Predigt am 6. 07. 2008 über Exodus
16, 2-3, 11-18 -
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vor einer Woche ging es darum, dass Petrus eine weit
verbreitete Lüge entlarvt hat: Die Lüge, die da lautet: „Ein Mensch ändert sich doch nicht.“
Ein Mensch nicht – ja, aber trotzdem ist es nicht wahr –
die Gemeinde Jesu ist der Ort in der Welt, wo dieser Satz widerlegt
wird. Der Geist Gottes rührt Menschen an. Er setzt Kräfte frei und
schenkt Neuanfänge.
Und da können Dinge anders werden.
Heute geht es wieder um weithin geglaubte Lügen.
Ich lese aus dem zweiten Mosebuch:
Und es murrte die ganze Gemeinde der Israeliten wider Mose und Aaron in
der Wüste. Und sie sprachen: Wollte Gott, wir wären in Ägypten
gestorben durch des HERRN Hand, als wir bei den Fleischtöpfen saßen
und hatten Brot die Fülle zu essen. Denn ihr habt uns dazu
herausgeführt in diese Wüste, dass ihr diese ganze Gemeinde an
Hunger sterben lasst. Und der HERR sprach zu Mose: Ich habe das
Murren der Israeliten gehört. Sage ihnen: Gegen Abend sollt ihr
Fleisch zu essen haben und am Morgen von Brot satt werden und sollt
innewerden, dass ich, der HERR, euer Gott bin. Und am Abend kamen
Wachteln herauf und bedeckten das Lager. Und am Morgen lag Tau rings
um das Lager. Und als der Tau weg war, siehe, da lag's in der Wüste
rund und klein wie Reif auf der Erde. Und als es die Israeliten
sahen, sprachen sie untereinander: Man hu? Denn sie wussten nicht,
was es war. Mose aber sprach zu ihnen: Es ist das Brot, das euch der
HERR zu essen gegeben hat. Das ist's aber, was der HERR geboten hat:
Ein jeder sammle, soviel er zum Essen braucht, einen Krug voll für
jeden nach der Zahl der Leute in seinem Zelte. Und die Israeliten
taten's und sammelten, einer viel, der andere wenig. Aber als man's
nachmaß, hatte der nicht darüber, der viel gesammelt hatte, und
der nicht darunter, der wenig gesammelt hatte. Jeder hatte
gesammelt, soviel er zum Essen brauchte.
Warum werden solchen alten Geschichten immer wieder erzählt?
Bestimmt nicht aus Liebe zur Tradition oder aus Interesse an
der Geschichte.
Gute Geschichten werden nicht vergessen, weil sich in ihnen
Grunderfahrungen spiegeln. Grunderfahrungen, die Menschen aller
Zeiten mit ihren ganz eigenen Lebenserfahrungen in Verbindung
bringen konnten.
Wenn das geschieht, dann kann eine alte Geschichte wie ein
Schlüssel wirken.
Ein Schlüssel, der mir die Tür öffnet, das gut zu
begreifen, was ich erlebe.
Ich habe gesagt, diese Geschichte von der Versorgung des
Volkes in der Wüste entlarvt weitverbreitete Lügen.
Zunächst dieser Satz: „Früher
war alles besser.“
Diese Überzeugung drängt sich immer dann auf, wenn Menschen
– als Einzelne oder als ganzes Volk durch Krisen gehen.
Niemand wünscht sich Krisen – auch Israel damals nicht.
Sie waren eher Hals über Kopf aufgebrochen;
Sie hatten ihren wenigen Besitz gepackt – und waren
mitgegangen.
Und dann, nach drei-vier Tagen schien das Abenteuer schon zu
Ende zu sein.
Am Meeresufer schrien sie auf einmal aus Todesangst:
vor ihnen die Weite des Wassers –
und hinter ihnen das Heer des Pharao, der sie gefangen nehmen
wollte.
Und dann erlebten sie diese unglaubliche Rettung:
Mose erhob seinen Stab – wie er es schon am Ufer des Nils
getan hatte –
und diesmal teilte sich die Flut. Der Weg war frei.
Und als sie zurückschauten, sahen sie, dass die Verfolger im
Meer versanken.
Was für eine Erfahrung! Rettung aus höchster Not.
Der Freudentaumel wollte kein Ende nehmen.
Und jetzt – nur fünf Wochen später - kam der Hunger.
Und mit dem Hunger die Klage:
„Wären
wir doch nur in Ägypten geblieben!“
Vergessen war der Mangel dort. Vergessen die schwere Arbeit,
die Schikanen.
Vergessen, wie man ihnen die Söhne ermordet hatte.
Wenn man in einer Krise steckt, dann wird man schnell
ungerecht.
Die Erinnerung trübt sich ein. Man ist sogar selber überzeugt
davon:
Vorher
ging es besser als jetzt. Vorher hatten wir keine Sorgen.
Und trotzdem ist der Satz eine Lüge. Warum?
An feinen Zügen in dieser Geschichte wird es deutlich:
Die Israeliten murren, weil sie Gott und sein rettendes
Handeln verdrängt haben.
„Wollte Gott, wir wären
in Ägypten…“ So klagen sie.
Nur: Sie meinen damit nicht den Gott, der sie herausgeführt
hat in die Freiheit.
Der sie berufen und erwählt hat.
Sie reden nicht von dem Gott, der schon früher heilvoll
gehandelt hatte.
Sie reden von Gott als einem namenlosen Schicksal. – Bis
heute weit verbreitet!
