Predigt am 7. Juni 2007 über 1. Mose
16 (Welcome, Kirchentag) -
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Ihr Lieben,
da stehen zwei Männer nach
Feierabend in der Kneipe am Tresen.
Nach dem dritten Kölsch
fragt der Eine:
A:
Sag mal, wozu machen wir das eigentlich alles?
B:
Was?
A:
Na, die ganze Plackerei jeden Tag.
B:
Du stellst Fragen! Um Geld zu verdienen, natürlich.
A:
Und – wozu? Ich mein, wozu sind wir überhaupt auf der Welt?
B:
Is doch logisch: um Kinder zu kriegen. Es muss doch weitergehen.
A:
Und die? Wozu sind die dann da?
B:
Na ja, für unsere Rente.
A:
Und dann?
B:
Tja, auch wieder, um Kinder zu kriegen.
A:
Und die?
Und so weiter, und so
weiter.
Welchen Sinn hat das Ganze?
Reicht es, dafür zu sorgen, dass es weitergeht?
Reicht es, irgendwann zu
heiraten, Kinder zu kriegen, die auch wieder Kinder haben?
Leben, damit es weitergeht
mit dem Leben - Reicht uns das?
Irgendwie doch nicht, oder?
Was ist nötig, damit
Menschen ihr eigenes Leben als lohnend empfinden?
Damit sie wirklich sagen können:
Ich lebe! Gern und sinnvoll.
Der Besuch bei einem
schwedischen Möbelhaus reicht dazu sicher nicht.
Es sind drei Dinge, die
Menschen brauchen, um ihr Leben als sinnvoll zu erleben:
Menschen
wollen 1. ohne Vorbehalte angenommen sein
Menschen
wollen 2. eine sinnvolle Aufgabe; sie wollen gebraucht werden
Menschen
streben 3. nach Sicherheit, wohin die Reise einmal geht
Und zwar wird ein Leben dann
als sinnvoll erlebt, wenn von allem etwas dabei ist.
Wenn nur eins fehlt, wird
das Leben schnell öde.
Du kannst in guten
Beziehungen leben, Freunde haben, vielleicht einen Lebenspartner –
Echt gut, aber: ohne
Aufgaben, ohne Erfolgserlebnisse fehlt dir was.
Oder du hast einen wirklich
erfüllenden Beruf, in dem du echt was kannst.
Wenn keiner da ist, mit dem
du dein Glück teilen kann, dann kommt irgendwann die Krise.
Und auch das ist wahr:
Alles, was gelingen mag im Leben, macht einen erst dann zufrieden, wenn
man weiß, wohin man strebt. Wenn man ein Ziel hat.
Hagar war eine ägyptische
Sklavin im Zelt des Wüstenfürsten Abraham.
Und damit war sie ein
Niemand.
Sie hatte nur ihre Arbeit.
Was ihr fehlte, war der Respekt für die Person.
Und eine tragfähige
Hoffnung für ihre Zukunft hatte sie auch nicht.
Das – könnte man ja
denken, kam, als sie ihrem Chef das ersehnte Kind geboren hatte.
Trotzdem – Respekt und
Anerkennung bekam sie nicht.
Dabei gehört es zur Würde
jedes Menschen, dass er Antworten bekommt auf die Grundfragen des Lebens: Zu
wem gehöre ich wirklich dazu?
Was
ist meine ganz besondere Aufgabe im Leben?
Und: Wohin läuft mein Leben?
Wenn die drei Fragen gut zu
beantworten sind, dann ist ein Leben nie umsonst.
Und genau das hat der Gott
der Bibel für Menschen bereit.
Das können wir an der
Geschichte von der Sklavin Hagar sehen.
Und dann machte sie eine
einzigartige Erfahrung mit dem Gott Abrahams.
Diese Erfahrung war so überraschend,
dass einer der Namen Gottes daraus entstand:
El
Roe – der Gott, der einen sieht!
Wenn ich meinen vierjährigen
Sohn Till anschaue und ihm aufmerksam zuhöre, dann strahlt über das
ganze Gesicht. Dann weiß er: meine ganze Aufmerksamkeit gilt ihm.
Diese Erfahrung machte Hagar
in der Krise ihres Lebens. Als sie absolut am Tiefpunkt war.
Als sie nur noch sterben
wollte.
Hagar hatte es nicht leicht
in ihrem Leben. Das haben wir eben schon gehört.
Sie lebte getrennt von ihrer
Familie und Kultur.
Natürlich glaubte sie nicht
an den Gott ihres Dienstherren. Warum sollte sie auch?
Es war nicht ihrs.
Und vermutlich standen ihr
die Erfahrungen mit Sarah und Abraham auch echt im Weg.
Und Hagar war unfrei – und
das klingt nur harmlos.
Das war demütigend, hart
und erlaubte ihr keine Perspektive.
Und dann wurde sie
schwanger, aber der Vater ihres Kindes war nicht ihr Mann.
Sie war so etwas wie eine
Leihmutter – nur, ohne sich freiwillig dafür entschieden zu haben.
