Predigt am 27. Juli 2008 über
Römer 11, 25 - 32 -
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Es war damals, ganz am Anfang...
Gott hatte sich alles so schön ausgedacht. Es war soo gut
gewesen... die
Wiesen und Wälder, Flüsse und Seen...
der große Ozean mit all seinen Geheimnissen...
wobei... für
Gott waren es ja gar keine Geheimnisse...
er wusste genau, was dort in 8000m Tiefe noch rum
schwamm...
ja, diese Vielfalt an Tieren, die sich
Gott ausgedacht hatte... große,
kleine, bunte, unscheinbare, laute, leise Tiere –
Tiere, die Eier legen, Tiere, die gebären,
Tiere, die Luft atmen, Tiere, die Wasser „atmen“, usw.
Und nicht nur Land und Wasser hat Gott mit
Leben gefüllt.
Auch in der Luft sollte es zwitschern,
surren, schwirren und flattern. Es hat alles gepasst. Es war alles
gut.
Doch all dieses Schöne war nur Beigabe für
etwas ganz Besonderes, das Gott noch schaffen wollte.
Gott wollte noch ein Wesen haben, das ihm
gleich sei.
Es sollte kein Gott werden, also schon
etwas niedriger als er selbst. Aber es sollte ein völlig selbstständiges
Wesen sein. Ein Wesen, das auf all das Schöne aufpasst, dass Gott
vorher schon geschaffen hat. Und v.a. ein Wesen, mit dem Gott sich
auf einer Ebene unterhalten konnte.
Also schaute Gott in den Spiegel und
formte ein Wesen aus Erde, gleich dem, was er im Spiegel sah.
Und als er fertig war blies er Leben in
den geformten Körper und setzte das Wesen in die wunderschöne
Welt.
Dann machte er noch so ein ähnliches
Wesen und gab den beiden den Auftrag, die Welt zu bevölkern und zu
erhalten.
Der Mensch war geboren.
Und Gott freute sich sehr am Menschen, unterhielt sich mit ihm und
sah ihm zu, wie er auf die schöne Welt aufpasste.
Gott und die Menschen lebten in einer
guten Gemeinschaft miteinander.
Doch im Laufe der Zeit genügte es den
Menschen nicht mehr, einfach nur Gottes Auftrag zu verfolgen.
Gott hatte sie zu kreativen Wesen gemacht.
Warum also nicht nach mehr streben,
fragten sie sich.
Und so begann jeder Mensch eifrig damit,
eine eigene Karriere zu verfolgen.
Manchmal kam ihnen ein Anderer dazwischen,
dann kam es zu einer Auseinandersetzung. Und der Stärkere siegte.
Sie drehten sich immer mehr um sich selbst. Nach Gott fragten sie
nicht mehr viel. Die Menschen hatten sich ein höheres Ziel gesetzt,
als nur mit Gott in Gemeinschaft zu leben.
Sie wollten selbst wie Gott sein.
Gott sah dies alles mit großer
Traurigkeit. Seine Besuche auf der Welt wurden immer weniger. Und
irgendwann hörten sie ganz auf, denn ein großer Graben war
zwischen ihm und den Menschen entstanden.
Sie waren mittlerweile sehr viele geworden.
Gott kannte sie alle. Aber fast keiner
mehr kannte ihn.
Die Menschen hatten Gott aus ihrem
Bewusstsein verdrängt. Sollte das das Ende von Gottes großartiger
Schöpfung sein?
Nein, so leicht gab Gott nicht auf. Er
nahm Verbindung zu einem Mann auf, der noch an ihn glaubte. Mit
diesem Menschen wollte er ein Volk gründen, das wieder nach Gottes
Vorstellungen lebte. Und so passierte es auch.
Ein kleines Volk entstand aus diesem einem
Mann. Abraham war sein Name. Und diesem Volk sagte Gott haarklein,
wie er sich das Leben der Menschen ursprünglich vorgestellt hatte.
Das änderte natürlich nichts an dem
Graben zwischen Gott und den Menschen. Aber immerhin war schon ein
Anfang zu ihrer Besserung gemacht.
Im Laufe der Jahre musste Gott aber
feststellen, dass auch dieses Volk, mit dem Gott so viel vorhatte,
nichts verstanden hat. Außerdem waren sie ständig Einflüssen von
anderen Völkern ausgesetzt, wodurch die Anweisungen Gottes an sie
immer mehr verwässert wurden. Und die Anleitung, die Gott ihnen
mitgegeben hatte, lasen sie auch völlig falsch. Gott wurde wiederum
sehr traurig und wütend über sie.
