Predigt am 28. Oktober 2007 (Welcome)
über 1. Mose 1, 28 -
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Ihr Lieben,
es war nach einer
Trauung vor ein paar Jahren.
Eine Frau von den Gästen
sprach mich nach dem Gottesdienst an.
Was sie sagte, das
machte mich traurig – froh:
„Herr
Pfarrer, ich weiß gar nicht wie ich es sagen soll. Aber – als Sie
eben die Gemeinde gesegnet haben, so etwas habe ich noch nie
erlebt.“
Sie war tief berührt
von diesen uralten Worten:
„Der
Herr segne Dich…“
Froh war ich, weil
offenbar Gott selber in diesem Moment mächtig und spürbar
gehandelt hat.
Wunderbar, wenn das
geschieht und wenn das einem Menschen gut tut.
Nachdenklich und
etwas traurig stimmte mich aber dies:
Wie schade, dass sie
das vorher offenbar noch nie so erlebt hatte!
Dabei gehörte sie
nicht einmal zu denen, die selten in Gottesdienste gehen.
Die Worte des Segens
hatte sie schon oft gehört – nur eben an diesem Tag offenbar zum
ersten Mal mit dem Herzen.
Und das tut gut! Wenn
man sich berühren lässt vom Segen.
Was ich hier erkannt
habe: Wir können nicht Segen machen! Segen ist unverfügbar.
Gott ist es, der
segnet. Durch Menschen – aber nie als Automatismus.
Eben haben wir darüber
nachgedacht: Wo haben wir Erfahrungen gemacht mit dem Segen?
Solche Erfahrungen
sind kostbar – und wir sollten sie gut aufbewahren.
Nur - manch einer hat
sich eben vermutlich auch gefragt:
War
das nun eine Erfahrung mit Segen, - das, was mir so gut getan hat?
Oder
war es nicht einfach etwas, wofür ich dankbar bin? Was mit gut
getan hat?
Wofür
brauche ich Gott dabei? Als es geschehen ist, hab ich doch auch
nicht an Gott gedacht.
Ich
bin gar nicht einverstanden – dass dies nun gewissermaßen auf
Gottes Konto soll.
Ich
sorge doch selber für mich.
Welch ein Segen –
haben wir heute das Thema genannt – etwas doppelsinnig ganz
bewusst.
Einer hört das als
Frage – und könnte heute vielleicht einer Antwort auf die Spur
kommen.
Andere kommen beim
Segen nicht aus dem Staunen heraus – zu denen gehöre ich selber.
Erfahrungen von
Gesegnet - sein machen mich immer wieder sprachlos – manchmal
beschämt, meist zutiefst dankbar. Verdient habe ich das nicht.
Und doch geschieht
es. Welch ein Segen!
Was wir über Segen
wissen können, finden wir in der Bibel.
Sie ist Gottes
Urbotschaft an die Menschen ebenso wie die niedergeschriebenen Ur -
Erfahrungen von Menschen vieler Generationen.
Und der Segen kommt
gleich zu Anfang – gleich auf der ersten Seite:
In dem Moment, wo
Gott lebendiges Getier erschaffen hat, das sich bewegt, das atmet,
das isst und trinkt, da ist es, als ob Er in seinem Schaffen innehält.
Er schaut das an, was
unter seinen Händen entstanden ist – und dann heißt es:
„Gott segnete, was
Er gemacht hatte“ – die Tiere und die Menschen.
Und zum Segen – was
immer das ist, gibt er einen Auftrag:
„Seid
fruchtbar und mehret euch!“
Das ist der Auftrag.
Dann ist Segen wohl die Befähigung, genau dies zu tun.
Also: Segen hat etwas
mit Vermehrung zu tun. Mit Reichtum und mit Wachstum.
Ja, mit Freude am
Leben und mit Überfluss.
Vor einer Woche war
das Presbyterium zusammen auf einer Einkehrtagung.
Zwei konnten nicht
mit, aber alle, die dabei waren, haben Kinder!
Zwei, drei oder gar
vier Kinder. Was für ein Segen!
Kinder
sind eine Gabe des Herrn! Psalm 127,3
Und rund um Kinder
machen Menschen verstärkt Erfahrungen mit Segen:
Bewahrung bei der
Geburt – ein Segen.
Was kommt nicht alles
an neuen Farben in der Beziehung von Eheleuten durch Kinder!
Freude, die Kinder
auslösen einfach dadurch, dass sie da sind
Aufgaben, die uns
wachsen lassen.
All das erlebe ich
zur Zeit als einen großen Segen.
Aber: darf ich das so
sagen? So einseitig? Segen ist Vermehrung, Nachkommenschaft?
Was ist denn mit
denen, die keine Kinder haben?
