Predigt am Neujahr 2008 über Johannes
14, 19
Jahreslosung 2008 -
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Ihr Lieben,
Johannes war der
Mensch, der Jesus zu seinen Lebzeiten am nächsten gestanden hat.
Johannes hat der
Kirche und uns etliche ganz kostbare Beschreibungen und Worte von
Jesus erhalten, die von den anderen Evangelisten so nicht berichtet
werden.
Und gerade weil
Johannes und Jesus einander so nah gestanden haben, geht es da
vielfach um die Innerlichkeit der Beziehung zu Jesus.
Vier Kapitel seines
Evangeliums enthalten allein die Dinge, die Jesus kurz vor seinem
Tod noch zu sagen hatte. Seine ganz intensive Vorbereitung der Jünger
auf die Trennung.
Es ist so etwas wie
ein Vermächtnis.
Die Jahreslosung für
das kommende Jahr ist ein Satz aus diesem Vermächtnis unseres
Herrn:
„Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht sehen.
Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.“ Johannes
14, 19
Meine Tochter und ich
lesen gerade das Buch „Die
Brüder Löwenherz“ von Astrid Lindgren.
Sie hat es sich
ausgesucht. Ich kannte es vorher nicht. Jetzt lese ich es ihr abends
vor.
Keine leichte Kost.
Astrid Lindgren bewegt darin ein sehr ernstes Thema:
Sie hatte auf Friedhöfen
wiederholt die Gräber von Geschwistern gefunden –
Kindern, die nie
erwachsen werden konnten, sondern früh starben.
Bei den Brüdern Löwenherz
ist es so: Karl, der Jüngere, ist kränklich.
Die Erwachsenen
ahnen, dass er bald wird sterben müssen.
Aber niemand redet
mit ihm darüber. Bis auf einen – sein älterer Bruder Jonathan.
Der erzählt ihm von
dem wunderbaren Land Nangijala – in das man kommt, wenn man diese
Welt verlässt. Jonathan beschreibt dieses Land Nangijala so
wunderschön, dass es den Kleinen tröstet – und ihm die Angst vor
dem Sterben nimmt.
Aber dann geschieht
etwas Unerwartetes. Ein Feuer bricht im Haus aus – und der kranke
Karl droht, in den Flammen umzukommen.
Jonathan rennt so
eben noch hinein – zu seinem Bruder.
Der Rückweg ist
versperrt – es bleibt nur noch der Sprung aus dem Fenster.
Da nimmt er seinen
Bruder in den Arm und springt. Karl ist gerettet.
Aber: der Retter
stirbt – seine letzten Worte sind an den Bruder gerichtet:
Wir
sehen uns bald in Nangijala.
Und tatsächlich –
kurz darauf stirbt auch der Bruder an seiner Krankheit.
Und die Geschichte
nimmt ihren Lauf im Land Nangijala.
Astrid Lindgren ist
heftig kritisiert worden wegen dieses Buches.
Darf
man so über Sterben und Tod reden?
Bringt
so was nicht Kinder auf die Idee, sich selber das Leben zu nehmen?
Jesus redet auch ganz
offen über das Sterben – und davon, dass dann das Leben erst
beginnt.
Nur
noch einen kurze Zeit und die Welt wird mich nicht mehr sehen.
Und
sie werden glauben, sie hätten mich besiegt.
Sie
werden glauben, es sei erledigt, ich sei erledigt. Wie naiv Menschen
doch sind.
Ich
sage Euch: lasst Euch nicht vom Augenschein täuschen! Ich lebe –
jetzt, das seht ihr ja.
Und
ich werde auch dann leben, wenn ihr mich nicht mehr mit den Augen
seht.
Der
Tod ist nicht das Ende – er ist der Anfang vom Eigentlichen.
Das
werdet ihr sehen – nicht mit den Augen, wohl aber mit dem Herzen
–
So redet Jesus von
der Wirklichkeit des Jenseits.
Nur: Wie geht das? Können
wir das überhaupt – Jesus sehen, der doch tot ist?
Nein, können wir
nicht. Unsere Augen sind Augen der Vergänglichkeit – und taugen
nur für Vergängliches. Die Ewigkeit können wir nur wahrnehmen mit
dem Organ der Ewigkeit.
Und dieses Organ
haben wir nicht.
Jesus nennt dieses
Organ der Ewigkeit den Tröster.
Er ist eine Person
– der Tröster. Der Geist der Wahrheit.
