Predigt am 16. 03. 2008 über Johannes
12, 12 -19 -
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Predigt Joh 12,12-19 Palmsonntag in K-Raderthal
Thema: was es in der Karwoche zu feiern gibt. Palmsonntag – mit diesem
Sonntag beginnt sie, die sog. Stille Woche oder auch die Karwoche.
Kar kommt von ahd. Klaren, trauern. Karfreitag – Feiertag. Der höchste
Feiertag der Protestanten – hieß es früher mal. Was gibt es da
zu feiern?
Heute, Palmsonntag:
Jesus zieht auf einem Esel als König in Jerusalem ein. Das ist
seine Art und Weise geblieben bis heute. Er
kommt auf Eseln und Eselinnen geritten; überall hin.
(Lektor/in; Prediger) Hat er Sie auch schon mal als Esel/in benutzt?
Wie war das?
Jesus kommt als König
der ganzen Welt und doch reitet er ‚nur’ auf Eseln, unscheinbar,
niedrig, übersehbar, überhörbar. Ohne große Machtdemonstration,
kein Papamobil, keine militärischen oder protokollarischen Ehren,
kein ausgerollter roter Teppich und keine Bodyguards. Sanftmütig
kommt er nach Jerusalem, die Hauptstadt. Hier muss die Entscheidung
über seine Herrschaft, die endgültige Machtfrage fallen. Es ist
der Weg ins Leiden, in die Niedrigkeit, ans Kreuz. Im JohEv klingt
auch ein anderer Ton an: V
14. Das ist alles andere als wehleidig. Das ist nicht die
Haltung eines Menschen, der nicht weiß, was er will. Hier kein Enttäuschter,
kein Frustrierter. Der hat nicht resigniert aufgegeben angesichts
der Dummheit und Ablehnung der Menschen. Jesus weiß nach dem JohEv
genau, was auf ihn zukommt. Bei Mt klingt es etwas anders:
der Herr bedarf ihrer… Im JohEv reagiert Jesus nicht; er wird
als souveräner Herr der Ereignisse beschrieben. Er
begibt sich nach Jerusalem.
Er begibt sich in die Hände der Menschen. Er
geht aktiv auf sein Kreuz zu. Er ist in der ganzen PG niemals überrascht
über den Gang der Ereignisse. Er ist auch auf dem Weg ans Kreuz der
Herr der Lage.
Bei der Gefangennahme heißt es: jetzt ist die Stunde da! Als Petrus ihn verteidigen will und dem
Knecht des Hohenpriesters ein Ohr abhaut, wird der König der
Sanftmut sichtbar. Steck dein
Schwert in die Scheide! – Soll ich den Kelch nicht trinken, den
der Vater mir gegeben hat? (19,11) Das ist das Bild von Jesus,
unserem König: erniedrigt bis zum Äußersten und doch souveräner Herr.
Genauso ist sein
Evangelium bis heute. Er hält durch die Worte der Prediger/innen,
auch durch die Worte derer, die in Hauskreisen eine Bibelauslegung
bringen niedrig, oft mickerig und allzumenschlich Einzug in die
Welt, in dein Herz. Das Wort ist Spielball irdischer Mächte,
Spielball der Meinungen und Ideologien, Spielball der Moralisten und
Politiker. W Jens: die freie
Rede verträgt sich mit keiner Form der Diktatur und gewaltsamen
Machtausübung! Das Evangelium wird nie abhängig. Man kann den
Boten/Botinnen des Evangeliums eins niemals nehmen: die königliche
Freiheit. Denn das Evangelium läuft, wie Gott es will! Es wird
niemals abhängig von Diktatoren und Gottesleugnern. Erinnerung an
die Zeit der Bekennenden Kirche / Führerprinzip – DDR Regime. Es
kommt souverän zum Ziel, auch hier bei uns in Köln. So wie es dem
König der Herrlichkeit ergeht, so ergeht es seinem Wort und seiner
Gemeinde: abhängig, verspottet, Spielball der Mächte und
gleichzeitig unabhängig, souverän und frei!
Der Einzug in
Jerusalem geschieht wenige Tage vor der Kreuzigung, aber auch wenige
Tage vor Ostern, vor der endgültigen Einsetzung Jesu zum König der
ganzen Welt. Wer den Tod für das letzte Wort hält; wer im Leiden
und Sterben einen Bereich sieht, in dem Gottes Macht zu Ende ist, für
den/die ist der Einzug Jesu in Jerusalem ein grausiger Irrtum. Wer
aber vom JohEv lernt, das Kreuz Jesu als den Siegesort
Gottes über alle Mächte der Finsternis zu glauben; wer den
Durchblick bekommen hat, dass Golgatha keine peinliche Pleite eines
religiösen Helden war, sondern Erlösungsprogramm Gottes und wer
hinter der grausamen Hinrichtung bereits die aufsteigende Ostersonne
sehen kann, der/die wird in diesem Einzug Jesu den Beginn seiner
Inthronisierung sehen. JohEv: es ist gut für die Welt, für dein
und mein dunkles Herz, dass Jesus diesen Weg ans Kreuz geht. Wer in
diesen Tagen der Passionszeit das neu glauben lernt, was die
Passionslieder unermüdlich betonen: für
mich bist du ans Kreuz gegangen, für den/die steht der Jubel
des Volkes, die Huldigung des Königs auf dem Weg zum Thron der
Macht genau an der richtigen Stelle. Es ist gut für uns alle, wenn
wir uns nicht eher zufrieden geben, bis der Jubelruf (13) auch aus
unserem Herzen diesem König entgegen schallt.
