Predigt am 19. August 2007 über Lukas
7, 36 - 50 -
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Es
bat ihn aber einer der Pharisäer, bei ihm zu essen.
Und
er ging hinein in das Haus des Pharisäers und setzte sich zu Tisch.
Und
siehe, eine Frau war in der Stadt, die war eine Sünderin.
Als
die vernahm, dass er zu Tisch saß im Haus des Pharisäers, brachte
sie ein Glas mit Salböl und trat von hinten zu seinen Füßen,
weinte und fing an, seine Füße mit Tränen zu benetzen und mit den
Haaren ihres Hauptes zu trocknen, und küsste seine Füße und
salbte sie mit Salböl.
Als
aber das der Pharisäer sah, der ihn eingeladen hatte, sprach er bei
sich selbst und sagte: „Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüsste
er, wer und was für eine Frau das ist, die ihn anrührt; denn sie
ist eine Sünderin.“
Jesus
antwortete und sprach zu ihm: „Simon, ich habe dir etwas zu
sagen.“
Er
aber sprach: „Meister, sag es!“
„Ein
Gläubiger hatte zwei Schuldner. Einer war fünfhundert
Silbergroschen schuldig, der andere fünfzig. Da sie aber nicht
bezahlen konnten, schenkte er's beiden. Wer von ihnen wird ihn am
meisten lieben?“
Simon
antwortete und sprach: „Ich denke, der, dem er am meisten
geschenkt hat.“
Er
aber sprach zu ihm: „Du hast recht geurteilt.“
Und
er wandte sich zu der Frau und sprach zu Simon:
„Siehst
du diese Frau? Ich bin in dein Haus gekommen; du hast mir kein
Wasser für meine Füße gegeben; diese aber hat meine Füße mit Tränen
benetzt und mit ihren Haaren getrocknet. Du hast mir keinen Kuss
gegeben; diese aber hat, seit ich hereingekommen bin, nicht
abgelassen, meine Füße zu küssen. Du hast mein Haupt nicht mit Öl
gesalbt; sie aber hat meine Füße mit Salböl gesalbt. Deshalb sage
ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel Liebe
gezeigt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.“
Und
er sprach zu ihr: „Dir sind deine Sünden vergeben.“
Da
fingen die an, die mit zu Tisch saßen, und sprachen bei sich
selbst:
„Wer
ist dieser, der auch die Sünden vergibt?“
Er
aber sprach zu der Frau: „Dein Glaube hat dir geholfen; geh hin in
Frieden!“
Drei Hauptpersonen
– und eigentlich sind gut und böse klar verteilt.
Der Pharisäer –
ist zwar der Gastgeber, aber er wird zurechtgewiesen.
Voller Vorurteile hat
er innerlich die Nase gerümpft über diese peinliche Frau –
Und sein Urteil über
diesen Jesus gefällt.
Die Sünderin – sie
weint Tränen der Reue und opfert ihm ihr kostbarstes Gut.
Ihr sagt Jesus die
Vergebung zu.
Also: in ihr sollten
wir uns wiederfinden.
Der Pharisäer sollte
uns ein warnendes Beispiel sein.
Das Problem ist nur:
wenn wir uns ehrlich einschätzen, sind wir dem Pharisäer doch viel
ähnlicher als der Frau.
Immerhin – er hat
Jesus eingeladen – in sein Haus.
Um sich ein eigenes
Bild zu machen. Er hat Jesus eine echte Chance gegeben.
Das haben Viele von
uns doch auch getan.
Aber: wie der Pharisäer
sind wir doch vor allem an der einen Frage interessiert:
Was
ist richtig? Was ist falsch? Was entspricht den Geboten Gottes –
was nicht?
Wir denken bei der
Bezeichnung „Pharisäer“ ja immer, gemeint sei ein Heuchler.
Einer, der was
verschleiert, der unehrlich ist, dem man nicht vertrauen kann.
Das sind wir natürlich
nicht!
Nur – das ist nicht
das, was Jesus Pharisäern vorwirft.
Sie nehmen den
Glauben sehr ernst – mit dem Kopf! Mit ihrem Denken und Handeln.
Das ist ja auch
praktisch und nachvollziehbar.
Nur: wer immer weiß,
was falsch und richtig ist, der steht in einer Gefahr:
In der Gefahr, allzu
schnell zu urteilen und mit seinem richtigen Verhalten lieblos zu
werden.
Das Urteil des Simon
über Jesus scheint gefällt, noch bevor der Hauptgang aufgetischt
ist:
„Ein
Prophet? Nein, das ist er wohl nicht.
Sonst
wüsste er doch, was für eine Frau ihn da gerade berührt hat.“
Als Hausherr hat er
die Frau wohl nur deshalb überhaupt reingelassen:
Er wollte beobachten,
wie Jesus reagiert.
Und alles läuft
erstmal nach Plan: „Klar,
dass diese Frau sich unmöglich verhält.
