Predigt am am 22. April 2007 über Lukas
15, 1-7
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Liebe
Gemeinde,
„Vom Suchen und Finden der Liebe“, so lautete ein Filmtitel im
vergangenen Jahr. Und der Titel verrät es schon:
Es
ist die Geschichte einer Suche nach Liebe.
Suchen
und Finden.
Das
war das Motto des Jahres der Bibel 2003 und es lud ein, die Texte
der Bibel neu zu entdecken.
Suchen
und Finden.
Das
gehört zum Leben dazu.
Es gibt „Suchmaschinen“
im Internet.
Es gibt Kontaktanzeigen oder Kleinanzeigen in den
Zeitungen unter der Überschrift „Suche“ und manchmal begegnen
uns auch Vermisstenmeldungen von Personen, die gesucht werden.
Suchen und Finden. Das ist auch das Thema unseres
Predigttextes.
Ich lese Lukas 15, 1-7:
1
Es nahten sich Jesus allerlei Zöllner und Sünder, um ihn zu hören.
2
Und die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser
nimmt die Sünder an und isst mit ihnen. 3 Er sagte aber zu ihnen
dies Gleichnis und sprach:
4
Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er
eins von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt
und geht dem verlorenen nach, bis er’s findet? 5 Und wenn er’s
gefunden hat, so legt er sich’s auf die Schultern voller Freude. 6
Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und
spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf
gefunden, das verloren war.
7
Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder,
der buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße
nicht bedürfen.
Liebe Gemeinde!
Jesus erzählt ein Gleichnis.
Es ist leicht zu begreifen und gehört zu den
bekanntesten Geschichten der Bibel.
Jeder von uns kann den Inhalt verstehen.
Denn wir alle haben in unserem Leben schon Dinge
verloren – und wiedergefunden. Gut, dass das Portemonnaie auf
einmal wieder da ist, und ich den Autoschlüssel wiedergefunden habe
und das wichtige Dokument und die Brille, die Fahrkarte,
die Lieblingshose und, und und...
und Erleichterung, Freude.
Und vielleicht haben Eltern auch schon einmal ihr
Kind im Einkaufstrubel im Kaufhof verloren und dann die Meldung gehört:
Der kleine Michael sucht seine Eltern.
Auch da war das Wiedersehen von Freude
und von Erleichterung bestimmt und nicht von Vorwürfen.
Eines ist aber auch klar:
Es gibt Dinge, die man nicht so schnell oder sogar
nie mehr wieder findet:
Verlorene Hoffnung, verlorene Heimat, verlorene
Arbeit, verlorene Gesundheit, verlorener Glaube, verlorener Halt.
Auch das gehört zum Leben dazu.
Und so gibt es viele Menschen die verzweifelt sind.
Weil sie suchen und nicht finden.
Weil so vieles in ihrem Leben verloren ist.
Und darüber verlieren sie sich oft selbst.
Verlieren ihr Vertrauen.
Verlieren die Mitte ihres Lebens.
Und eben für diese Menschen erzählt Jesus das
Gleichnis.
Er erzählt das Gleichnis, weil er etwas über Gott
erzählen will.
Damit wir erfahren wie Gott ist.
Im Bild des guten Hirten stellt Jesus uns Gott vor.
Und das zeigt: Gott sucht dich.
Du bist für ihn einzigartig und unersetzlich.
Du bist ihm wichtig.
Gott sucht dich. Du sollst nicht verloren sein.
Du sollst dich selbst nicht verlieren.
Nicht in deinen Träumen und Hoffnungen.
Und auch nicht in den Bindungen, die deinem Leben
schaden.
Gott sucht dich.
So ist Gott.
Er verliert keinen aus den Augen und gibt keinen
verloren.
Er geht dir nach und möchte dich zurückholen in
seine Gemeinschaft mit ihm und den anderen, die auch zu ihm gehören.
Das Überraschende daran ist, dass Gott die Menschen
ohne Vorbedingung sucht.
Es geht nicht um die Frommen, um die Pharisäer und
Schriftgelehrten,
wie sie der Predigttext nennt.
Es geht um die Außenseiter, die Zöllner und Sünder.
Er kümmert sich um die Außenseiter, um die
Menschen,
die in der Gesellschaft nicht gut angesehen sind, um
die Kleinen,
die Bedeutungslosen.
Er sorgt sich um die, die verzweifelt und resigniert
sind,
weil sie so vieles im Leben schon verloren haben.
Er sucht sie, findet sie und lässt sie nie mehr
los.
So ist Gott.
Für ihn sind die Menschen, besonders wertvoll und
kostbar, die gescheitert sind,
die einen Makel haben, die kaputten Existenzen.
Denen gilt seine Liebe und seine Sorge.
Daher scheut er keinen Weg und keine Anstrengung
einen Menschen zu finden.
Er sucht den einen Einzigen und nicht die Masse.
Denn es ist klar: Kein Hirte der Welt wird sich so
verhalten wie der Hirte der Geschichte – da der Schaden am Ende größer
sein könnte als der Nutzen.
Doch gerade in dem, was unwahrscheinlich und unvernünftig
ist,
zeigt sich Gottes Größe.
Und es zeigt, dass er anders ist.
Er hat andere Maßstäbe als wir.
Er urteilt anders, als wir es für richtig und
angemessen halten.
Ihm liegt an dem einen verlorenen Schaf.
Ihm liegt daran, weil er für das Schaf sorgen will.
Weil es zu ihm gehört und er es liebt.
Weil es in seiner Nähe Leben soll.
