Predigt am 28.09.2008 über Johannes
4, 4 - 14
"Gesundes Misstrauen" -
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Ihr Lieben,
Es waren die besten Voraussetzungen für eine Begegnung, die
gründlich danebengeht: Vorurteile auf beiden Seiten – genügend
Unterschiede in der religiösen Überzeugung und reichlich
Nationalstolz.
Und außerdem - im Orient ist es bis heute so:
in der Öffentlichkeit reden Männer nicht mit Frauen.
Kein Wunder, dass die Frau am Brunnen voller Misstrauen
steckt.
Schon fast ein Wunder, dass trotzdem miteinander geredet wird.
Denn da, wo Misstrauen herrscht, da denkt man übereinander
–
aber man redet gerade nicht miteinander.
So kennen wir es jedenfalls.
Diese Geschichte einer Begegnung am Brunnen verstehe ich heute
als ein Muster dafür, wie Jesus die Mauer des Misstrauens überwindet.
Gleich zweimal reicht er ihr gewissermaßen eine Hand über
die Mauer:
– und beide Mal reagiert die Frau erstmal voller Misstrauen.
Erst bittet er um Hilfe – „Gib Du mir zu trinken.“
Der beste Brunnen stillt keinen Durst, wenn man nicht an das
Wasser kommt. Man braucht ein Seil und einen Eimer. Beides hatte
Jesus nicht.
Deshalb diese Bitte. Hilf
mir!
Aber die Frau zögert –
„Wieso bittest Du mich
um Wasser, wo ich doch eine samaritische Frau bin?“
Gesundes Misstrauen?
Die Frau hat jedenfalls normal reagiert – sie schützt sich.
Gleichzeitig bricht sie die Begegnung nicht ab. Auch das ist
gesund.
Sie hätte sich ja auch einfach umdrehen und weggehen können.
Wenn wir das als ein Muster verstehen wollen, dann heißt das
wohl:
Es ist durchaus normal und in Ordnung, wenn man in einer
Begegnung mit Christen spürt: die reden eine andere Sprache und
haben andere Werte.
Die sind gewiss in ihrem Glauben – und mir ist das alles
fremd.
Christen gehen davon aus, dass Jesus – dieser Wanderprediger
von vor 2000 Jahren - heute unter uns so gegenwärtig ist wie jeder
von uns.
Wer da misstrauisch wird, den kann ich gut verstehen.
Wenn die Geschichte zu verallgemeinern ist, dann können wir
sicher sein:
Es stört Jesus nicht, wenn jemand erst mal zögert.
Nur: Sich umdrehen und schweigend weggehen – das wäre nicht
gesund.
Übertragen: es wäre schade, wenn jemand heute mit seinem
Misstrauen allein bleibt, nachher einfach seiner Wege geht.
Deshalb laden wir nach dem Gottesdienst zum Essen ein.
Damit wir im Gespräch bleiben – wie Jesus mit der Frau
weiter redet.
Erst hat er sie angesprochen – weil er ihre Hilfe braucht.
Es gibt Menschen, die finden genau über diesen Weg zum
Glauben:
Dass sie gebeten werden, eine Aufgabe zu übernehmen.
Und dass sie bereit sind, von Zuschauern zu Mitmachern zu
werden.
Auch wenn ein Misstrauen in Sachen Jesus noch bleibt.
Das zweite Angebot, das Jesus dieser Frau macht, ist die
Einladung zu einer Entdeckung:
„Wenn
du wüsstest, was Gott dir geben will und wer dich hier um Wasser
bittet, würdest du mich um das Wasser bitten, das du zum Leben
brauchst.
Und
ich würde es dir geben.“
Es geht im Glauben immer auch um Wissen. Die Frau wusste
nichts von Jesus.
Sie hatte das Wissen über Gott und Bibel aus ihrem
Religionsunterricht –
Was sie nicht wusste: Gott kommt uns Menschen von sich aus
ganz nahe.
Er ist nicht fern, irgendwo im Himmel.
Er ist selber Mensch geworden – einer von uns.
Natürlich wusste diese Frau das nicht – und wieder reagiert
sie misstrauisch:
„Aber
Herr, du hast doch gar nichts, womit du Wasser schöpfen kannst, und
der Brunnen ist tief! Wo willst du denn das Wasser für mich
hernehmen? Kannst du etwa mehr als Jakob, unser Stammvater, der
diesen Brunnen gegraben hat?“
Noch einmal gesundes Misstrauen?
Weil sie Jesus nicht kennt, reagiert sie auf einer anderen
Ebene.
Jesus redet hier nicht von H2O – von dem Wasser als Element.
Er benutzt ein Bild, um zu umschreiben, was eigentlich
unbeschreiblich ist. Wasser – ist ja schon so etwas, was
unverzichtbar zum Leben ist:
Wir trinken es. Wir waschen uns damit. Wir bewässern Pflanzen
damit und tränken Tiere, die uns zur Nahrung dienen. Aus fließendem
Wasser kann man Energie schöpfen – und wir taufen Menschen damit.
Wasser ist schon sehr vielfältig und eine unverzichtbare
Grundlage des Lebens.
Und Wasser nimmt Jesus als ein Bild für das, was er uns geben
kann.
Was das ist, bleibt verborgen – vielleicht kann man es so
beschreiben:
Jesus gibt uns die Gabe, die Dinge unseres Lebens mit den
Augen Gottes zu sehen.
Das können wir nicht aus uns heraus. Das wirkt Gott in
Menschen.
Wir nennen das Glauben – und meinen damit doch etwas Anderes
als das, was jeder Mensch irgendwie hat: eine individuell
zusammengestellte Ansammlung von Überzeugungen.
Das hat jeder. Das nennen wir Religion.
Davon geht aber nicht unbedingt eine Kraft aus – schon gar
nicht die Kraft, von der Jesus hier spricht.
Es ist verständlich und normal, wenn die Begegnung mit Jesus
und seiner Gemeinde von Misstrauen begleitet ist.
Wer dann aber dranbleibt. Nachfragt und sich einlässt auf
Jesus, der wird an einen Punkt kommen, wo ein anderes Misstrauen
gefragt ist:
Misstrauen wir eigentlich uns selber mal?
Hat uns unser Zweifel an der realen Kraft Gottes bisher
wirklich gut beraten?
Wir ahnen: ganz ohne Vertrauen kommen wir nicht aus.
Der Tag heute ist ebenso gut wie jeder Andere, damit zu
beginnen:
Unser Misstrauen gegen Jesus fallen zu lassen und das
Vertrauen zu wagen:
Es braucht beides: eine Entscheidung und ein Einüben.
Die Entscheidung könnte so lauten:
„Ich
will nicht mehr misstrauen, dass dieser Jesus tatsächlich real ist
und auch an mir Interesse hat. Ich will damit rechnen, dass Gebete
gehört werden.
Ich
will es ausprobieren, ob Gott wirklich durch die Bibel redet, wenn
ich in Ruhe darin lese.“
Zu all dem kann man sich entscheiden. Und dann braucht es
Geduld beim Einüben. Damit wir Erfahrungen machen.
Das Versprechen von Jesus gilt uns heute – wie damals der
Frau:
„Wer
aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, der wird nie wieder
Durst bekommen. Dieses Wasser wird in ihm zu einer Quelle, die bis
ins ewige Leben hinein fließt.“
Amen!
Björn Heymer
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