Predigt am 4. November 2007 über
1. Kor. 11,17-22, 28+29 - Drucken
Ihr
Lieben,
der
Tisch ist gedeckt – heute feiern wir wieder Abendmahl.
Nur,
was tun wir da eigentlich?
Vor
einigen Wochen entdeckten wir im Gespräch über einen der
Abschnitte zum Abendmahl:
Selbst
hier – innerhalb der Gemeinde gibt es offenbar ganz
unterschiedliche Zugänge zum Tisch des Herrn. Ganz unterschiedliche
Empfindungen und Gedanken, wenn wir feiern.
Das
ist ja so weit ganz in Ordnung. Nur:
Jeder
ist sich seiner Sache gewiss. Wir wissen aber kaum voneinander, dass
man die Feier des Abendmahles auch ganz anders erleben kann.
Wir
hatten im Hauskreis gelesen, was Paulus an die Christen in Korinth
geschrieben hat.
Offenbar
gab es damals keine Zusammenkunft in der Gemeinde ohne
Mahlgemeinschaft.
Das
ist schon mal auffällig.
Aber:
dennoch kritisiert Paulus das, was ihm aus Korinth erzählt wurde.
Und
zwar äußerst scharf. So scharf, dass die folgenden Verse nicht in
die Predigtreihen aufgenommen wurden. Ich lese, was deshalb
vielleicht manchen ganz neu sein mag:
Dies
aber muss ich befehlen: Ich kann's nicht loben, dass ihr nicht zu
eurem Nutzen, sondern zu eurem Schaden zusammenkommt. Zum ersten höre
ich: Wenn ihr in der Gemeinde zusammenkommt, sind Spaltungen unter
euch; und zum Teil glaube ich's. Denn es müssen ja Spaltungen unter
euch sein, damit die Rechtschaffenen unter euch offenbar werden.
Wenn ihr nun zusammenkommt, so hält man da nicht das Abendmahl des
Herrn. Denn ein jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg, und
der eine ist hungrig, der andere ist betrunken.Habt ihr denn nicht Häuser, wo ihr essen und trinken könnt?
Oder verachtet ihr die Gemeinde Gottes und beschämt die, die nichts
haben? Was soll ich euch sagen? Soll ich euch loben? Hierin lobe ich
euch nicht. (…) Der Mensch prüfe aber sich selbst, und so esse er
von diesem Brot und trinke aus diesem Kelch. Denn wer so isst und
trinkt, dass er den Leib des Herrn nicht achtet, der isst und trinkt
sich selber zum Gericht.
Es
gab offenbar massive Spaltungen in der Gemeinde.
Vermutlich
wurden die nicht offen ausgetragen, aber wer ein bisschen aufmerksam
dabei war, der spürte es sehr deutlich. Daran, was die Einzelnen
taten.
Es
war üblich, dass man bei den Zusammenkünften gemeinsam aß und
trank.
Dafür
brachte jeder, der konnte, etwas mit. So weit, so gut.
Nur
– es wurde nicht etwa geteilt. Nein, jeder achtete peinlich genau
darauf, dass er bei seiner Speise blieb. Für uns kaum vorstellbar.
Aber:
damals kamen in der Gemeinde Menschen aus allen Klassen, allen
Volksgruppen und sozialen Schichten zusammen. Fromme Juden, die
Christen geworden waren –
aßen
selbstverständlich nicht von dem, was Heidenchristen mitbrachten.
Das
war doch sicher nicht koscher!
Und
manch Vornehmer Bürger aß doch nicht, was Sklaven mitgebracht
hatten.
Wenn
wir heute zusammenkommen, kennen wir solche Probleme deshalb nicht,
weil alle einigermaßen denselben Hintergrund, dieselbe Kultur und
dieselben Gewohnheiten haben.
Und
das Heilige Abendmahl – das haben wir so normiert, dass sowieso
keine Gefahr besteht.
Schnee
von gestern also? Probleme, die wir gelöst haben?
Zumindest
dies wird uns von Paulus sehr deutlich in Erinnerung gerufen:
Das
Mahl des Herrn hat immer Auswirkung in zwei Richtungen:
Zuerst
einmal geht es um die Erneuerung des Bundes, den Jesus durch sein
Blut geschlossen hat. Wer am Mahl teilnimmt, der sagt ja dazu:
Ja,
auch für meine Schuld musstest Du sterben. Danke, dass Du diesen
Weg gegangen bist, auf dass ich Frieden finde mit Gott.
Das
ist sicher das ganz Zentrale: Wer zum Mahl geht, der empfängt einen
kräftigen Trost.
