und die brauchen wir wahrlich – wenn wir heute an das Sterben von Jesus denken.

Amen!

Björn Heymer