Predigt (in Brüggen) am 16.03.2008
über Markus 14, 3 - 9 - Drucken
Ihr
Lieben,
das
ist schon eine seltsame und zugleich herausfordernde Geschichte:
Simon
der Aussätzige wohnte in Bethanien, einem Dorf, vielleicht eine
Stunde entfernt von Jerusalem. Er hatte Jesus und seine Jünger zum
Abendessen eingeladen
Man
sitzt beieinander, entspannt sich nach einem langen Tag –
und
auf einmal platzt eine fremde Frau in die Männergesellschaft und
macht Ärger.
In
der Hand hält sie ein Glasfläschchen mit Deckel. (zeigen)
Es
ist gefüllt mit einem sehr teuren Parfüm.
Nun
öffnet sie dieses Glas nicht etwa vorsichtig, um ein paar Tropfen
zu verspritzen –
Nein,
sie tritt neben Jesus und bricht den Hals ab und gießt den ganzen
Inhalt Jesus über den Kopf. Schlagartig erfüllt ein betäubender
Duft das ganze Haus.
Wir
hatten vor ein paar Jahren einen Marketingleiter aus der
Kosmetikbranche in der Gemeinde. Mit dem habe ich über diese
Geschichte gesprochen und das war hoch interessant.
Ich
hab ihn gefragt, ob wir das nachstellen könnten und er hat
abgeraten:
Wenn
wir so einen ganzen Flacon mit Parfum so einfach ausgießen würden,
dann würde vermutlich einigen schlecht werden. So ein Duft ist
einfach zu konzentriert.
Er
hat mir dann ein Parfum besorgt und wir verteilen jetzt etwas
dezenter einen Duft.
Helfer
verteilen den Duft
Was
für eine Verschwendung! Das schoss den meisten durch den Kopf -
damals.
Heute
auch? Im Stillen hab ich schon gedacht:
Na,
vielleicht bleibt heute was übrig – dann hat man später noch was
davon.
Parfüm
war schon immer ein Luxus. Nur was für die Reichen und Schönen.
Die
Frau leistete sich Narde – das wurde aus einer Wurzel gewonnen,
die nur im Himalaja wächst – einem Gebirge in Nordindien.
Tausende von Kilometern entfernt von Israel.
300
Silberstücke war der geschätzte Preis. Das ist so viel, wie ein
Arbeiter im ganzen Jahr verdienen konnte. Nach heutiger Kaufkraft
geschätzte 20.000,-- - 30.000,-- €
Und
das einfach so ausgeschüttet – für einen Moment, der verfliegt.
Das
ist so, als wenn man sich mit einem 500,-- Schein die Zigarre anzündet,
oder?
Wahnsinn!
Was hätte man mit dem Geld nicht alles tun können!
Für
vernünftig rechnende Christenmenschen ist dies eine ärgerliche
Geschichte.
Auch
die Jünger reagieren so – und sagten das auch sehr deutlich.
So
deutlich, dass die Frau offenbar begann, zu weinen.
Und
was machen wir nun heute mit dieser Geschichte? Können wir was
daraus lernen?
Es
geht um Reichtum – und um die rechte innere Einstellung dazu.
1.
Empörung über Luxus und Verschwendung bei den Jüngern
2.
innere Freiheit und Hingabe bei der Frau
3.
die Fähigkeit zum Genießen bei Jesus
Ich
beginne mit den Jüngern – sie sind uns in ihrer Empörung wohl am
vertrautesten, oder?
Sie
kannten Jesus nun – nach drei Jahren der Gemeinschaft - doch
ziemlich gut.
Sie
hatten erlebt, wie er Hungrige satt gemacht hatte.
Er
hatte immer ein offenes Ohr für die Rufe der Ärmsten, der Kranken
und Bettler.
Wie
Vielen hat er spontan geholfen! Nie hat er Geld oder Besitz für
sich genommen. Freiwillig wurde und blieb Jesus ein äußerlich
Armer.
Und
dass Verschwendung nicht in Gottes Sinn sein kann, das leuchtet doch
wohl jedem ein.
Ganz
mal abgesehen davon, dass die Frau sich ungebührlich verhält –
so einfach in das Gastmahl hereinzuplatzen. Dann noch so mit ihrem
offensichtlichen Reichtum aufzutrumpfen – peinlich und ärgerlich,
oder? Sicher schwang auch etwas Neid bei ihnen mit:
Was
die sich leisten kann! – aber das gibt ja keiner zu.