Und
sieh mal an: dieser angebliche Prophet lässt sich von ihr offenbar
um den Finger wickeln. Der kann also nicht ganz echt sein.“
Roland Werner, der
Leiter des Christus-Treffs erzählte einmal von einer Begegnung im Süden
der USA. Ein leitender Pastor hatte ihn in einem Lokal zum Essen
eingeladen, um ihn kennen zu lernen. Man bestellte. Roland trank ein
Bier zum Essen. So weit, so gut. Alles sehr freundlich und nett. Übel
war dann die Bemerkung bei der Verabschiedung:
„Nein,
er könne ihn, Mr. Werner, nicht als Bruder akzeptieren.
Schließlich
habe er ja Alkohol getrunken.“
Das ist Richtgeist!
Da verhält sich jemand irgendwie anders als wir selbst es tun würden
– und schon hat er oder sie in unseren Augen verloren.
Simon, der Pharisäer
in dieser Geschichte, hält uns einen ersten Spiegel vor:
Und wir sollten uns
fragen, wo wir selber allzu schnell im Urteil sind.
Also doch die Frau?
Diese Sünderin – ausgestoßen aus der Gemeinschaft.
„Dein Glaube hat dir geholfen. Geh hin in Frieden. “ – So endet
diese Erzählung.
Nicht, was sie getan
hat, soll das Vorbild sein.
Wenn man genau
hinschaut – ist das, was sie tut, nun wirklich nicht zur
Nachahmung geeignet:
Natürlich hat sie
nicht die Pflichten eines guten Gastgebers erfüllt, als ihre Tränen
die Füße von Jesus benetzten. Und auch die Salbung mit Öl hätte
als eine Geste der Ehrerbietung auf der Stirn erfolgen müssen –
nicht an den Füßen.
Jesus nimmt die Frau
mächtig in Schutz, wenn er ihr echt anstößiges Verhalten so
deutet.
Und Jesus sagt ihr ja
auch nicht:
„Dein
Verhalten zeigt mir, dass es Dir mit der Reue ernst ist.“ Das
sagt er nicht!
Sondern: „Dein Glaube hat dir geholfen“
Jesus sieht in ihr
etwas, wovon gar nicht die Rede war.
Was die Frau selber
gar nicht verstanden hatte.
Das tröstet mich:
Jesus beurteilt nicht
die Taten – er versteht, was einen zu seinem Tun bewegt hat.
Darum die Geschichte
von den beiden, denen ihre Schulden erlassen wurden.
Kein Wort darüber,
wo die Schulden entstanden sind. Keine Verurteilung.
Keine Bedingung, die
an die Schenkung geknüpft wäre.
Der Reiche – er erlässt
die Schuld – er schenkt beiden einen neuen Anfang.
Hat die Frau das
geahnt?
Hatte sie von
Menschen gehört, die mit diesem Jesus genau diese Erfahrung gemacht
hatten?
Aus diesem Grund wird
sie von ihm angezogen wie ein Eisen von einem Magneten.
Jesus – er verkörpert
die Annahme Gottes pur – für den, der das will.
Und was sollen wir
jetzt tun? Was ist die Herausforderung für uns?
Wenn wir von diesen
beiden hören – und eigentlich passt beides nicht so ganz.
Beide tun ja etwas,
was so nicht wirklich ein Vorbild sein kann.
Weil es bei Jesus
nicht um Nachmachen geht!
Weil Nachfolge nicht
damit getan ist, dass wir eine Gebrauchsanweisung beachten.
„Wem
viel vergeben ist, der wird viel lieben!“
Was könnte die Liebe
zu Gott neu in uns wecken?
Wir haben in einer
Gruppe darüber nachgedacht.
Liebe kommt nicht auf
Knopfdruck – klar. Und doch - wir waren uns einig:
Wenn wir von unserem
Verstand her das wollen, dann reicht es nicht, die Hände in den
Schoß zu legen und abzuwarten.
Neu um das Feuer der
Liebe bitten – in Zeiten des Gebets, die wir treu einhalten –
das wäre schon etwas.
Mir hilft es manchmal
– ein Bild anzuschauen. Von dem, was Jesus getan hat.
Gute Bilder sind wie
Nahrung für die Seele – oder auch gute Musik.
Vorbilder helfen mir
auch.
Wenn ich jemanden
sehe, wie er fröhlich dient – für Jesus – dann mach ich das
auch lieber.
All das nicht, um mir
bei Gott etwas zu erkaufen – sondern als kleine Antwort auf das
große Ja Gottes. Davon war das handeln und Reden Jesu immer
durchdrungen.
Nicht Er vergibt hier
die Sünden. „Sie sind dir vergeben.“ Das Passiv verweist auf
das Handeln Gottes. Und: Es ist längst geschehen! Dankbarkeit ist
keine Voraussetzung, sondern Folge. Selbst für den Pharisäer
besteht Hoffnung!
Amen!
Björn Heymer
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