Predigt am 27.04.2008 über Matthäus
14, 22 - 34 -
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Ihr Lieben,
meine
Tochter Heinke, jetzt bald acht Jahre alt, fragte mich vor ein paar
Tagen:
Warum
werden im Kindergottesdienst immer nur Geschichten erzählt, die ich
schon kenne?
Das
Problem ist klar – und verschärft sich, je älter wir werden:
Die
Anzahl der biblischen Geschichten ist begrenzt. Warum noch hinhören,
wenn man schon weiß, wie es ausgeht? Wie eben – bei dieser
Geschichte vom Gehen auf dem Wasser. Was kann uns das noch sagen?
Nun
ist die Bibel anders als andere Bücher: diese Geschichten wollen
nicht unterhalten. Sie wollen herausfordern und trösten. Denn sie
erzählen nicht etwas Beliebiges, sondern hier kommen Menschen zu
Wort, die etwas bezeugen:
Der
lebendige Gott hat in mein Leben eingegriffen. Sichtbar und konkret.
Um
eine bezeugte Erfahrung geht es – um echtes Leben. Und deshalb dürfen
wir erwarten: so wie damals kann und will Er es wieder tun. Deshalb
mag eine Geschichte bekannt sein – alt und unwichtig wird sie
deshalb noch lange nicht. Es geht hier um eine Grunderfahrung. Um
etwas, das sich wiederholt. Deshalb lohnt sich das Hinhören.
Nach
einem langen Tag schickt Jesus die Jünger ins Boot – um nach
Hause zu rudern. Er selbst bleibt zurück. Er betet auf dem Berg
oberhalb des Ufers.
Wir
waren ja vor vier Wochen dort – am Nordufer dieses Sees in Galiläa.
Wir
standen auf jenem Berg und wenn man da steht, dann hat man das, was
in der Bibel erzählt wird, ganz klar vor Augen. Wenn in jener Nacht
der Mond geschienen hat, dann konnte Jesus ganz genau sehen, wie es
den Jüngern ergeht. Sie bekommen Gegenwind und mühen sich ab. Bis
heute haben die Windverhältnisse sich nicht geändert. Sie wollten
nach Osten – und abends, wenn es auffrischt, dann kann das
schwierig werden.
Darum
schafften sie es nicht, ihr Ziel zu erreichen. Der Wind und die
Wellen sind ihr Problem.
Und
dann – gegen Morgen - geht Jesus auf den Wellen zu ihnen.
Er
steht auf den Wellen – für ihn sind sie kein Problem.
Dies
erfordert eine Erklärung auf zwei Ebenen: real scheint es so zu
sein, dass Jesus, der Sohn Gottes, sehr souverän mit den
Naturgesetzen umgehen konnte. Unerhört aber vielfach bezeugt. Nur:
bitte baue niemand darauf seinen Glauben!
Die
Bedeutung dieses Geschehens geht über das Spektakel weit hinaus:
Jesus steht über den Wellen. Das ist die Grunderfahrung der Jünger,
die sie immer wieder machten. Jesus ist der Herr all dessen, was
Dich bedroht!
Was
Dir das Leben schwer macht und was dich konkret hindert, das Ziel zu
erreichen, das du dir vorgenommen hast.
Die
Jünger hatten mit Widerstand zu kämpfen – und kommen einfach
nicht dorthin, wohin sie wollten. Und das, wo sie verstanden hatten:
Jesus hat sie losgeschickt.
Und
dann entdecken sie:
Was
für sie ein Problem ist, da steht Jesus drüber! Ihn hindert das
nicht!
Erst
mal kriegen sie einen Mordsschreck: Scheinbar kommt noch ein Problem
auf sie zu. Noch etwas, was ihnen Angst einjagt. Manchmal ist man ja
so gefangen, dass man selbst das als störend empfindet, was einem
helfen könnte. Ihr Misstrauen lässt sie zusammenzucken und macht
sie blind für Jesus.
Mitten
drin – geradezu auf dem Höhepunkt der Ereignisse, stellt Jesus
diese Frage: „Hast du so
wenig Glauben, Petrus? Vertrau mir doch!“
Jesus
lädt ein zum Vertrauen. Damit haben wir heute eingeladen.
Vertrauen
ist besser! Damit haben wir uns im Vorbereitungskreis beschäftigt.
Und
wir haben gemerkt: Es ist alles Andere als leicht, diesem Satz von
Herzen zuzustimmen. So viele Aber – Sätze springen uns gleich an.
Aus
der Arbeitswelt hören wir:
Mit
Vertrauen geht gar nichts! Die Kassiererinnen in den Supermärkten
werden per Kamera überwacht, alle Naselang wird noch ein neuer
Kontrollbogen eingeführt. Jeder Schritt wird dokumentiert.