Er wusste: „Es gibt nur noch einen Weg.
Ich muss selbst wie die Menschen werden und ihnen vorleben, wie ich
mir die Welt gedacht habe. Ich möchte sie für meine Idee von
Zusammenleben gewinnen. Und sie dürfen sich selbst dafür
entscheiden mit mir versöhnt zu werden. Dann kann der Graben
zwischen mir und ihnen überwunden werden.“
Gott wurde also selbst als Mensch in
dieses Volk geboren, das er ursprünglich dazu erwählt hatte seinen
Traum von Mensch zu leben. Und er lebte ihnen vor, predigte und
zeigte ihnen, wie das Leben der Menschen sein sollte.
Doch sein erwähltes Volk erkannte ihn nicht.
Es war zu sehr versteift auf die eigene
Vorstellung wie Gott sich Leben und Errettung wohl gedacht hat. Und
so verwarfen sie diesen sonderbaren Menschen, der sich Jesus nannte
und töteten ihn.
Doch ohne es zu ahnen, hatten sie damit
ein endgültiges Opfer gebracht, dass die Menschen auf ewig mit Gott
versöhnen sollte, wenn sie es wollten.
Eigentlich sollte dieses Volk Gottes ein
Mustervolk werden, an dem sich alle anderen Menschen orientieren
konnten.
Doch das Volk erkannte diesen Auftrag
nicht. Deshalb wurde die gute Nachricht von der Versöhnung Gottes
mit den Menschen an dem Volk vorbei in die ganze Welt getragen.
Alle Menschen sollten erfahren, dass Jesus
über den Graben zwischen Gott und Menschen eine Brücke gebaut hat,
gleich einem Kreuz. Israel sollte eigentlich das erste Volk sein,
das versöhnt mit Gott lebt. Doch bei Gott werden die Letzten die
Ersten und die Ersten die Letzten sein.
Ich lese den Predigttext Röm 11,25-32 aus
der Übersetzung Gute Nachricht Bibel.
Israels endliche Errettung
25 Ich
will euch, liebe Brüder, dieses Geheimnis nicht verhehlen, damit
ihr euch nicht selbst für klug haltet: Verstockung ist einem Teil
Israels widerfahren, so lange bis die Fülle der Heiden zum Heil
gelangt ist;
26 und so wird ganz Israel gerettet werden, wie
geschrieben steht (Jesaja 59,20; Jeremia 31,33): »Es wird kommen
aus Zion der Erlöser, der abwenden wird alle Gottlosigkeit von
Jakob.
27 Und
dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde.«
28 Im
Blick auf das Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber
im Blick auf die Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen.
29 Denn
Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen.
30 Denn
wie ihr zuvor Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit
erlangt habt wegen ihres Ungehorsams,
31 so
sind auch jene jetzt ungehorsam geworden wegen der Barmherzigkeit,
die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit
erlangen.
32 Denn
Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er
sich aller erbarme.
Es geht in diesem Text um die
letztendliche Errettung Israels.
Wir Christen wissen, dass Jesus allein der
Weg, die Wahrheit und das Leben zu Gott ist.
Israel glaubt an den gleichen Gott, nur
Jesus haben sie nicht erkannt.
Dennoch steht Gott zu seinem Bund, den er
einst geschlossen hat. Er verspricht, dass sein ganzes Volk gerettet
wird, auch wenn es bisher den Erlöser noch nicht erkannt hat.
Denn dieses Wehren Israels dagegen, dass
Jesus der Messias ist, hat einen Grund: Gott möchte, dass zunächst
alle anderen Völker die gute Nachricht von Jesus erfahren.
Denn
bei Gott werden die Letzten die Ersten sein.
Dennoch gibt es m.E. zu viele
Spekulationen über Israel, die Heilsgeschichte, die Zukunft und die
Endzeit. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch nicht mehr weiter
über Israel reden.
Für mich steht bei diesem Römertext die
Frage im Vordergrund:
Was hat das mit unserem Leben konkret zu
tun?
Als ich den Text zum ersten Mal zur
Predigtvorbereitung gelesen habe, ist mir ein Wort ins Auge
gestochen und hängen geblieben: „Ungehorsam“.
Gerade der zweite Teil des Textes dreht
sich um das Wort Ungehorsam.
