Predigt am 11. November 2007 über Matthäus
5, 33-37 - Drucken
Ihr
Lieben,
es
ist unser Licht, nicht unsere Finsternis, vor dem wir uns am meisten
fürchten.
Das
hat Nelson Mandela einmal gesagt, in seiner Antrittsrede als Präsident
von Südafrika.
Ein
seltsamer Satz. Wie ist das zu verstehen?
Müssen
wir nicht die Dunkelheiten, die Abgründe in unseren Seelen viel
mehr fürchten?
Wenn
ich ahne, zu was ich fähig wäre, wenn ich mir nicht das Böse
verbieten würde! Dennoch:
Es
ist unser Licht, vor dem wir uns am meisten fürchten – sagt
Nelson Mandela.
Er
hat offenbar die menschliche Seele tiefer verstanden als wir.
Er
erklärt es so: Wir fragen
uns:
„Wie
kann ich es wagen, brillant, hinreißend talentiert und fabelhaft zu
sein?“
Oh,
denke ich. Ja, das kenne ich. Ich denke selber ganz oft, dass ich doch nichts
Besonderes sei. Andere können das doch viel besser, oder?
„Doch
in der Tat, fährt Mandela fort, wie
kannst Du es wagen, all das nicht zu sein - brillant, hinreißend
talentiert und fabelhaft?
Du
bist ein Kind Gottes. Wenn du dich klein machst, erweist Du damit
der Welt keinen Dienst. Wir sind geboren worden, um den Glanz
Gottes, der in uns ist, abzubilden.“
Das
und nicht weniger. Aha. Stimmt. So sieht Gott uns an.
Und
gehört haben wir das alle schon oft. Nur ist es eben im Kopf, aber
noch nicht im Herzen.
Wer
so lebt, dass von den einzigartigen Gaben, die Gott in ihn
hineingelegt hat, nichts zu erkennen ist, der bleibt zurück hinter
dem,was Gottes Möglichkeiten
sind.
Der
straft Gott einen Lügner, der lebt nicht in der Wahrheit.
Das
meinte Nelson Mandela. Und verrät damit, dass er viel verstanden
hat von der einzigartigen Würde, die Gott jedem einzelnen Menschen
gibt.
Nelson
Mandela tut mit diesem Satz etwas, was Jesus auch
getan hat:
Er
gibt uns ein Beispiel dafür, dass es ein fundamentaler Unterschied
ist, ob einer religiös eingestellt ist oder vom Geist Gottes bewegt
und erfüllt ist.
Religion
fragt: Was ist erlaubt? Was
verboten? Wie stimme ich Gott freundlich?
Religion
tut etwas für Gott, um im Gegenzug etwas zu bekommen.
„Gott,
ich übertrete deine Regeln nicht (oder nur ganz selten) – und dafür
gibst Du mir Zugang zu Deinem Reich.“
Das
Halten der Gebote ist die Währung in einem Tauschhandel.
Und
weil das auf Dauer anstrengend ist, ist das Denken religiöser
Menschen immer wieder mit der Frage beschäftigt: Was
kann ich mir noch leisten?
Was
geht noch, ohne diesen Gott zu vergrämen?
Also
werden Regeln aufgestellt.
Um
die eigentlichen Gebote stellte man gewissermaßen einen Zaun. Der
bestand aus Regeln.
Leben
mit Religion heißt: Leben nach Regeln.
Das
ist ja nicht grundverkehrt. Regeln sind erst einmal gut.
Sie
fördern die Verlässlichkeit.
Sie
erleichtern vieles.
Nur:
Jesus, den wir den Herrn nennen, war kein Freund von Regeln.
Denn
er war sich sicher: wer das Leben auf Regeln reduziert, ist
innerlich schon tot.
Es
geht ihm darum, aus dem Geist Gottes heraus zu handeln –
nicht
nach den Buchstaben des Gesetzes.
Die
Bergpredigt ist die Programmrede von Jesus.