Und die gar nicht in
einer Beziehung leben – aber das schmerzhaft vermissen?
Sind die dann nicht
gesegnet?
So einfach ist es
offenbar nicht.
Jedes Leben ist
anders angelegt – und entwickelt sich ganz besonders.
Und was sich bei dem
Einem glatt und deutlich zeigt, das sieht beim Nächsten anders aus.
Manch Einer hat
vorhin im Nachdenken vielleicht Mühe gehabt, Spuren von Segen bei
sich zu entdecken. Fühlt sich gar nicht gesegnet. Vermisst
schmerzhaft etwas, was Andere haben.
Und auf einmal ist
das Thema Segen gar nicht mehr ein leichtes Thema – sondern
bekommt Gewicht. Wenn wir daran denken, was Menschen als gut und
segensvoll erleben, dann finden sich schnell auch ganz andere Gefühle:
Geht es einem gut,
kommt ganz schnell der Neid auf:
Warum
hat der was, was ich nicht habe?
Offenbar gehört das
zur Grundausstattung von uns Menschen:
Dass wir es nicht gut
aushalten, wenn es anderen scheinbar besser geht als uns.
Schon bei den kleinen
Kindern ist das so – meist sogar offener gesagt als bei uns Großen.
Da hat unsere Tochter
zwei Kugeln Eis bekommen – also muss unser Sohn auch zwei haben.
Dass der vier Jahre jünger
ist und das noch gar nicht schafft – egal. Es wird verglichen.
Und wehe, der eine
hat mehr als der Andere. Schon ist der Streit da.
Wir messen uns ständig
– und unser Maßstab ist: gerecht ist, wenn alle das Gleiche
haben.
Woher kommt das?
Woher kommt es, dass wir Neid empfinden?
Hinter dem Neid steht
das Begehren: Ich will etwas haben, was ich nicht habe.
In den Geboten Gottes
heißt es ganz direkt dazu:
„Du
sollst nicht begehren….“ Begehren meint die Gier nach etwas,
was eigentlich unerreichbar ist. Das, was schon einem Anderen gehört:
sein Haus, seine Familie, sein Besitz.
All das, womit Gott
den Anderen gesegnet hat, das sollst Du nicht begehren.
Welch ein Segen!
Welch ein Segen, dass Gott uns seine Gebote gegeben hat.
Sie bringen uns auf
die Spur, wie wir Gesegnete werden:
Ein Schritt ist: Nein
zur Gier. Nein dazu, sich etwas zu nehmen, was einem nicht zusteht.
Oder sich in seiner
Phantasie auch nur danach zu verzehren.
So sind die Gebote
Gottes gemeint: Als Wegweisung zu einem Leben im Segen.
Was aber dann? Das
klare Nein zum Neid ist noch nicht das Ja!, sagt noch nicht, wie es
denn anders gehen kann.
Paulus hat für die
Gemeinschaft der Christen einmal ein starkes Bild gebraucht:
Eine Gemeinde ist wie
ein Körper:
Es sind viele
unterschiedliche Glieder daran – mit verschiedenen Gaben und
Aufgaben;
Manche sichtbar,
andere ganz verborgen.
Und jedes Teil ist
wichtig. Verbunden zu einem Ganzen, bei dem nichts fehlen kann.
Und wenn eines der
Glieder geehrt wird – warum auch immer, dann freuen sich alle
anderen Glieder mit: also, wenn das Gehirn eine gute Leistung
erdacht hat und gelobt wird, dann spürt das auch der Rücken. Beim
Körper funktioniert das so rum – und natürlich auch anders
herum: wenn ein Glied leidet, betrifft es alle.
Da braucht man nur
mal Zahnschmerzen zu haben!
Auch das ist eine
Form, wie Gott segnet: er fügt uns Einzelne in eine Gemeinschaft
ein.
Das so zu sehen ist
eine Entscheidung – und eine Befreiung!
„Wir“ zu sagen,
anstatt „Ich“.
Und die Unterschiede,
die doch da sind?
Ihr, die ihr am
Mangel des Anderen nicht mehr leidet, ihr seid gleichgültig
geworden.
Die
Selbstzufriedenen, die sich von der Not des Anderen nicht mehr berühren
lassen, sie sind ebenso nicht unter dem Segen wie die Unzufriedenen,
die sich vor Neid verzehren.
Ihr, die ihr reich
beschenkt seid – seid ein Teil des Ganzen.
Ihr, die den Schmerz
des Mangels gespürt hat, gehört ganz genauso dazu.
Die Gemeinschaft im
Namen Jesu – sie ist ein Segen.
Segen ist überall
da, wo Gott gegenwärtig ist.
Das klingt vielleicht
einfach und ist doch wahr:
„Wo
zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind“ das ist Segen.
Amen!
Björn Heymer
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