Zum
Glück gibt es in ihrem Verhalten etwas, was ganz unbestreitbar
falsch ist:
Man
hätte viel Gutes tun können mit diesem wertvollen Fläschchen!
Diese
Empörung kann man doch wohl ohne Risiko äußern.
Ich
muss an ein Gespräch denken mit einem jungen Ehepaar, die in die
Kirche eintreten wollen. Wir sprachen über Grundthemen des
Glaubens.
Bald
kam der Mann darauf, dass die Kirche in der Vergangenheit doch auch
viele Reichtümer angesammelt hat. Und er fragte: Wozu braucht es
einen Dom oder goldene Reliquienschreine – wenn gleichzeitig
Menschen hungern?
Eine
ganz natürliche und berechtigte Frage. Wer so empfindet, der hat
einiges von Jesus verstanden, oder? Viele halten Kirche deshalb für
gut, weil sie Gutes tut.
„Ja“
sagt Jesus, „recht habt ihr. Ihr werdet immer Arme bei Euch
haben.
Wenn
Ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun. Nur: das ist nichts
Besonderes.“
Gutes
zu tun ist gut. Nur: es ist nicht einmal besonders christlich. Jesus
war Jude und Taten der Barmherzigkeit gehören ganz selbstverständlich
auch zum jüdischen Glauben.
Auch
im Islam gehören die Almosen zu den Grundsäulen des Glaubens.
Ihr
könnt das alles gerne machen – aber: damit seid ihr noch nicht
auf meiner Spur!
Diese
Geschichte fand statt lange vor Pfingsten! Die Jünger hatten
einiges gelernt von Jesus – aber das Entscheidende hatten sie noch
vor sich: die Gabe des Geistes Gottes.
Pfingsten
stand ihnen noch bevor. Nur so ist zu verstehen, weshalb die Jünger
in der ganzen Passionszeit geradezu auf ganzer Linie versagt haben:
Sie
verstanden Jesus nicht. Sie leugneten, ihn zu kennen. Sie überschätzten
sich maßlos. Angst ergriff sie. Einer verriet ihn. Sie zogen sich
zurück und überließen das Begräbnis einem Anderen. Selbst nach
der Auferstehung zweifelten etliche noch.
All
das verstehen wir nur, wenn wir uns klarmachen:
Die
Jünger waren noch nicht erfüllt und geleitet vom Heiligen Geist.
Die
Jünger sind uns in dieser Geschichte kein Vorbild.
Eher
sind sie ein Spiegel für ein Leben ohne Geist Gottes.
Bis
heute gibt es in der Kirche Engagement ohne Geist Gottes.
Immer
da, wo Christen ganz gut zu wissen glauben, was christlich ist und
was nicht.
Wir
setzen uns ein für Barmherzigkeit, für die Gemeinde und was sonst
noch.
Gleichzeitig
empören wir uns auch trefflich, wenn etwas passiert, was sich
einfach nicht gehört – im christlichen Verhaltenskodex.
Und
finden uns hier wieder: bei den Jüngern, die nicht geleitet sind
vom Geist Gottes.
2.
Wie ganz anders diese Frau, von der wir nicht einmal den Namen
wissen.
Offenbar
gehörte sie zur Oberschicht – vielleicht war sie gar eine Angehörige
des Königshofes – eine echte Rojal. Sonst hätte sie wohl kaum
ein solches Parfüm gehabt.
Aber
das ist nicht wichtig! Jesus beschreibt das, was sie getan hat, mit
den Worten:
„Sie
hat getan, was sie konnte“ – ohne Berechnung, ohne eine
erkennbare Sorge um sich selbst. Sie hat nicht gefragt, was sie
davon haben könnte. Sie hat Jesus endlich gefunden!
Wie
lange mag sie schon nach ihm gesucht haben!
Hier
kommt es endlich zu einer Begegnung. Diese Frau wusste, wer Jesus in
Wahrheit ist.
Deshalb
dieser - menschlich gedacht – so sinnlose Akt.
Wo
immer jemand plötzlich das erkennt:
Dieser
Jesus, das ist Gott, der für mich ist. Der meinen Namen kennt und
der mich freundlich ansieht. Hier ist nicht Religion gefragt, nicht
meine Überzeugung, sondern Hingabe.