Wenn der kommt in das
Leben eines Menschen, dann gehen einem die Augen auf.
Dann sehen wir die
andere Wirklichkeit.
Dann sehen wir, was
Jesus immer gesehen hat:
dass die sichtbare
Welt nur ein kleiner Teil des Ganzen ist.
Dass Leben mehr ist
als atmen und hier auf der Erde überleben.
Jesus
lebt – das war in den 70er Jahren ein Slogan in frommen
Kreisen, der aufgerüttelt hat.
Paul Deitenbeck,
damals Pfarrer in Lüdenscheid hat ihn wohl so formuliert.
Es gab eine
Anstecknadel – und Viele haben sie getragen.
Eigentlich wäre es
gut, diese Nadel für das kommende Jahr wieder zu beleben.
Jesus
lebt! Das sollten alle wissen.
Jesus ist heute
lebendig – nicht als ein Gedanke oder eine Quelle guter Regeln fürs
Leben.
Sondern als Person.
Als der Sohn des himmlischen Vaters.
So weit, so gut.
Nur: Jesus fährt
dann nicht fort: Ich lebe,
also, nun macht mal.
Nun
baut Gemeinde in meinem Namen. Nun beherzigt meine Lebensregeln.
Oder so etwas. Das
sagt Jesus nicht! Nein – er sagt schlicht dies: Ihr
sollt auch leben!
Das bedeutet hier
nicht: Genießt das Leben.
Lasst es Euch gut gehen. Habt was vom Leben.
So könnte man das ja
hören.
Nein. Jesus
vergleicht etwas: so, wie ich
jetzt sterbe und doch lebe – so sollt auch ihr sein.
Auch
euer Leben wird in den Augen dieser Welt das Leben von Verlierern
sein.
Ja,
ihr werdet euer Leben genauso verlieren wie ich.
Und
dann kommt das, was ich Leben nenne! – sagt Jesus.
Mir fallen einige
andere Worte Jesu ein, die so ähnlich klingen:
„Ich
bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, der wird
leben, auch wenn er stirbt, und wer da lebt und glaubt an mich, der
wird nimmermehr sterben.“ Johannes
11,25f
Auch dieser Satz
macht nur Sinn, wenn Leben
was anderes meint als das, was wir denken.
Wenn Leben meint: in Beziehung zu
Gott sein. Diese Beziehung kann kein Sterben abreißen.
Darum geht es.
Wer
sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden. Markus
8,35 – noch so ein Satz.
In der Rundschau war
gestern der Satz als Neujahrswunsch: Was
hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme
doch Schaden an seiner Seele? Matth
16, 26
Jesus rückt die Maßstäbe
dieser Welt zurecht – was wir hier Leben nennen, das ist nicht
ganz so wichtig, wie wir meinen. Es vergeht mit diesem Leben.
Mehr nicht. Bestand
vor Gott hat es nicht.
Warum sagt Jesus das?
Warum betont er es immer wieder?
Weil Er uns verlocken
will. Verlocken dazu, unser Leben einzusetzen.
Nicht nur für uns
selber zu leben, sondern uns selber hinzugeben in den Dienst für
Andere.
Das hat Jesus selber
getan, als er ans Kreuz ging.
Ihr
sollt auch leben – das meint also: Macht
es wie ich! Das ist Eure Berufung: Hingabe.
Gestern habe ich von
einer ganzen Reihe von Herausforderungen gesprochen.
Herausforderungen,
die ich für die Philippus – Gemeinde sehe.
Ihr
sollt auch leben – das heißt für mich: Ihr
sollt Euch auch hingeben, wie Jesus es tat.
Wie gut, dass Jesus
nicht erwartet, dass wir dies aus eigener Kraft tun.
Das könnten wir gar
nicht. Es käme nichts Gutes dabei heraus.
Sondern der Geist
Gottes ist es, der in uns wirkt. Er wird uns leiten.
Er wird uns trösten
und auch die richtigen Ideen geben.
Die Jünger haben
nach Ostern erstmal gar nicht viel getan:
Sie haben sich zum
Gebet getroffen und das notwendige Organisatorische erledigt.
Nämlich den frei
gewordenen Platz im Kreis der Apostel neu besetzt –
Wir besetzen den
Platz im Presbyterium neu.
Und dann – dann
lasst uns offen sein für die Leitung durch den Geist.
Amen!
Björn Heymer
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