Controlling
ist in vielen Firmen heute eine eigene Abteilung – und beileibe
nicht die Kleinste!
Vertrauen ist besser? Träum weiter!
höre ich von den Erwachsenen, die vor allem an ihren Beruf denken.
Das Gegenteil von Vertrauen ist gang und gäbe.
Auf
der anderen Seite: das ist nur ein Teil der ganzen Wirklichkeit.
Wir
kennen Bereiche, wo es ohne Vertrauen gar nicht geht – oder nur
sehr schwer:
Es
tut einfach gut, mit Menschen zusammen zu sein, auf die man sich
verlassen kann. Wir brauchen das auch!
Wer
niemandem vertraut, von dem ziehen sich die meisten Menschen schnell
zurück.
Gerade
wenn man viel Stress hat, verkrampft man sich schnell – und
schafft es kaum, innerlich ruhig zu bleiben, weil die Sorgen in
einem fressen.
Wie
gut tut es, wenn dann einer hören kann: „Mach dir keine Sorge!
Auch wenn Du eine große Last tragen musst. Ich helfe Dir dabei!“
Das
ist eines der Versprechen Gottes in der Bibel:
Er
hilft dem, der schwer zu tragen hat.
Darauf sollten wir vertrauen.
Dann
geht’s leichter! – Echt wahr!
Und
uns fielen die Kinder ein – die Jesus ja als die wahren
Glaubenslehrer bezeichnet hat.
Was
passiert bei Ihnen zu Hause eigentlich, wenn es an der Tür
klingelt?
Also,
meine Kinder sind jedes Mal völlig aus dem Häuschen und reißen
sich darum, wer aufmachen darf. Besuch – das ist immer spannend
und aufregend.
Ich
selber ertappe mich beim Gedanken: Wer ist das denn nun wieder? Wer
stört?
Und
bei alten Leuten – da wird erstmal durch den Spion gelinst –
dann werden die Ketten gelöst und die Tür wird einen Spalt weit geöffnet.
Man
weiß ja nicht, wer da vor der Tür steht!
Kinder
haben es offenbar leichter mit dem Vertrauen – und sie scheinen
dabei ganz glücklich zu sein.
Warum?
Sie sind offenbar noch mehr angefüllt mit der Grunderfahrung:
„Ich
komme nicht zu kurz; Es geht mir gut.“
Neulich
war meine Familie für ein paar Tage in Holland. Es hat die ganze
Zeit geregnet. Und so waren die Erwachsnen entsprechend frustriert.
Unser
Sohn Till dagegen erzählte mit leuchtenden Augen: Es war super!
Warum?
Warum konnte er ganz unbefangen das sehen, was trotz des Regens
einfach gut war – das Schwimmbad. Die Gemeinschaft mit den
Cousinen.
Ihm
reichte das, weil er, glaub ich, mehr Vertrauen hat.
Vertrauen
macht es leichter, das Gute im Leben zu entdecken.
Misstrauen
färbt unser Leben dunkel ein – und kann uns krank machen.
Misstrauen
lässt schneller den Mangel spüren – Misstrauen ist im Tiefen
auch ein Ausdruck von Gottlosigkeit.
Während
Vertrauen nichts Anderes ist als ein anderes Wort für Glauben.
Simon
Petrus machte es vor: er vertraute Jesus – solange er Blickkontakt
hatte. In dem Moment, wo er auf die Wellen schaute, begann er zu
sinken.
Das
Vertrauen, zu dem ich heute ermutigen will, ist nicht einfach das
Motto:
„Kopf
hoch! Das wird schon!“ Das wäre tatsächlich etwas naiv oder blauäugig.
„Schau
weg von dir und deinen Grenzen! Schau auf Jesus! Er ist Herr über
das, was Dir Angst macht. Darum geht es beim Vertrauen.
Die
Geschichte endet mit einer versteckten Pointe: am Ende gelangen die
Jünger in ihrem Boot gar nicht dorthin, wo sie eigentlich hin
gewollt hatten: sie kommen nach Ginossar – am Westufer. Dabei
sollte die Fahrt nach Kapernaum gehen – am Nordostufer. Jesus ist
bei ihnen – das ist wichtiger.
Können
wir auch das übertragen? Gelingt uns auch nicht immer, was wir
vorhaben?
Sind
wir heute auch nicht da, wo wir eigentlich hin gewollt hatten?
Entscheidend ist: Haben wir Jesus im Boot?
Dann
können wir getrost annehmen, wie es ist.
Amen!
Björn Heymer
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