Predigt am 8. Juli 2007 über Lukas
14, 25 - 33 -
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vor einer Woche
konnte man im Media Park den Höhepunkt des diesjährigen
Kultursommers in Köln erleben: den Circo da Madrugada aus
Brasilien.
Eine Artistentruppe,
die unter freiem Himmel an einem Gerüst ihre Kunst vorstellte.
Einer der Gründe,
weshalb ich die Vorstellung zweimal besuchte war dies:
Vom höchsten
Hochhaus am Platz war ein Seil rüber zum Cinedom gespannt.
Und dann lenkte ein
Scheinwerfer die Aufmerksamkeit an den nächtlichen Himmel – zum
Dach dieses vierzig Stockwerke hohen Hauses (ich habe es gezählt).
Dort oben stand einer
der Artisten – in weiß gekleidet. Kaum zu erkennen, aber
eindeutig. Und er sprang. Atemberaubend! Ein Sprung ins Nichts?
Kein Fallschirm, kein
Netz.
Nur das Drahtseil, an
dem er hing und an dem entlang er in die Tiefe sauste.
Quer über den Platz.
Dann bremste er ab – und seilte sich ab auf den Boden.
Was für ein Mut! Was
für eine Entscheidung!
Alles auf eine Karte
setzen: dieses Seil muss halten, was es verspricht.
Davon lebt die
Faszination des Zirkus:
Dass da Menschen
etwas wagen, was man selber nie tun würde oder nie könnte.
Heute Morgen geht es
nicht um Zirkus.
Aber ebenfalls um
eine Entscheidung, die gut überlegt sein will.
Die man sehr gut prüfen
sollte.
Eben haben wir eine
Rede von Jesus gehört, die sehr sperrig und anstößig ist.
Die zum Widerspruch
reizt. Ich lese noch einmal aus Lukas 14:
Es
ging aber eine große Menge mit ihm; und er wandte sich um und
sprach zu ihnen:
Wenn
jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, seine Mutter,
seine Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der
kann nicht mein Jünger sein.
Und
wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht
mein Jünger sein. Denn wer ist unter euch, der einen Turm bauen
will und setzt sich nicht zuvor hin und überschlägt die Kosten, ob
er genug habe, um es auszuführen, - damit nicht, wenn er den Grund
gelegt hat und kann's nicht ausführen, alle, die es sehen,
anfangen, über ihn zu spotten, und sagen: Dieser Mensch hat
angefangen zu bauen und kann's nicht ausführen?
Oder
welcher König will sich auf einen Krieg einlassen gegen einen
andern König und setzt sich nicht zuvor hin und hält Rat, ob er
mit Zehntausend dem begegnen kann, der über ihn kommt mit
Zwanzigtausend? Wenn nicht, so schickt er eine Gesandtschaft,
solange jener noch fern ist, und bittet um Frieden.
So
auch jeder unter euch, der sich nicht lossagt von allem, was er hat,
der
kann nicht mein Jünger sein.
Wenn man das Satz für
Satz, Wort für Wort liest oder hört, dann tut es fast weh.
Jedenfalls wenn man
gewohnt ist, die Worte Jesu sehr ernst zu nehmen.
Weil das, was Jesus
gesagt hat, einem schon oft als kostbar erschien.
Und jetzt das!
Unglaublich! Wenn jemand zu
mir kommt und hasst nicht seinen Vater
Schon allein das –
gehört mit den Ohren eines Orientalen, für den der Vater die
absolute Autorität ist! Wie kann Jesus so was nur sagen? Das passt
doch nicht!
So kennen wir Jesus
doch nicht!
Oder die eigene
Mutter – die soll einer hassen, der mit Jesus gehen will?
Die Ehefrau? –
seine eigenen Kinder.
Und so geht es
weiter.
Es klingt wie die
Rede eines Partisanenführers, der Kämpfer sucht.
„Bei
mir kann nur was werden, wer keine Bindungen mehr hat. Wer mit dem
Leben abgeschlossen hat. Wer bereit ist, für unsere Sache zu
sterben.“ So klingt das.
Das kann doch nicht
wahr sein!
Gerade vorher hat
Lukas die Geschichte vom großen Gastmahl erzählt.
Dass im Reich Gottes
alle willkommen sind – gerade auch Kranke, Arme, Blinde oder Krüppel.
Eben die, die nichts vorweisen können.
Und das hier klingt
so ganz anders. Als wenn man Unmögliches leisten muss, wen man zu
Jesus gehören will.
Was machen wir also
mit so einer Rede?
Einfach weghören?
Nach dem Motto:
Das
ist gar nicht von Jesus. Oder er hat es nicht so gemeint. Oder es
gilt für Andere.
Jedenfalls
nicht für uns.
Eine unmögliche Möglichkeit!
Dass Jesus so was
nicht gesagt haben soll, das verbietet schon die Logik!
Gerade dass es nicht
glatt ins Bild passt, spricht eher für die Echtheit!
Nur die
unbestreitbare Autorität von Jesus hat dafür sorgen können, dass
man solche Sätze überliefert hat. Wenn das ein radikaler Prediger
später gesagt hätte, dann wäre das erkannt und ausgeschlossen
worden. Wir haben in der Geschichte der alten Kirche solche
Beispiele.
Also: Jesus hat so
geredet. Und es war kein Versehen. Er hat es so gemeint.