Das Volk sieht zwar
die Zusammenhänge der Heilsgeschichte Gottes nicht. Sie rufen später
bei Pilatus: kreuzige. Das wird dem Volk immer wieder vorgeworfen.
Beides ist nötig. Der Jubel ist die angemessene Form, den Herrn zu
empfangen. Und das ‚Kreuzige’
führt zu ihrem Heil. Sie wissen zwar nicht, was sie tun als sie
jubeln und als sie schreien. Aber wie die Kinder im Tempel getrieben
vom Geist Gottes Jesus zujubeln, so gilt es auch von den Leuten auf
der Strasse und auch von unserem Gesang: aus
dem Munde der Unmündigen hast du, Gott, dir selbst das Lob
zubereitet.
Bei diesem Jubel
handelt es sich nicht um Fangebrüll oder oberflächliche Freude an
guten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Hier entsteht
ein Lobgesang, der immer da aufklingt, wo
Menschen dem lebendigen Gott begegnen und ihre Sehnsucht nach
Leben gestillt wird. (Ich arbeite z.Zt. an einer wissenschaftlichen
Untersuchung der Universität Greifswald mit zur Frage: wie
kommen Erwachsene heute zum Glauben? Ich habe ein Interview
mit einer Frau geführt, die von sich sagte, dass sie sich auf die
Suche nach dem Glauben gemacht und ihn neu entdeckt habe. Was sie
denn bewogen habe, diese suche aufzunehmen? Leuchtendes
Glück auf dem Gesicht des Kindes bei der Taufe è
das will ich auch…) Der einziehende König erfüllt keine vorläufigen,
irdischen Wünsche. Er stellt keine vollkommene Gesellschaft her. Er
verspricht keinen Reichtum für alle und dauerhafte Gesundheit. Er
gibt das, was alle Menschen auf der Erde brauchen: Heil,
untrennbare Liebesgemeinschaft mit dem Schöpfer des Himmels und der
Erde. Er stillt mit seinem Kommen in das Herz eines Menschen das
Sehnen nach Liebe und Geborgenheit. Das Lob darüber bereitet Gott
selbst auf den Lippen des Volkes zu. Das ist der Sinn unseres
Daseins: ihn, unseren Gott, zu loben und zu preisen für das, was er
an uns und für uns getan hat. Wo er einzieht, entsteht das Lob. Es
ist nicht möglich, dass ein Mensch Jesus aufnimmt und gleichzeitig
in der Dunkelheit und im Misstrauen befangen bleibt.
Das, LG, ist der Sinn
von Kirche, die missionarische Volkskirche sein will und sein
soll. Mission bedeutet nichts anderes, als dass der König, der
leidende und siegende Gottesknecht durch sein Wort bei den Menschen
einzieht. Nichts anderes ist das Ziel der Mission: alle Menschen
sollen in dieses Gotteslob einstimmen. Manchen Christen scheint
dieses Ziel zu gering zu sein. Man spricht daher von Stabilisierung
der Kirchen - Mitgliedschaft; von wachsenden Gemeinden. Dabei geht
es gar nicht um die Kirchen. Es geht um den König! Wo er Einzug hält,
können wir nicht anders, als ihn zu loben und ihm mit unserem Leben
die Ehre zu geben. Wir erfahren: er ist der König der ganzen Welt. Er
beauftragt mich, das jedem Menschen in Raderthal, in Köln oder in
Shanghai oder sonst wo auf der Welt mitzuteilen. Man kann nicht ihm
zujubeln und hier im GD feierlich singen: Ehre
sei Gott in der Höhe… und die Welt nicht für seine
Herrschaft ‚erobern’ wollen. Wer anfängt, Jesus zu loben,
der/die gibt keine Ruhe, bis die Welt in dieses Lob einstimmt. Wir können
doch nicht Jesus anbeten und die Menschen um uns herum, die Welt
tatenlos anderen Herren und Mächten überlassen.
Beispiel: JH Wichern / vor 200 Jahren in Hamburg; Raues Haus gegründet. Er
sah um sich herum erschütternde Bilder von Armut, Trunksucht,
Prostitution, Zerrüttung, und besonders: unfassliche
Kinderschicksale. Er nahm sich der Not seiner Zeit an, indem er sog.
Rettungsanstalten gründete mit einem klaren, an der Liebe
Christi ausgerichteten pädagogischen Konzept. Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen, muss die Kirche zu den
Menschen kommen! lautete sein Wahlspruch. Er ging mit der Gründung
von freien Vereinen der gläubigen Gemeinde in die von herkömmlicher
kirchlicher und sozialer Arbeit unerreichten Gebiete – und zwar
ganzheitlich: er verband die soziale Rettungsarbeit mit einer
evangelistischen Bemühung etwa durch die Verkündigung auf Marktplätzen
und in Gasthäusern. Inspirierend für uns bleibt Wicherns
Begeisterung von JC und seine Orientierung an ihm; seine Leidenschaft für die
geringsten Brüder und Schwestern Jesu; sein praktischer,
innovativer Sinn; seine suchende und rettende Liebe zu allen
Verlorenen und die Überzeugung, dass Christsein keine Privatsache
ist.
Die Frage
an uns heute hier heißt: kann der König auf dem Esel, kann die
Karwoche mit dem Bild des leidenden und gekreuzigten Heilandes uns
neu das Herz abgewinnen? Was hindert uns, ihn mit unserem ganzen
Leben, mit Herzen, Mund und Händen zu loben? Wäre das nicht eine
lohnende Aufgabe für uns: bei allen sich bietenden Gelegenheiten
den Einzug des Königs zu proklamieren und andere zum Loben zu
verlocken?
Hermann Kotthaus
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