Ich lese nochmals...
30 Denn
wie ihr zuvor Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit
erlangt habt wegen ihres Ungehorsams,
31 so
sind auch jene jetzt ungehorsam geworden wegen der Barmherzigkeit,
die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit
erlangen.
32 Denn
Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er
sich aller erbarme.
Ungehorsam gegen Gott ist der Grund für
die Trennung zwischen Gott und den Menschen. Und es ist der Grund für
die Trennung von Gott und seinem Volk. Das ist die Verstockung, von
der Paulus hier spricht.
Deshalb habe ich auch die Heilsgeschichte
in meinen Worten erzählt, um das Drama um den Ungehorsam zu
verdeutlichen.
Gott hatte einen großartigen Plan mit uns
Menschen.
Er wollte uns größtmögliche Freiheit in
seiner Schöpfung geben. Aber wir haben diese Freiheit zu Ungehorsam
missbraucht.
Und deshalb leben wir heute in einer Welt,
die zwar schön ist, aber auch von Leid und Krieg geprägt ist. Von
Hass und Neid unter den Menschen. Von Versagen und Ungeliebtsein.
Ich habe von zwei mehr oder weniger berühmten
Menschen, die auch nichts mit Gott zu tun haben wollten, Zitate über
Ungehorsam gefunden. Sie sind ein Spott für Gottes Traum, denn sie
erheben den Ungehorsam zur Tugend.
-
"Nicht
die Sünde
wurde geboren, als Eva
den Apfel
pflückte. Geboren wurde an diesem Tag
vielmehr eine großartige Tugend,
Ungehorsam genannt." - Oriana
Fallaci, Brief an ein nie geborenes Kind
-
"Ungehorsam
ist für jeden, der die Geschichte kennt, die eigentliche Tugend
des Menschen. Durch Ungehorsam entstand der Fortschritt,
durch Ungehorsam und Aufsässigkeit." - Oscar
Wilde, Der Sozialismus und die Seele des Menschen
Ungehorsam zur Tugend zu erheben, heißt
Gottes Traum für die Menschen mit Füßen zu treten.
Ich will hier nicht Fortschritt
kritisieren und mich als verbohrten Traditionalisten präsentieren.
Gott hat uns kreativ geschaffen, zum
Fortschritt bestimmt.
Aber zu einem Fortschritt in gutem Sinne,
der nicht auf Kosten anderer Menschen geht. Nicht auf Kosten der
Umwelt oder anderer Lebewesen.
Doch unser Ungehorsam lebt auf Kosten
anderer.
Wir leben in einer Welt, in der sich jeder
selbst der Nächste ist.
Und wir fragen kaum mehr, was Gott denn für
unsere Welt will.
Wir haben uns durch Ungehorsam über Gott
erhoben.
Deshalb bedeutet Ungehorsam Trennung von
Gott.
Und Trennung von Gott bedeutet
letztendlich ewiger Tod.
Die gute Nachricht ist, dass Jesus diese
Trennung durch seinen Tod überwunden hat. Über Jesus sagt Paulus
im Philipperbrief:
„Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam
bis zum Tod, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht
und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist.“ Phil
2,8+9
Jesus war gehorsam, also will Gott auch,
dass wir weiter gehorsam sind. Jesus ist unser Herr, wenn wir an ihn
glauben.
Und wenn Jesus unser Herr ist, dann können
und dürfen wir auch den Gehorsam leisten, den er geleistet hat.
Es ist ein Gehorsam, der Heil bringt. Denn
Gott meint es gut mit uns.
Was heißt das konkret?
Gehorsam gegenüber Gott hat sicherlich
sehr viele Facetten.
Ich möchte nur eine herausgreifen.
Esther und ich hatten zwei Wochen Urlaub
und waren zu Hause in Bayern. Zu Hause wohnt auch meine Oma im
Altenheim.
Meine Oma ist sehr einsam. Und sie freut
sich wahnsinnig, wenn ich sie besuchen komme. Deshalb hab ich das
auch gemacht. Ich muss mich dazu meist etwas aufraffen, denn so ein
Besuch ist natürlich auch anstrengend. Aber die Freude, die ich ihr
damit machen kann, entschädigt für jeden Aufwand. Mit diesem
Besuch war ich Gott gehorsam, denn ich habe mich um einen Menschen
gekümmert, der nicht mehr so kann, wie er vielleicht möchte. Jesus
sagt: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern,
das habt ihr mir getan.“ Mt 25,40
Ich kann mir vorstellen, dass sich ältere
Menschen in unserer Gesellschaft aufs Abstellgleis geschoben fühlen.
