Predigt am 26.11.2008 über
Johannes 7, 37 - 39 -
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Ihr Lieben,
an den großen Festen Israels kann man etwas von der Wirkung
starker Symbolik lernen. Das Laubhüttenfest ist eines dieser Feste
- das Fest im Sommer.
Für eine Woche zieht man aus den Häusern aus.
Im Garten oder auf der Dachterrasse wird eine Hütte gebaut
–
und man isst und schläft dort: unter freiem Himmel.
Mit diesem freiwilligen Verzicht, mit diesem Ortswechsel –
erinnern die Juden sich an eine grundlegende Wahrheit des Lebens:
Was ich habe, ist ein Geschenk Gottes.
Er hat uns ausgewählt und uns beschenkt – mit allem, was
wir zum Leben brauchen.
Auf dem Weg ins eigene Land haben die Vorfahren lange Zeit
auch in Hütten gelebt. An diese Zeit und an die Wanderschaft
erinnert das Laubhüttenfest.
Als der Tempel noch stand, gab es am letzten Tag des Festes
einen besondern Höhepunkt:
Man versammelte sich am tiefsten Punkt der Stadt – ganz
unten im Kidrontal.
Dort war der Siloah – Teich.
Ein Priester schöpfte einen Krug mit Wasser und trug ihn
hinauf in den Tempel – gefolgt von einer großen Prozession der
Festpilger.
Oben angekommen hob der Priester den Krug und goss das Wasser
auf die Schwelle der Tür zum Tempel.
Alles brach in Jubel aus. Man sang, tanzte und feierte.
Lebendiges Wasser floss die Stufen hinab. Was war los?
Um diesen Ritus zu verstehen, müssen wir die Bibel kennen.
Diesmal die Visionen des Propheten Hesekiel.
Er beschreibt zwei großartige Bilder, die etwas direkt aus
dem Herzen Gottes aufleuchten lassen.
Hesekiel wurde von Gott gerufen in einer Zeit großer
Gottlosigkeit in Israel.
Kaum einer lebte nach den Geboten. Die religiösen Bedürfnisse
wurden durch allerlei Götzen bedient – und das soziale Gewissen
war längst abgestumpft.
Das alles hatte Hesekiel deutlich angesprochen – aber keiner
nahm ihn ernst.
Dann kommt die eine Vision: Der Prophet sieht etwas
Ungeheuerliches:
Gott erhebt sich von seinem Thron. Er steigt herab und verlässt
den Tempel.
„Eure Gottlosigkeit ist genug! Ich überlasse Euch eurem
Schicksal. Rechnet nicht mehr mit mir!“ Das sagt diese Vision.
Tatsächlich wurde der Tempel Israels im Jahr 587 v. Chr.
zerstört. Viele wurden verschleppt. Man musste damit rechnen, dass
es zu Ende war mit Israel.
Aber nein: und hier kommt nun die zweite große Vision des
Hesekiel.
Gott gibt sein Volk nicht auf! Nach dem Gericht kommt ein
neuer Anfang:
Ein neuer Tempel wird ausführlich beschrieben –
und als der steht, geschieht das Folgende:
Unter der Türschwelle des Tempels entspringt eine Quelle.
Erst ist es nur ein kleiner Bach, dann ein Flüsschen, das rasch
immer mehr anschwillt.
Er fließt hinab durch das Kidrontal – rechts und links
wachsen Bäume auf.
Sie tragen das ganze Jahr über Früchte.
Schließlich erreicht der Fluss das Tote Meer und etwas
Unglaubliches geschieht: aus dem Salzwasser wird wieder süßes
Wasser, in dem Fische leben können.
Totes, längst Aufgegebenes wird wieder lebendig.
Das ist die Vision – und daran erinnert der Wasser - Ritus
beim Laubhüttenfest:
Gott hat noch etwas Heilvolles, Großartiges versprochen –
etwas, das noch kommt.
Und mitten hinein in diese Szene tritt Jesus auf und ruft
laut:
„Wer Durst hat, der soll zu
mir kommen und trinken!
Wer an mich glaubt, wird erfahren, was die Heilige Schrift sagt:
Wie ein Strom wird lebenschaffendes Wasser von ihm ausgehen.“
Ein simpler Schluck Wasser kann Leben retten – wir können
uns das kaum vorstellen.
In unseren Breitengraden ist Wasser ein Massengut. Mehr als
95% des Wasserverbrauchs wird nicht getrunken.