Und genau das ist Ausdruck ihres Unglaubens.
Man kann an die Existenz Gottes glauben und doch zutiefst ungläubig
sein.
Damals leugneten sie alles heilvolle Eingreifen Gottes.
Sie unterstellen ihren Leitern böse Motive:
„Ihr
habt uns in die Wüste geführt, um uns hier an Hunger sterben zu
lassen.“
So reden Menschen, die nichts von Gott wissen.
Die nicht damit rechnen, dass Gott durch Menschen handelt.
Der Satz: „Früher war
alles besser“ ist eine Lüge, weil er gottlos ist.
„Heute
ist die Zeit der Gnade. Jetzt ist der Tag des Heils.“
So redet einer, der von Jesus weiß.
Jeder Tag, der uns noch auf dieser Erde geschenkt ist, ist ein
guter Tag.
Er gibt uns und anderen Gelegenheit zur Umkehr.
Er lässt Raum, Ihn zu loben und neue Erfahrungen mit ihm zu
machen.
Jeder Tag bringt uns näher an die ewige Herrlichkeit.
Deshalb ist ein Jammern über die Zustände unserer Tage nicht
angebracht.
Die andere Lüge, um die es in dieser Geschichte geht, lautet
so:
„Man
bekommt im Leben nichts geschenkt.“
Das steckt tief in
uns. Denn wir haben von klein auf gelernt:
Lohn
gibt es nur für Arbeit. Wer nichts leistet, ist nichts wert.
Wer
soziale Leistungen in Anspruch nimmt, ist ein Schmarotzer.
Alle diese Sätze haben eines gemeinsam: sie sind hartherzig
und kalt.
Sie entspringen einer Weltsicht ohne Gott.
Deshalb sind es allesamt Lügen.
Die Leistungsgesellschaft ist eine gottlose und herzlose
Gesellschaft.
Sei weiß nichts von Hingabe und nichts von Geschenken.
Heinrich Kemner, ein westfälischer Pfarrer im verg.
Jahrhundert, erzählte von der Begegnung mit einem Großbauern
seiner Gemeinde.
Kemner plante einen großen Jugendtag und bat die Bauern um
Unterstützung durch Naturalien.
Und da fertigte einer dieser Bauern den Pastor mit der
Bemerkung ab:
„Von
mir kriegst Du nichts. Mir hat auch keiner was geschenkt.“
„So?“
– antwortete Kemner. „Zwei
Söhne hast Du wohlbehalten aus dem Krieg zurückbekommen. Du bist
gesund. Und deinen Hof hast Du geerbt. Sage nie mehr, Dir sei nichts
geschenkt worden.“
Es ist so: Wer sich sein Einkommen durch eigene Arbeit
erwerben kann, der kann Gott jeden Tag dankbar sein – für die
guten Startvoraussetzungen:
Für seine Familie, die ihn seelisch stabil hat werden lassen;
für die Ausbildung; für die Arbeitsstelle und und und…
Mose gab dem Volk die Anweisung zur täglichen Arbeit: Sammelt
morgens das Brot Gottes ein. Sammelt für jeden in eurem Zelt einen
Krug voll.
Und dann passierte dieses sprechende Wunder: egal, wie viel
jemand leistete – es reichte in jedem Zelt. Gott füllte dort den
Mangel aus, wo er drohte.
Und ließ den Überfluss da zerfließen, wo einer mehr hatte,
als er brauchte.
Uns ist alles fürs Leben geschenkt. Und zwar jeweils für die
Gegenwart.
Wie ernst nehmen wir unser Gebet, wenn wir im Vater Unser
beten:
„unser
tägliches Brot gib uns heute“
– täglich – heute.
Zweimal wird das betont:
Gott sorgt für sein Volk – und zwar immer in dem Maß, wie
wir es brauchen.
Erfahrungen machen wir damit dann, wenn wir Gott eine Chance
dazu geben.
Eine Bekannte, die mit wenig Einkommen lebt, erzählte, wie
sie einmal nicht wusste, ob sie den Monat ohne Schulden überstehen
würde.
Und gerade, als es nicht weiterging, bekam sie einen Brief, in
dem ein Geldschein war. Ein
Verwandter hatte an sie gedacht – Ich bin sicher:
Gott hat diesem Menschen genau im richtigen Moment den
richtigen Gedanken ins Herz gegeben. Auch so kann Gott Menschen
versorgen!
Paul Deitenbeck, ein anderer alter Pfarrer hatte in besonderer
Weise die Gabe des Schenkens. Er sagte zum Thema Besitz:
„Es
ist doch nicht die Frage, wie viel ich abgeben muss. Vielmehr frage
ich mich, wie viel ich behalten darf.“
Das ist die Frage eines fröhlichen Gebers.
Und den hat Gott ja bekanntlich besonders lieb.
Israel kam in die Wüste, damit sie Erfahrungen mit Gott
machten.
Äußerlich ging es ihnen tatsächlich erstmal schlechter –
und die Zukunft sah auch nicht gerade rosig aus. Aber gerade in
dieser Zeit geschahen die wichtigsten Lektionen in Sachen
Gottvertrauen.
Niemand sehnt sich eine Krise herbei. Und doch:
Gerade in den schweren Phasen des Lebens sind die
entscheidenden Lernschritte verborgen. Also stimmen wir nicht allzu
schnell in das Murren und Klagen ein.
Unser Herr hat gesagt:
Gott
weiß, was ihr braucht.
Und
er wird es euch gerne geben, wenn ihr nur bittet.
Amen!
Björn Heymer
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