Was dann? Er meint andere, aber nicht uns?
Da könnte was dafür
sprechen. Christen, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden, die hören
so was ganz anders als wir. Wenn wir vielleicht unruhig auf den Stühlen
rutschen, mögen Christen im Sudan, im Irak oder in Nordkorea hier
denken: „Ja, Jesus weiß um meine Situation. Er hat es ja angekündigt, dass
es so kommt. Er wird mich auch durchtragen.“
Und sie haben recht,
diese Christen, die unter so unvorstellbarem Druck ihren Glauben
leben müssen. Aber: Warum hören wir das dann heute hier?
Mal angenommen, Jesus
würde heute morgen hier stehen, das sagen und uns dann auffordern:
„Stellt
Euch mal bitte alle in den Mittelgang. Und dann gehen bitte alle,
die mir nun immer noch nachfolgen wollen, auf die rechte Seite. Und
die Anderen gehen rüber nach links.“
Wo würden wir uns
wohl hinstellen?
Rechts oder links?
Wer sich zu Jesus stellt, der soll vorher die Kosten überschlagen.
Oder – im anderen
Bild – seine Kräfte einschätzen, ob er das auch durchhalten
kann.
Also, ich bin mir
fast sicher: ich würde links sitzen. Und vermutlich wäre ich da
nicht allein.
Hat Jesus mich damit
heute Morgen fallen gelassen?
Nein! So kann es
nicht gemeint sein! Zu viel steht sonst in der Bibel, was ganz
anders klingt.
„Ich
verurteile Dich nicht!“ haben wir gerade am letzten Sonntag
gehört.
„Kommt
zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid!“
Und, und, und….
Es ist doch derselbe
Jesus.
Einerseits lädt er
Menschen ein, sich mit dem Frieden Gottes beschenken zu lassen.
Gratis und ohne jede
Bedingungen -
Andererseits hier
geradezu eine Warnung, sich auf Jesus einzulassen.
Wie passt das
zusammen?
Zwei Dinge fallen mir
auf, die mich ermutigen:
Die beiden Vergleiche
– erst von dem Bauherrn, der vorher die Kosten abschätzen soll
und dann das von dem König, der keinen Krieg anfangen soll, den er
nicht gewinnen könnte – beide zielen auf ein positives Ergebnis: Jesus
möchte seine Hörer vor Schaden bewahren.
Der Bauherr soll
nicht zum Gespött der Leute werden.
Der König soll in
Frieden leben können.
Ebenso sollen die
Leute, die sich offenbar für Jesus interessieren, eine für sie
gute Entscheidung treffen. Das will Jesus. Er will niemanden überfordern.
Er will nicht, dass
ein Mensch durch Jesus – Begeisterung Schaden nimmt.
Kann das passieren?
Offenbar schon. Jesus stand vor dem Weg ans Kreuz.
Und er wusste: gerade
für den engsten Jüngerkreis würde es gefährlich werden.
Jesus wollte nicht in
einen Krieg ziehen, aber er ging auf den Tod zu – und auch die Jünger
riskierten sehr real, Opfer zu werden.
Opfer eines Hasses
dieser Welt, der sich im Tiefsten gegen Gott richtet.
Als eine ernst
gemeinte Mahnung vor Ostern höre ich dieses scharfe Wort etwas
anders.
Ich höre, dass Jesus
keine Freude an blindem Gehorsam hat.
Oder an sinnlosem
Opfer.
Sondern: Jesus hat
echt Interesse daran, dass es seinen Leuten gut geht.
Daraus höre ich dann
auch:
wir sollen in der
Gemeinde so miteinander umgehen, dass niemand Schaden nimmt.
Das Andere ist dies:
Nachfolge geht nicht
halbherzig. Jemand hat es mal so gesagt:
Ein
halber Christ ist ein ganzer Unsinn.
Das klingt ja ganz
gut. Was meint es praktisch? Ich möchte es in einem Bild
darstellen:
Dazu hab ich mir mal
die Pokale des CVJM ausgeliehen.
Jeder von uns hat ja
so seine Lebensthemen.
Da ist die Frage nach
dem Beruf – womit ich mein Geld verdiene und viel Zeit und Energie
am Tag verbringe.
Die Frage nach dem
Partner ist der nächste Pokal.
Familie, Hobbys,
Sport, Urlaub und so weiter und so weiter. Das ist unser Leben.
Und dann hört jemand
den Ruf von Jesus, entdeckt, dass Gemeinde auch ganz nett ist.
Und was passiert
dann? dann stellt man einen weiteren Pokal auf sein Regal.
Vielleicht sogar in
die Mitte.
Aber eben: ein Pokal
kommt dazu.
Ein bestimmter
Bereich des Lebens ist dann für Jesus reserviert.
Und jetzt sagt Jesus:
Achtung! Dieses Bild passt
nicht zu mir.
Wenn
Du wirklich mein Jünger sein willst, dann reicht das nicht!
Nachfolge meint das
ganze Leben. Nicht nur den Sonntag.
Du wirst deine
anderen Pokale weiterhin haben. Aber sie werden eine neue
Ausrichtung bekommen. Sie zeigen ihre Schokoladenseite nicht mehr
vor. Sondern sie richten sich aus auf Jesus. Er steht in der Mitte
des Lebens.
Sei ganz sein –
oder lass es ganz sein.
Amen!
Björn Heymer
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