Wann haben wir zum letzten Mal wirklich Durst gehabt?
Wir laden Sie und Euch jetzt ein, einen kleinen Schluck Wasser
mal ganz bewusst zu trinken. Dabei zu spüren, wie es schmeckt und
was es bewirkt.
Es ist einfaches Wasser – kein Zauber, keine Magie.
Und doch: es ist unser wichtigstes Nahrungsmittel.
Helfer
verteilen das Wasser.
„Wer
Durst hat, der soll zu mir kommen und trinken!
Wer
an mich glaubt, wird erfahren, was die Heilige Schrift sagt:
Wie
ein Strom wird lebenschaffendes Wasser von ihm ausgehen.“
Was für ein Versprechen!
Die Frage ist: gilt das heute noch? Gilt das auch für
Menschen wie uns?
Jesus verspricht denen, die keine Kraft mehr haben, eine
starke Veränderung!
Liegt darin auch für uns noch eine Hoffnung?
Was hat Er gemeint, als er das gesagt hat?
Jesus Worte sind gehobene Sprache – Dichtung.
Was ein orientalischer Dichter sagen will, wird immer mehrfach
gesagt – und zwar so, dass es sprachlich oder auch durch die
Bildauswahl abgeändert wird:
Hier erst: Wer durstig
ist, der komme zu mir und trinke! Das ist ein Bild!
Es geht nicht um den realen Vorgang des Trinkens.
Deshalb der zweite Satz:
Wer an mich glaubt, von dem wird etwas Lebenschaffendes
ausgehen.
Es ist die gleiche Aussage, nur jetzt nicht mehr im Bild
gesagt!
Es geht darum, ob ein Mensch glaubt oder nicht glaubt.
Dem Glaubenden verspricht Jesus, dass seine tiefste Sehnsucht
gestillt wird.
Und mehr noch:
Der Glaube wirkt sich auch auf die Umgebung aus.
Jesus geht davon aus: einen glaubenden Menschen erkennt man!
Wer glaubt, der ist anders, er handelt anders; er hat eine
andere Ausstrahlung – und zwar eine, die ermutigend wirkt.
Wenn
das mal wahr wäre!
Den Einspruch höre ich schon, bevor ich noch den Satz
ausgesprochen habe.
Glaubende sind doch nicht besser als Andere, oder?
Ja, so ist es allzu oft. Leider ist das so.
Oft ist das Haupterkennungszeichen der Glaubenden dies:
dass sie Fehler machen wie alle – nur, dass sie sich davon
nicht unterkriegen lassen, weil sie sich vorbehaltlos angenommen und
geliebt wissen.
Der Unterschied ist nicht im Wesen des Glaubenden begründet,
sondern in dem, an den wir glauben.
Denn der hat ein Geschenk für jeden, der zu ihm kommt:
Wasser ist eines der Bilder in der Bibel für den Geist
Gottes.
Johannes fügt deshalb hinzu: „Damit meinte Jesus den Heiligen Geist, den alle bekommen würden, die an
ihn glauben.“
Und damit stehen wir heute da wie die Juden damals auf dem
Tempelplatz:
Hier der Priester, der das Wasser ausschüttet – und damit
an Gottes Versprechen für die Zukunft erinnert. –
Das ist ein schönes Bild - nicht mehr!
Und da: Jesus, der sich hinstellt und sagt:
Ich
bin die Erfüllung dieses Versprechens!
Beide stehen im Tempel! Beides ist auch heute im Raum.
Wir können Gottesdienst erleben als Besucher und Beobachter.
Und gehen nach Hause, vielleicht klüger, vielleicht erinnert
an ein gutes Versprechen, aber dennoch begrenzt auf unsere Möglichkeiten,
das Leben zu gestalten.
Oder wir gehen als solche, die erfüllt sind von einer
Begegnung mit Jesus:
Jesus selber ist gegenwärtig.
Nur Er kann den Lebensdurst stillen – nicht das Reden über
ihn.
Nicht wir mit einem schönen Gottesdienst, mit guter Musik.
All das kann zum Werkzeug werden – entscheidend ist der
Geist.
Er erfasst Herzen. Er rührt uns an. Er macht aus Beobachtern
Glaubende.
Der Schlüssel ist ein Gebet!
Wer sein Herz ehrlich aufmacht und so bittet:
Komm,
Heiliger Geist!
– den lässt Jesus nicht ohne Antwort.
Amen!
Björn Heymer
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