Predigt am 26.12.2008 über
Lukas 2, 8 - 14 -
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Es gibt ein Weihnachtsfest, das werde ich wohl nie vergessen.
Es war vor elf Jahren – da hatte ich die seltene
Gelegenheit, das Weihnachtsfest in Israel zu erleben – in dem
Land, wo Jesus gelebt hat.
Dort, wo es die Städte Jerusalem und Bethlehem noch heute
gibt.
Ich hatte mein Quartier in Jerusalem – und feierte am 24.
12. dort in der deutschen, evangelischen Erlöserkirche den
Weihnachtsgottesdienst.
Ganz ähnlich wie hier bei uns.
Danach aber, gegen zehn Uhr am Abend, startete ich zu einer nächtlichen
Wanderung.
Wir waren zu fünft. Nein -eigentlich sogar zu sechst.
Ein junges Ehepaar aus Deutschland hatte ein neu geborenes
Kind bei sich.
Sie waren in Israel, weil ihre Tochter in Galiläa getauft
werden sollte.
Und dann hatte sich uns noch ein echter Sterndeuter
angeschlossen.
Ein Student der Astrologie aus Serbien war das.
Kein Christ – der Himmel weiß, was ihn zu dieser Zeit
dorthin geführt hatte.
Wir brachen also an der Zitadelle der Kreuzfahrer auf.
Vor zweitausend Jahren stand dort der Palast des Herodes.
Drei Türme dieses Palastes haben die Zeiten überdauert und
stehen immer noch.
Wir dachten an die Sterndeuter, von denen Matthäus erzählt.
Waren sie doch auch zuerst zu Herodes nach Jerusalem gekommen.
Und dann sind sie wieder aufgebrochen – von der Königsstadt
zur Stadt Davids.
Zu Fuß braucht man für den Weg nach Bethlehem so etwa drei
Stunden –
wenn alles gut geht.
Wir machten einmal eine Pause, weil das Kind gestillt werden
musste.
Dann, nach der Hälfte der Strecke, konnten wir, vor der Höhe
aus, in der Ferne Bethlehem liegen sehen.
Es war Nacht, über uns wölbte sich der sternenübersäte
Himmel.
Und über der Geburtskirche strahlte ein besonderes Licht.
Natürlich nicht der echte Stern, sondern ein Laserstrahl.
Aber immerhin – er wies uns den Weg.
Die Straße biegt an dieser Stelle nach rechts ab.
Die Geburtskirche liegt auf der linken Seite. Und wir dachten:
Wenn
wir weiter der Straße folgen, dann machen wir einen weiten Umweg.
Vielleicht können wir das etwas abkürzen.
Tatsächlich, kurz darauf bog ein Feldweg nach links ab.
Den sind wir gegangen. Nur: jetzt wurde es richtig finster.
Bis dahin gab es ja die Straßenbeleuchtung.
Aber jetzt ging es nur über Felder.
Und bis zu dem hellen Licht der Geburtskirche war es noch
weit.
Wie sehr wünschten wir uns da einen Engel herbei, der uns den
Weg zeigen würde. Aber nichts! Mit jeder Kurve des Weges wurde es
nur immer dunkler.
Endlich kam ein Auto hinter uns her.
Ein Militärjeep hielt an und der Fahrer erklärte uns:
Auf
diesem Weg kommt ihr nicht nach Bethlehem. Ihr müsst umkehren.
Das haben wir dann auch gemacht. Und sind mit gehöriger Verspätung
schließlich gegen drei Uhr in der Nacht doch noch angekommen.
Es war kalt geworden – wir waren sehr müde, aber wir waren
am Ziel:
in der großen Kirche wurde immer noch Gottesdienst gefeiert.
Wir stiegen in die Höhle hinab, in der damals der Stall
gewesen ist.
Man muss sich ganz klein machen, weil der Eingang nur sehr
niedrig ist.
Aber dann waren wir da:
genau an dem Ort, wo die Hirten damals auch hingegangen sind.
Wir hatten erkannt: Eigene Wege führen nicht selten in die
Dunkelheit.
Selbst wenn wir uns sicher sind, es besser zu wissen – wir können
uns irren.
Wir dachten, wir kämen schon ohne Hilfe ganz gut zurecht.
Und waren dann doch froh, als uns Fremde auf den richtigen Weg
brachten.
Sie taten das ungebeten. Und wir hatten es nicht erwartet.
Wir waren auf den Hirtenfeldern – dort, wo damals die Hirten
gelagert hatten.
Sie kannten sich aus – viel besser als wir.
Trotzdem, all ihre Ortskenntnis hätte sie nie zur Krippe geführt.
Erst als sie Gottes Ruf hörten, brachen sie auf.
Und brauchten dann trotzdem so etwas wie einen Wegweiser:
Was der Wegweiser war: Windeln und Krippe.
Da erwarten wir Gott sicher nicht!
Dazu ein Text, den ich in diesem Jahr in der Weihnachtspost
fand.
Kleider machen Leute – sagen wir.
Gut gekleidet muss ein König sein, in Samt und Seide gehüllt.
Es gibt die Uniform und die Amtstracht,
das Festgewand und die Arbeitsklamotten.
Und alle wollen gut daherkommen – chic sein, im Trend liegen,
tipptopp…
Nur Gott macht da nicht mit. Er kommt auf die Welt und es heißt:
Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe
liegen.
Gott kommt nicht Ehrfurcht gebietend, erhaben, in Samt und Seide,
nicht mit Insignien der Macht und der Überlegenheit.
Er kommt in der Uniform des kleinen Mannes: in Windeln!
Das ist die Amtstracht derer, die nicht immer ganz dicht sein müssen.
Windeln, das ist das Kleidungsstück für Anfänger.
Damit hat Gott ein ganz ungewöhnliches Erkennungszeichen ausgewählt.
Wer Ihn finden will – so lässt er durch die Engel ausrichten – wer
Jesus sucht, der muss einen Blick haben für das Unscheinbare und
Banale,
für das allzu Weltliche.
Wer Jesus finden will, der muss wissen, was eine Windel ist.
Eine Windel brauchen nur die, die wissen, dass nicht alles gelingt,
dass auch ab und zu mal was in die Hose geht.
In der Schule, in der Partnerschaft, daheim, bei der Arbeit –
Überall und jederzeit.
Niemand von uns ist immer nur stark und groß und sicher.
Umso wichtiger ist es, dass wir in Jesus einem Gott begegnen,
der weiß, was eine Windel ist.
So klein ist er, so wehrlos, so angewiesen auf Hilfe und Zuwendung,
auf Pflege und Zärtlichkeit.
Windeln – das Erkennungszeichen für das Christuskind in einer Krippe
–
dem Möbelstück für Stallgenossen. Kleider machen Leute.
Die Windel liegt zu Weihnachten voll im Trend, heute ist sie salonfähig.
Man kann damit vielleicht keinen Staat machen.
Aber einen Start ins Leben mit Gott allemal.
Wer das nicht glaubt, der ist schief gewickelt.
Ludwig Burgdörfer,
„Erst eilig, dann heilig“ Brunnen 2006
Unsere Abkürzung bei der nächtlichen Wanderung wurde mir zur
Lehre:
Wir kommen manchmal erst an, wenn wir unseren Fehler einsehen.
Wenn wir uns helfen lassen und dann umkehren.
Zu schämen brauchen wir
uns eigentlich nicht.
Vor dem Gott, der in Windeln gekommen ist.
Amen!
Björn Heymer
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