Predigt am 24. Juni 2007 über Matth.
11, 28; Markus 8, 36 -
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Ihr Lieben,
Urlaub – das gehört
zu den Wörtern mit starkem Sehnsuchtsfaktor.
Das
erste Halbjahr ist geschafft. Jetzt erst mal alles hinter sich
lassen! Endlich!
Ich hab gern Urlaub.
Für mich gehört
dazu immer eine Portion Leichtigkeit und Unbeschwertheit.
Ich muss nicht immer
nur vernünftig sein. Ich trink dann schwarze Limonade.
Und ich höre mehr
auf die innere Uhr als auf die Signale und Anforderungen von außen.
Im Urlaub trage ich
keine Uhr.
Urlaub, das heißt
„Frei sein“ – wenigstens dann!
Und möglichst an
einem Ort, wo man nicht erreichbar ist.
Eine Zuflucht, ein
Schutzraum, an dem ich ungestört bin.
Wo nicht ständig
irgendwer etwas von mir will.
Urlaub ist, wenn man
nicht nur funktionieren muss.
Wenn nicht Andere
oder Sachzwänge über die eigene Zeit entscheiden.
In der Bilderwelt der
Bibel ausgedrückt:
Die Sehnsucht nach
Urlaub ist nichts anderes als die Erinnerung an das Paradies.
Ruhe! Nichts tun müssen!
Gut und gesund essen und trinken. Freunde um sich –
und keine Sorgen,
keine Traurigkeit. Da ist niemand, der es böse meint.
Nur: selbst beim schönste
Urlaub gibt es den letzten Tag. So paradiesisch bleibt es nicht.
„Pfeif
auf die Welt!“ – gilt dann doch nur auf Zeit.
Diese Welt – mit
all ihren Grenzen – ist eben doch unsere Welt.
Da können und
sollten wir nicht einfach draus verschwinden.
Da bleibt uns höchstens
der kleine Ausstieg. Urlaub eben.
„Komm
nach Caputh, pfeif auf die Welt!“
ein Satz auf der Urlaubskarte.
Und doch:
Hinter dem, was
Albert Einstein seinem Sohn empfiehlt, höre ich mehr!
Wir haben eben diesen
längeren Text von ihm gehört. Den er eben dort verfasst hat.
Da höre ich etwas
von innerer Freiheit.
Von einer Einstellung
zur Welt, die sich nicht gefangen nehmen lässt.
Besonders die letzte
Passage hat mich angerührt – Einstein schreibt:
Das
Schönste und Tiefste, was der Mensch erleben kann, ist das Gefühl
des Geheimnisvollen. Es liegt der Religion sowie allem tieferen
Streben in Kunst und Wissenschaft zugrunde. Zu empfinden, dass
hinter dem Erlebbaren ein für unseren Geist Unerreichbares
verborgen sei, dessen Schönheit und Erhabenheit uns nur mittelbar
und in schwachem Widerschein erreicht, das ist Religiosität. Es ist
mir genug, diese Geheimnisse staunend zu ahnen.
Da gibt es mehr als
diese sichtbare Welt – mit der sich der geniale Physiker vor allem
beschäftigt hat.
Albert Einstein
wusste: „Was wir sehen,
messen und berühren können, das ist nie alles.
Es
gibt ein Geheimnisvolles dahinter.“
Und weil dieses
Geheimnisvolle auch real ist, konnte er sagen:
„Pfeif
auf die Welt!“
Die sichtbare Welt
ist nur ein Teil des Ganzen. Nicht mehr.
Und noch nicht einmal
der schönste Teil. Der, von dem Sinn und Erfüllung ausgeht.
Das Unfassbare
dahinter, das Geheimnisvolle, von dem der Glaube redet, erst das
macht unser Leben lebenswert.
Ein reiner
Materialismus ist dagegen arm.
Denn wer nur diese
Welt wahr nimmt, der hat das Entscheidende verloren: die Hoffnung.
Jemand hat einmal
gesagt: die biologische Lebenserwartung ist zwar in den letzten
Jahren ständig gestiegen. Dennoch haben wir an Lebenserwartung viel
verloren.
Wenn heute die
Lebenserwartung von 35 auf 87 Jahren gestiegen ist, dann ist das
eben nur die halbe Wahrheit. Früher war die Lebenserwartung
vielleicht nur fünfunddreißig Jahre, aber eben plus Ewigkeit.