Und
da gibt es eine Reihe höchst irritierender Sätze.
Die
fangen immer an mit: Ihr habt
gehört, dass zu den Alten gesagt wurde…
Und
gehen dann so weiter: Aber ich
sage Euch….
Jesus
redet über die zentralen Anweisungen aus den Mosebüchern.
Fundamentale
Regeln des jüdischen Glaubenslebens.
Und
Jesus zeigt, was er meint mit einem Leben aus dem Geist heraus:
Er
erklärt die Regeln nicht für ungültig, sondern für zu schwach.
Es
klingt, als ob er das Gesetz verschärft – wenn er das Leben im
Geist beschreibt.
Darauf
hören wir heute:
Ihr
habt weiter gehört, dass zu den Alten gesagt ist: „Du sollst
keinen falschen Eid schwören“ und „Du sollst dem Herrn deinen
Eid halten.“
Ich
aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt,
weder
bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron;
noch
bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße;
noch
bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs.
Auch
sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht
ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen.
Eure
Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.
Die
Sache mit dem Schwören ist ein Beispiel – neben Anderen.
Ein
Beispiel, was es bedeutet, in Freiheit nach den Geboten zu leben.
„Du
sollst keinen falschen Eid schwören“
Das
ist natürlich richtig, keinen Meineid zu schwören.
Ja,
das steht sogar in unseren Gesetzen unter Strafe. Gar keine Frage.
Dem
stimmt Jesus ohne wenn und aber zu.
Dann
gab es die andere Regel beim Schwören:
Wenn
jemand dem HERRN ein Gelübde tut oder einen Eid schwört, dass er
sich zu etwas verpflichten will, so soll er sein Wort nicht brechen,
sondern alles tun, wie es über seine Lippen gegangen ist.
So
steht es im vierten Mosebuch.
Als
Jesus lebte, da hat man es schon möglichst vermieden, den Namen
Gottes auszusprechen.
Jesus
zählt auf, wie Eide auf Gott stattdessen klangen:
Ich
schwöre beim Himmel – Ich schwöre bei der Erde – Ich schwöre
bei Jerusalem…
Das
alles weist Jesus zurück. Schwört überhaupt nicht!
Warum?
Heute
klingen Eide ja nicht mehr so fromm. Man sagt eher:
Was
steckt dahinter? Was treibt einen, so zu schwören?
Wenn
einer schon so anfängt, da werden wir doch eher misstrauisch, oder?
Wann
kämen wir auf den Gedanken, so was zu sagen?
Doch
nur dann, wenn der Andere misstrauisch ist. Wenn uns einer nicht
glaubt.
Und
da sagt Jesus: Es kommt gar
nicht darauf an, welche Form des Schwörens, des Beteuerns oder Bekräftigens
Eurer Rede noch erlaubt ist und welche nicht geht.
Nur
der Unglaube fragt:Was
darf ich? Was erzürnt Gott. Was ist von Übel?
Lasst
das alles sein! sagt Jesus.
Schwört
gar nicht! Sagt einfach Ja und Nein – und meint es auch so!
Ohne
versteckte Botschaft, ohne Lüge oder Hintergedanken.
Ihr
seid das Licht der Welt. Ihr habt keinen Schwur nötig!
Lebt
so, dass niemand auf die Idee kommen würde, an Euren Worten zu
zweifeln.
Jetzt
höre ich noch einmal neu, was Nelson Mandela sagte:
Es
ist unser Licht, nicht unsere Finsternis, vor dem wir uns am meisten
fürchten.
Leben
in Reinheit, das ist unsere Berufung von Gott.
Leben
so, dass unser Ja unmissverständlich ist – und das Nein auch.
Aber
genau das tun wir nicht. Wir
scheuen unser Licht, sagt Nelson Mandela.
Bitten
wir Gott, dass Er uns diese Furcht nimmt. Zu einem Leben in Freiheit
und im Licht.