Jesus,
hier bin ich. So lange hab ich die Sehnsucht gespürt, nah bei Dir
zu sein – und jetzt bin ich angekommen. Jetzt ist alles andere
egal. Nur Du bist wichtig.
Da
hört alles Sorgen um die eigene Zukunft auf. Da ist Raum, auch
etwas Verrücktes zu tun.
Wir
haben in Raderthal Kontakt zu einem alt gewordenen Ehepaar.
Die
hatten ein kleines Unternehmen. Und vor über dreißig Jahren haben
sie alles verkauft, was ihnen Sicherheit vermittelte: Die Firma, ihr
Haus in Raderthal, alles!
Sie
folgten dem Ruf Gottes. Am anderen Ende der Welt, auf den
Philippinen, haben sie Menschen geholfen, Jesus zu finden und mit
ihm zu leben.
So
was erntet in aller Regel Kopfschütteln und vielleicht sogar
Protest.
Und
doch sagt Jesus: „Wo immer das Evangelium gepredigt wird, da
wird man auch davon sprechen, was diese Frau hier getan hat.“ Warum?
An
ihr können wir bis heute erkennen, was Hingabe ist. Was es heißt,
sein Leben ganz an Jesus zu geben. An ihr wird auch deutlich, dass
wir Glauben nicht machen können, sondern dass Glauben an Jesus
geschieht, wo der Geist Gottes einen Menschen ergreift.
Warum
ich hier vom Geist Gottes rede?
Aus
zwei Gründen: solche selbstlose Hingabe – das kann ich mir sonst
nicht erklären.
Und
das Andere: der Wohlgeruch des Parfüms hatte in der Antike immer
auch etwas mit der Verbindung zur Wirklichkeit Gottes zu tun.
Salbung bedeutete ursprünglich Geistempfang.
Was
mich an der Geschichte herausfordert: Rechne
ich noch mit solchen erfüllten Momenten in meinem Leben?Momente, in denen meine ganze Hingabe die einzige angemessene Reaktion
ist? Und dann dies: Traue
ich Gott zu, dass er Anderen so begegnet?
Die
Erzählung von dieser Frau ist eine Bekehrungsgeschichte.
Sie
übergibt alles, was sie hat, sich selbst - an Jesus. Und Jesus
nimmt sie an, so wie sie ist.
Diese
Frage höre ich daraus für uns heute: wie leicht oder schwer fällt
es uns, etwas Wertvolles herzugeben für einen heiligen Zweck?
3.
Auch von Jesus können wir uns heute herausfordern lassen:
Er
lässt sich das Ganze gefallen. Er protestiert nicht. Er genießt es
dankbar. Das ist die andere Seite: Wann
habe ich zuletzt etwas ganz ohne schlechtes Gewissen genossen?
Wie
leicht oder schwer fällt es mir, mir etwas Kostbares schenken zu
lassen?
Ohne
sofort zu denken: was kann ich als Dank tun?
Es
ist so wichtig, dass wir uns wirklich beschenken lassen können. Lesen: Sirach 14, 3-14
Wer
das nicht kann, der wird es immer schwer haben, Gott seine Gnade zu
glauben.
Und
dann tut Jesus ja noch ein Weiteres: er deutet diese Salbung – und
versteht sie damit tiefer, als die Frau sie vermutlich gemeint hat: Was
sie getan hat, das ist eine Vorwegnahme meiner Leichensalbung.
Und wirklich: als am Ostermorgen andere Frauen zum Grab kamen –
mit Parfümölen, um den Leichnam zu salben – da war es zu spät.
Da war er bereits auferstanden. So deutet Jesus anhand der Tat
dieser Frau noch einmal an:
„Ich
gehe hinauf nach Jerusalem, und ich werde in die Hände der Feinde
geraten – Sie werden mich töten – aber nach drei Tagen wird
Gott mich auferwecken.“
Mitten
auf dem Passionsweg erfüllt der Duft des neuen Lebens den Raum.
Jesus
weiß besser als wir, worauf unser Leben hinausläuft. Jeder
Gottesdienst ist ein kleines Fest des Sieges über den Tod. Das dürfen
wir heute auch mit der Nase begreifen.