Junge Menschen denken, dass alte Menschen nur noch kosten, anstatt
der Wirtschaft etwas zu bringen.
Dieses Wirtschaftsdenken ist aus unserem
Ungehorsam geboren. Wenn man wirtschaftlich denkt und handelt, dann
fragt man immer nach dem größten Nutzen für sich selbst.
Das ist genau das Gegenteil von dem, was
Gott sich für unser Leben wünscht.
Gott schenkt Leben um des Lebens willen.
Und kein Alter ist wertvoller als das
andere.
Gott wünscht sich Hingabe und Nächstenliebe.
Denn eine Gesellschaft, die von Hingabe
und Nächstenliebe geprägt ist, ist eine freundliche Gesellschaft.
Wir müssen anfangen nicht zuerst an uns
selbst zu denken.
Wir dürfen darauf vertrauen, wenn wir
etwas für andere tun, dann wird auch mal etwas für uns getan.
Ein weiteres Beispiel. In Gunzenhausen
lebt eine alte Diakonisse, die schon lange für Esther betet. Auch
sie hat sich gewünscht, dass wir sie mal besuchen. Wir hatten es
uns auch vorgenommen, es aber bis zum letzten Tag unseres Urlaubs
nicht geschafft.
Nun waren wir auf dem Weg nach Köln, wir
hatten noch fünf Stunden Fahrt vor uns. Da fiel uns diese alte
Schwester wieder ein. Der Gedankengang, der dann ablief hatte das übliche
Schema von Engelchen und Teufelchen auf der Schulter. Nur dass das
Teufelchen sich natürlich nicht als böse ausgibt.
„Wir haben noch so eine lange Fahrt vor
uns.“
„Vielleicht lebt die Schwester nächstes
Mal schon nicht mehr.“
„Unsere Eltern können sie doch auch
besuchen.“
„Sie betet für uns, sie hat sich gewünscht,
dass wir sie besuchen.“
„Wir können später anrufen, wenn wir
in Köln sind.“
„Anrufe vergisst man leicht.“
Usw.
Trotz der langen Fahrt, die wir noch vor
uns hatten, haben wir auf Engelchen gehört und noch einen Abstecher
zu der Schwester gemacht.
Was hat die Schwester sich gefreut. Und
nicht nur sie, auch andere Schwestern, die uns dort kannten waren außer
sich vor Freude, dass wir vorbei gekommen waren.
Die Fahrt nach Köln war dann auch
ziemlich entspannt, so dass wir sogar noch andere Freunde besucht
haben.
Im Nachhinein haben wir festgestellt, dass
Gott leise zu uns gesprochen hat: „Schaut doch noch bei der
Schwester vorbei.“
Ich denke, dass Gott öfters so leise zu
uns spricht. Meistens erkennt man das erst etwas später. Denn wir
verdrängen die Gedanken, die Gott uns gibt schnell, weil sie
vielleicht unbequem erscheinen.
Vor ein paar Wochen hatte ich den
Eindruck, dass ich einem jungen Mann im Park meine Bibel schenken
soll. Ich hab mich dagegen gewehrt, weil ich Angst hatte, es könnte
peinlich sein.
Ich hab es also nicht gemacht. Aber der
Gedanke lässt mich nicht mehr los. Gott ist hartnäckig. Ich will
es wieder gut machen und nehme seither eine Bibel mit in den Park,
falls ich den jungen Mann wieder treffe.
Gott will, dass wir seine Stimme gehorsam
sind.
Und er wünscht sich, dass wir schon hier
und jetzt seinen Traum von seiner Welt leben.
Alles, was wir über Gottes Welt wissen müssen,
steht in diesem Buch. Gott will, dass wir dieses Buch ernst nehmen.
Denn Gott will uns dazu gebrauchen, seine
Heilsgeschichte weiter zu schreiben.
Er will durch uns hier und jetzt eine
bessere Welt schaffen.
Wenn wir alle in den kleinen Dingen
anfangen, auf Gott zu hören, ihm zu gehorchen, dann wird viel
passieren in unserer Gemeinde, in unserem Stadtteil, unserer Stadt,
unserem Land, in dieser Welt.
Amen!
Christian Trieb
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