Und
der bekennt damit auch etwas: Ja, auch ich habe das nötig. Ich bin
nicht besser als Andere. Es gibt Schuld auch in meinem Leben. Dinge,
für die ich mich schäme. Dinge, für dessen Bereinigung nichts
anderes reicht, als dass Jesus dafür gelitten hat und gestorben
ist.
Ja,
ich bin ein Sünder, getrennt von Gott – und Jesus nimmt das auf
sich.
Die
Väter der Kirche haben deshalb Brot und Wein die Medizin zur
Unsterblichkeit genannt.
Also:
das Abendmahl ist der Vorgriff auf das große Festmahl der Versöhnung
im Himmel.
Wir
sind jetzt schon eingeladen zum Feiern.
Damit
wir zumindest ahnen, was uns erwartet.
Aber:
dieses Mahl feiern wir nie allein! Wer zum Tisch Jesu kommt, der ist
immer in eine Gemeinschaft gestellt.
Und
zwar eine Gemeinschaft, die wir uns nicht selber aussuchen.
Wenn
Paulus schreibt:
Wer
so isst und trinkt, dass er den Leib des Herrn nicht achtet, der
isst und trinkt sich selber zum Gericht.
dann
meint er mit dem Leib Christi nicht die Oblate, das Stück Brot.
Wenn
Paulus vom Leib Christi spricht, dann ist das bei ihm immer das Bild
für die Gemeinde.
In
ihrer ganzen Vielfalt. In ihrer Unterschiedlichkeit.
Achtung!
sagt Paulus;
Wenn
Du am Mahl des Herrn teilnimmst,
und
Gedanken der Geringschätzung für die Anderen in der Runde in Dir
hochkommen,
dann
wirst Du im Gericht Gottes genau danach gefragt werden.
Vor
Jahren erzählte mir jemand eine Geschichte, die für mich zum Schlüssel
wurde:
Sie
ist schon vor etwas längerer Zeit geschehen – in der Generation
meiner Eltern.
„Es
war in Südfrankreich. Junge Leute trafen sich zu einer ökumenischen
Begegnung. Deutsche, Engländer, Franzosen, Belgier, Dänen,
Norweger, Holländer und Amerikaner.
Der
Tag mit seinen Gottesdiensten und seinen Reden war zu Ende gegangen.
Sie saßen im weiten Rund auf der Erde. In der Mitte brannte ein mächtiges
Lagerfeuer. Sie sangen. Sie redeten und lachten. Da bat ein schmaler
junger Belgier, sie mögen ihm erlauben, zu der Versammlung ein paar
Worte zu sagen. „Ich muss euch etwas erzählen, Freunde, begann
er. Ich war im vergangenen Krieg ein kleiner Junge und lebte in
Belgien. Mein Vater und meine Mutter wurden von deutschen Soldaten
erschossen. Ich habe mir geschworen, die Mörder meiner Eltern mein
ganzes Leben lang zu hassen. Nun bin ich hierher gefahren, weil ich
hoffte, französische freunde zu treffen. Ich wusste nicht, dass
auch Deutsche hier sein würden. Sonst wäre ich nicht gekommen.
Denn ich kann nicht vergessen, was geschehen ist. Ich kann auch
nicht vergeben. Nein, es ist unmöglich. So habe ich es mir vom
ersten Tag an gesagt. Ich wollte nun eben so tun, als wären sie
nicht da. Heute Morgen beim Gottesdienst draußen unter den
Kastanien war neben mir ein Platz frei. Ein Deutscher kam und setzte
sich neben mich. Ihr wisst, es war kalt heute Morgen. Ich hatte
einen Umhang da, der Deutsche neben mir nicht. Es war klar, ich
legte den Umhang um uns beide, aber ich sagte mir: Er ist nicht dein
Freund. Er ist ein Deutscher, du musst ihn hassen. Er wusste es natürlich
nicht und lachte mich an. Nachher beim Abendmahl standen wir vorn
wieder nebeneinander. Da wusste ich: Christus ist nicht nur für
uns, sondern auch für diese Deutschen gestorben. Und ich entdeckte,
dass auch die Deutschen Brüder sind, dass sie nicht dreckige Boches
sind, sondern Brüder im Glauben. Das ist alles, was ich sagen
wollte.“ (erzählt von Jörg Zink)
Achte
darauf, wer neben Euch steht, wenn Ihr zum Mahl des Herrn geht.
Achte
einander, aber verachtet den Anderen nie.
Jede,
jeder ist genau wie Du: eingeladen, geliebt, der Annahme bedürftig
und der Vergebung.
Und
wenn Du düstere Gedanken in Dir findest, dann bekenn sie – und
lass Dir vergeben.