Und
wer fragt nach mir? Wer kümmert sich darum, wie es mir geht?
Und weil sie sich als
Antwort nur Niemand! vorstellen
konnte, darum ging sie weg.
Die Flucht in die Wüste war
für Hagar der Ausdruck schierer Verzweiflung.
Hagar ist die Frau, die tief
verletzt wurde in ihrem Frausein. Die tief verletzt wurde in ihrem Recht
darauf, eine eigene Person zu sein, mit eigener Geschichte und mit
Freiheit.
Die Wüste – das ist das
äußere Sinnbild für ihre innere Lage.
In der Wüste allein zu
fliehen, ohne Wasser und Nahrung – das war Selbstmord.
Hagar hatte an diesem Punkt
ihr Leben aufgegeben.
Das Einzige, was sie noch
suchte, war der Tod.
Und da begegnete sie Gott.
Nicht, dass sie ihn gesucht hätte – er trat ihr in den Weg.
„Er
hat mich gesehen“ – so beschrieb sie dann ihre Grunderfahrung mit
Gott.
Sie fand sich wieder an
einer Wasserstelle.
An einem Ort der Ruhe, der
Erfrischung und Rettung
Und dort, an der Quelle,
sprach ein Bote Gottes sie an:
„Hagar,
Sklavin Sarahs, woher kommst Du und wohin gehst Du?“
Gott gibt Hagar genau das,
was ihr bis dahin gefehlt hatte:
Sie wird mit ihrem Namen
angesprochen. Hagar!
Den Namen auszusprechen –
das ist so etwas wie der Blickkontakt.
Das deutliche Signal: „Du
bist gemeint!“
Gott kennt auch den, der von
ihm noch gar nichts weiß!
Und dann fragt er sie: „Woher
kommst Du? Was liegt hinter Dir? Wie geht es Dir?“
Und spricht mit ihr über
ihre Zukunft: „Wohin gehst Du? Was
erwartest Du?“
So ist Gott: Er gibt Hagar
genau das, was in ihrem Leben gefehlt hat:
Er interessiert sich für
ihre Vergangenheit und für ihre Zukunft.
„Wirf
Dein Leben nicht weg. Es ist doch jemand da, der sich für Dich
interessiert.
Dafür,
was Dich geprägt hat. Was Du mit Dir schleppst. Und der eine Zukunft für
Dich hat.“
Der Engel Gottes fragt Hagar
ja nicht einfach so. Er weiß die Antwort längst.
Aber er lässt Raum, dass
Hagar erzählen kann. Und das tut sie dann auch.
Wenn heute einer zu Gott
kommt, dann findet er erstmal ein offenes Ohr –
Wer
bist Du? Was bringst Du mit – an Erfahrungen, auch an Wunden und Narben?
Erzähl
es mir, sagt Gott.
Und erst danach kommt die
Wegweisung:
„Hagar,
das, was Du mit Deinem Leben vorhast, ist ein Irrweg. Jetzt gehst Du mit
Dir unbarmherzig um – weil man so mit Dir umgegangen ist. Und das ist
nicht gut!
Du
musst umkehren, wenn Du leben willst.“
Das hört ja erstmal keiner
gern. Sind wir nicht frei? Ist es
nicht o.k., wie wir leben?
Hagar jedenfalls war auf
einem falschen Weg. Auf einem Weg, der in den Tod führte.
Und Gott will nicht den Tod
– nicht den von Hagar, und auch nicht den Tod von irgend jemand sonst.
Gott will, dass Menschen
leben. Dass sie ihr Leben als erfüllt und sinnvoll erleben.
Manchmal ruft er deshalb zur
Umkehr. Wenn etwas schief ist im Leben von Menschen.
Für Hagar war die Begegnung
mit Gott auf den ersten Blick eine Zumutung.
„Geh
zurück ins Zelt deiner Sklaverei. Bring dieses Kind zur Welt.“
Und dann verspricht Gott
etwas:
„Ich
will aus Deinem Nachkommen ein großes Volk werden lassen.
Die
Befürchtung, die Du hast, kenne ich. Sie wird nicht eintreffen.“
Gott ermutigt Hagar zur
Umkehr, weil er aus ihrem Leben etwas machen will.
Gott kann sogar aus unserem
Schmerz etwas Gutes werden lassen!
Gleich zwei Namen, die jetzt
vergeben werden, drücken dies aus:
Das Kind der Hagar soll Ismael
heißen: „Gott, der hört.
Gott, der hinhört.“
Und Hagar erkennt und
bekennt: Dieser Gott ist der Gott,
der mich sieht. Ich nenne ihn El- Roe! Gott, sieht mich an. Was für
ein Satz!
Wer sich von Gott finden lässt,
der findet das Leben. Auch und gerade in Krisen.
Von Sören Kirkegaard stammt
der Satz: „Gott vermag es, selbst
aus unseren Fehlern das noch Größere, das noch Bessere zu machen, als
unser vermeintlich Richtiges gewesen wäre.“
Amen.
Björn Heymer
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