Heute mag sie bei 87 Jahre liegen – nur: danach kommt nichts mehr.
In dieses Leben muss
alles hineinpassen.
Diese Jahre hier in
dieser Welt müssen alles bringen, wenn es keine Hoffnung gibt.
Wenn es keinen
Glauben gibt.
Das macht Stress! Was
für ein Risiko, wenn man irgendwann bitter erkennt:
Dies
oder das habe ich verpasst. Und zwar für immer. Die Chance ist
vorbei.
Vielleicht reisen
manche Rentner deshalb so viel.
Aus der Sorge, sie könnten
was verpasst haben, wenn ihr Leben einmal endet.
Dass Menschen
massenhaft Urlaub machen, das ist ja eine relativ neue Erscheinung
–
Kann es sein, dass
dieses Bedürfnis in dem Maße aufkam, in dem die Hoffnung auf
Ewigkeit verloren gegangen ist?
Ein böser Gedanke.
Das klingt ja
geradezu, als ob ich behaupten wolle, Menschen mit Hoffnung bräuchten
keinen Urlaub.
Sicher nicht. Dazu
sind wir zu sehr Kinder unserer Zeit.
Wir brauchen Urlaub,
weil wir dieselben Stressfaktoren im Leben kennen wie Andere auch.
Und doch – klar
ist: die Menschen der Bibel kannten Urlaub Machen nicht.
Ob sie deshalb
schlechter lebten als wir?
Was Menschen zu allen
Zeiten wohl kannten, das war Stress und Müdigkeit.
Das ist nicht neu.
Als Jesus einmal
solche Menschen vor sich sah, da rief er ihnen nicht zu:
„Macht
mal Pause! Spannt mal so richtig aus. Ihr braucht Tapetenwechsel.“
Sondern er rief dies:
„Kommt
alle her zu mir, die ihr euch abmüht und unter euren Lasten leidet.
Ich
werde euch Ruhe geben.“
Jesus schlägt bei
Stress nicht einen Ortswechsel vor, sondern eine neue Einstellung.
Darum geht es. Wer
sich Jesus, dem Auferstandenen, zuwendet, der bekommt auch dies:
Abstand zu den Dingen, die uns immer wieder urlaubsreif machen.
Im Grunde ist es ähnlich
wie beim Urlaub:
Wer Jesus finden
will, der braucht Abstand zur Welt.
Nicht unbedingt räumlich,
aber innerlich.
Wie aber geht das
ganz praktisch – sich Jesus zuwenden?
Die Möglichkeiten
sind sicher so vielfältig wie die Arten, Urlaub zu machen.
Und weil Menschen so
unterschiedlich sind, gibt es auch unterschiedliche Zugänge zu
Jesus.
Das kann ein Moment
des stillen Innehaltens sein – im Laufe des Tages.
Manche nehmen sich
Zeit vor dem Frühstück.
Suchen einen Raum
ohne viele Ablenkungen auf, sind wach und schließen doch die Augen.
Lesen etwas aus der
Bibel, denken und beten.
Hören, ja, auch das.
So ähnlich würde
ich es von mir beschreiben – aber das ist nicht immer gleich.
Hilfreich ist
jedenfalls, dass man sich selber eine Ordnung dafür gibt.
Wie ein Ritual, das
wir uns gönnen.
Nicht als eine zusätzliche
Last. Als eine Pflichtübung.
Wem der Glaube so
vorkommt, der hat noch nicht seine Form gefunden.
Die ihm Raum zur
Begegnung mit Jesus gibt.
„Pfeif
auf die Welt“ Einstein beschreibt für mich die innere Haltung
der Freiheit.
Einer Freiheit,
seiner Seele etwas Gutes zu tun.
Als vor zwei Wochen
der Kirchentag hier in Köln war, da trugen Viele diese orange-roten
Schals. Darauf stand ein Zitat von Jesus. Es war eine Frage, die
lautete so:
„Was
hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne?“
Jesus hat die Frage
noch genauer gestellt.
„Was
hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und dabei
Schaden nimmt in seinem Leben?“.
Es tut uns gut, einen
gewissen inneren Abstand von der Welt zu halten.
Die Freiheit der
Kinder Gottes ist es, nicht alles mitmachen zu müssen, was diese
Welt anbietet. Dazu lädt Jesus uns ein.
Amen.
Björn Heymer
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