Predigt am 1. 06. 2008 über 1.
Korinther 9, 16 - 23 -
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„Wie
viele Personen braucht es, um bei einem Lutheraner eine Glühbirne
auszuwechseln?“
Mit dieser Frage eröffnet Michael Herbst einen Beitrag in der
aktuellen Ausgabe einer Zeitschrift für Gemeindeaufbau.
Also: Wie Viele Menschen braucht es?
Wer noch die alten Ostfriesenwitze kennt, erinnert sich
vielleicht:
Da waren es fünf: Einer, der die Glühbirne festhält und
vier, die den Stuhl drehen, auf dem der eine steht.
Aber bei einem Lutheraner?
Michael Herbst gibt die Antwort: Überhaupt keinen!
Wieso? Weil der Lutheraner sagen wird: „Wie kannst Du es wagen, diese Glühbirne auszutauschen? Sie wurde mir
vor 28 Jahren von meiner Großmutter vermacht. Deshalb wird hier gar
nichts ausgetauscht!“
Klar, so wie dieser Lutheraner wollen wir nicht sein. Auf gar
keinen Fall!
Wir wollen doch nicht Gemeinde als eine Art Naturschutzgebiet
pflegen, in dem sich möglichst gar nichts verändern darf, weil es
schon immer so war.
Wir wollen doch, dass auch die nächste Generation sich vom
Evangelium angesprochen weiß. Wir wollen doch, dass auch Menschen
des einundzwanzigsten Jahrhunderts den Glauben an den Auferstandenen
als Botschaft der Befreiung hören und annehmen.
Wollen wir das wirklich?
Wenn ja, - so folgert Michael Herbst, dann müssten wir auch
bereit sein, Glühbirnen auszuwechseln:
Ohne Bild gesprochen: wir müssten uns fragen:
Taugt das, was wir in der Gemeinde tun, noch zur Weitergabe
des Evangeliums?
In einer Zeit, in der Vieles im Wandel ist.
Taugt die Art, wie wir Gottesdienste feiern?
Taugen die Themen, die wir in unseren Hauskreisen besprechen?
Was tun wir, damit Menschen hier in ihrem Glauben wachsen können?
Oder haben wir diese Erwartung längst aufgegeben?
Pflegen wir in der Gemeinde doch so etwas wie ein
Naturschutzgebiet für eine aussterbende Spezies: nämlich an Jesus
glaubende Menschen?
Wir hören heute auf Paulus – Sätze aus einem Brief, den er
an Christen geschrieben hat. Paulus hat sich nie damit zufrieden
gegeben, wie Menschen nun einmal waren. Er war bewegt von der Überzeugung:
Gott will Menschen retten aus ihrer Gottlosigkeit.
Und um dazu beizutragen, dazu waren Paulus alle Mittel recht.
Ich möchte mich allen gleichstellen, um auf jede erdenkliche Weise
wenigstens einige Menschen zu retten und für Christus zu gewinnen.
Paulus war in einer höchst ärgerlichen und irritierenden
Weise unberechenbar:
Als Gast in einem jüdischen Haus war er ganz der fromme Jude.
Er hielt sich peinlich genau an alle Speisevorschriften, er
sprach natürlich die festen Gebete zu jeder Gelegenheit. Und den
Kontakt mit Heiden? – den vermied er, wenn er mit Juden zusammen
war.
Nur: derselbe Paulus konnte im nächsten Ort mit ganz anderen
Leuten zusammen sein – und Dinge tun, die seinen Gastgebern von
gestern ein Horror gewesen wären: er aß und trank auf einmal, was
man ihm servierte – ohne zu fragen, ob das Fleisch korrekt
geschlachtet worden ist, ob die Gesetze der Trennung eingehalten
wurden (natürlich wurden sie nicht!) und so weiter.
Böse Zungen behaupteten: „Auf
diesen Paulus kann man sich überhaupt nicht verlassen. Er ist wie
ein Chamäleon. Er passt sich an, wo er gerade ist.
Von
Prinzipien scheint er nichts zu halten.“
So ähnlich beschreibt Paulus es selbst, aber er erklärt
auch, weshalb er so lebt:
Um möglichst viele für Christus zu gewinnen, habe ich mich zum Sklaven
aller Menschen gemacht.