Weil es in seiner Nähe, Mitte, Sinn und Ziel finden
kann.
Und in Jesus sucht Gott das Verlorene.
„Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und zu
retten, was verloren ist“,
sagt Jesus über sich selbst.
Und das erleben die Menschen, denen Jesus begegnet.
Diese Suche Gottes nach den Menschen, die verloren
sind, hat Jesus vorgelebt.
Davon hat er den Menschen erzählt.
Und der Evangelist Lukas hält die Geschichten dazu
fest:
Der Zöllner Levi, der von Jesus gefunden, sein
Leben in den Spuren Jesus antreten konnte.
(Lk. 5,27-32)
Der verlorene Sohn, dem der Vater entgegenging,
damit sie den Weg zurück ins Vaterhaus gemeinsam gehen konnten (Lk.
15,11-32).
Der Oberzöllner Zachäus, der auf einem Baum
sitzend von Jesus gefunden wurde und mit dem Jesus Gemeinschaft
haben wollte.
Alle diese Geschichten haben eines gemeinsam:
Es sind Geschichten vom Suchen, vom Finden und vom
Freuen.
Sie zeigen, dass ein neuer Anfang mit Gott möglich
ist.
Zu jeder Zeit.
Und so ist die Geschichte Gottes mit uns Menschen.
Von Anfang an -
und immer wieder!
„Wo bist du?“ Schon das erste Buch Mose erzählt,
wie der Mensch verloren geht.
Und wie er seine Unschuld ein für alle mal
verliert.
Wie er sich verliert und wie er die Gemeinschaft mit
Gott verliert.
Und Gott?
Er sucht den Menschen.
In dem Moment, in dem ein Riss durch die Beziehung
von Gott und Mensch geht, macht sich Gott auf die Suche.
„Adam / Mensch, wo bist du?“ (Gen.3,9)
Gott lässt den Menschen nicht in der Verlorenheit
zurück, sondern sucht ihn.
Sucht einen neuen Anfang.
Immer wieder.
Davon erzählt das AT.
Das verheißen die Propheten. (Jes. 40,11)
Und in Jesus Christus sucht Gott uns Menschen selbst
auf.
Weil er unser Verloren-Sein überwinden will.
Weil er unserem Leben die Mitte zurückgeben will.
Weil er das Trennende, das zwischen ihm und uns
steht, überwinden will.
Jesus ist der Hirte, der das verlorene Schaf auf
seinen Schultern behutsam zurückträgt.
Damit wird deutlich:
Es zählt nicht die Vergangenheit, sondern die
Einladung zu einem Leben mit Gott.
Er will uns unsere Schuld vergeben.
So wird die Gemeinschaft mit Gott möglich.
Und so gibt er unserem Leben die Mitte zurück.
Sein Ziel ist es, dass wir die Mitte unseres Lebens
in der Begegnung mit ihm finden. Und er will uns auf unserem Weg
begleiten.
So ist unser Gott.
Und er geht noch einen Schritt weiter.
Wenn wir uns nicht auf den Weg zu ihm machen,
dann ist er es selbst, der sich auf den Weg macht,
der uns nachgeht, der uns sucht.
Er will uns nahe sein. Und er lädt uns zum
Vertrauen ein.
Ein Vertrauen, dass auch die dunklen Stunden des
Lebens mit einschließt.
Dieses Vertrauen macht uns frei.
Frei sind wir, weil er unser Vater sein will und wir
seine Kinder.
Deshalb trägt er uns auch durch schwere Zeiten.
Wie bei guten Eltern heißt es auch bei ihm:
„Kind, du kannst jederzeit zu mir kommen, egal was
du gemacht hast.“
Und diese Einladung zum Vertrauen, wird ganz
unterschiedlich aussehen:
Es ist vielleicht sein gutes Wort, das uns trifft,
wenn wir es in der Bibel lesen,
wenn wir es im Gottesdienst hören.
Und wir hören es dann so, dass es unserem Leben
hilft:
Befreiend, Weg weisend, tröstend oder Rat gebend.
Manchmal sind es auch Menschen, die Gott uns an die
Seite stellt,
die für uns da sind,
die zuhören, raten, helfen können.
Die uns ein gutes Wort sagen.
Und Gott sucht uns auch in dem, was wir uns nicht
gewünscht haben,
wovor wir Angst haben.
Gerade in den schweren Zeiten ist er dabei und will
uns tragen.
Das erleben Menschen, die mit einer schweren
Krankheit zu kämpfen haben, genauso wie Menschen, die einen Angehörigen
durch den Tod verloren haben.
Denn die Einladung, ihm zu vertrauen, gilt ganz
Besonders für die dunklen Stunden des Lebens.
Gott sucht. Und findet.
Und er freut sich, wenn wir uns von ihm finden
lassen.
Wenn Gott uns gefunden hat, dann gibt es kein
Nachtragen und keinen Vorwurf.
Nein, dann gibt es
Freude.
Dann knallen im Himmel die Sektkorken.
Aber nicht nur dort, denn Gott lädt zum Mitfreuen
ein.
Das gehört dazu.
Und das ist unsere Aufgabe als Kirche und als
Gemeinde.
Wir sollen uns anstecken lassen von der Freude
Gottes über einen Menschen,
der sich von ihm finden lässt und ihm vertraut.
Diese Freude soll unser Miteinander prägen.
Mitfreuen können wir uns, weil auch über unserem
Leben steht:
Verloren – gesucht – und gefunden. Amen.
Andy Rudziewski
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