Damit ich die Juden für Christus gewinne, lebe ich wie ein Jude:
Wo man alle Vorschriften des jüdischen Gesetzes genau befolgt, lebe ich
auch danach, obwohl sie für mich nicht mehr gelten. Denn ich möchte
auch die Leute gewinnen, die sich dem Gesetz unterworfen haben. Bin
ich aber bei den Menschen, die ohne diese Gesetze leben, dann passe
ich mich ihnen genauso an, um sie für Christus zu gewinnen. Das
bedeutet aber nicht, dass ich mich gegen Gottes Gebote stelle. Ich
befolge das Gesetz, das Christus uns gegeben hat.
Wenn ich bei Menschen bin, deren Glaube noch schwach und unsicher ist,
achte ich sorgfältig darauf, ihnen nicht zu schaden.
Das ist es, was ihn bewegt: Er möchte Menschen für Christus
gewinnen.
Dafür ist er bereit, auf lieb gewordene Bräuche zu
verzichten.
Ja, sogar gegen Überzeugungen und Ordnungen zu handeln, die
er früher mal für absolut unverzichtbar hielt.
Und das erwartet er von denen, die wie er das Evangelium
weitergeben wollen:
Es geht nicht mehr um eine spezielle Form von Frömmigkeit.
Sondern um den lebendigen Sohn Gottes und seine Liebe zu den
Verlorenen.
In Korinth waren einige sich nicht sicher, aus welchem Antrieb
heraus Paulus handelte. Und ebenso stellt Paulus uns heute die
Frage:
Was bewegt uns zum Handeln? Was treibt uns an?
Was Paulus hier schreibt, ist nicht gerade eine Werberede, um
Ehrenamtliche zu motivieren.
Hätte ich die Aufgabe freiwillig übernommen, so könnte ich dafür Lohn
beanspruchen. Doch Gott hat mich dazu beauftragt; ich habe keine
andere Wahl. Aber worin
besteht denn nun mein Lohn? Darin, dass ich jedem die Botschaft von
Jesus verkündige, und zwar ohne Bezahlung und ohne auf meine Rechte
zu pochen.
Ist es bei uns doch so: jeder Einsatz will wahrgenommen
werden.
Menschen wollen doch auch Dank hören – oder irgendeine
andere Form der Aufmerksamkeit.
Paulus nennt das Lohn – und entlarvt einen gefährlichen
Mechanismus:
Wer in der Gemeinde nach Dank giert – der ist nicht frei.
Der sucht zuerst mal was für sich, aber nicht für Gott.
Paulus:
Dass ich die rettende Botschaft verkündige, ist allerdings kein Anlass,
mich zu loben; ich muss es tun! Dieser Aufgabe kann ich mich unmöglich
entziehen. Sonst würde Gottes Strafe mich treffen. Ich bin also
frei und von niemandem abhängig.
Noch einmal: Was bewegt uns zum Handeln? Was treibt uns an?
Warum
tust Du, was Du tust? Was willst Du erreichen? Was ist Dir wichtig?
Paulus beantwortet die Frage nach dem inneren Antrieb so:
Dies alles tue ich für die rettende Botschaft, damit auch ich Anteil an
dem Segen erhalte, den sie verspricht.
Er möchte Anteil an dem Segen bekommen, den das Evangelium
verspricht.
Ist das Evangelium nicht frei und umsonst? Doch, ja.
Trotzdem hat Jesus auch sehr eindringlich gemahnt:
Was
nennt ihr mich Herr, Herr – und tut nicht, was ich Euch sage?
Das Evangelium ist die rettende Botschaft - für die
Verlorenen dieser Welt.
„Glaubt
doch nicht, ich sei für die Gesunden gekommen! Die Kranken brauchen
den Arzt – nicht die Gesunden.“
Wissen wir um unsere eigene Verlorenheit – solange wir ohne
Christus sind?
Und wissen wir um die Verlorenheit der Anderen – die Jesus
nicht kennen?
Heute feiern wir das Mahl Jesu miteinander – es ist die
Tischgemeinschaft der Verlorenen. Der Menschen, die in Jesus ihren
Rettungsanker gefunden haben.
Das Mahl will uns der Segen sein, von dem Paulus spricht.
Brot und Wein sind der Vorgeschmack auf das Fest im Himmel.
Wer davon essen darf, in dem wächst die Liebe zu den
Verlorenen.
Wir sind eingeladen!
Amen!
Björn Heymer
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