Predigt am 1. April 2007 über Johannes
17, 1 - 8 -
Drucken
vorgestern stand ich
an einem Krankenbett – und wusste: diese alte Frau wird bald
sterben.
So an einem
Sterbebett zu stehen, einem Menschen zu begegnen, wo es vielleicht
die letzte Begegnung auf dieser Erde sein wird, - also mir geht es
in dieser Situation meistens so, dass ich mich beklemmt fühle. Was
soll, was kann man da sagen?
Vor Jahren, als mein
eigener Bruder im Sterben lag, da brachte ich es nicht über mich,
das Thema
anzusprechen, das mich doch am meisten innerlich bewegte:
„Was
geht ehrlich in einem Menschen vor, der ahnt oder gar weiß, dass
sein Leben bald zu Ende ist? Der bald vor seinem Schöpfer stehen
wird.“
Etwas Belangloses zu
reden – das empfinde ich in gewisser Weise als eine Niederlage.
Als ein Sich drücken
vor dem Schweren. Und tue es doch allzu oft.
Vielleicht mit dem
Gedanken: Damit schone ich den Anderen. Schließlich ahne ich doch:
Der
kann mit der Hoffnung auf die Ewigkeit nicht viel anfangen.
So ging es mir bei
meinem Bruder. Er starb friedlich, an Krebs. Aber von Gewissheit
oder Hoffnung auf Ewigkeit war nie die Rede. Auch nicht in unserem
letzten Gespräch.
Leider, dachte ich
damals schon und denke es heute immer noch.
Sein friedliches
Sterben war, so weit ich das beurteilen konnte, eine Mischung aus
Phlegma und Verschließen der Augen, bis sie geschlossen wurden.
Die Wirklichkeit des
Todes hat er offenbar verdrängt bis zuletzt –
wie übrigens vorher
die Schwere seiner Krankheit
Ganz anders die Frau,
die ich vorgestern besuchte. Ich kenne sie schon lange. Ich weiß:
Sie lebt im Glauben
an die Auferstehung.
Bei völlig klarem
Verstand ist ihr auch klar: der Weg auf dieser Erde ist nicht mehr
weit.
Und gerade diese
letzte Strecke ist mühsam, weil die Kräfte sie verlassen haben wie
nie zuvor.
Und doch: kein Verdrängen,
keine Panik, auch kein Drum herum Reden.
Wir haben über
Zuversicht gesprochen – und über Jesus.
Mit ihr habe ich den
Abschnitt aus dem Johannes-Evangelium gelesen, der uns für heute
empfohlen ist. Es sind ganz besonders kostbare Worte.
Aus dem längsten und
innigsten Gebet, das einer seiner Jünger dem Meister abgelauscht
hat.
Wenige Stunden vor
seinem Tod hat Jesus so gebetet:
Vater,
die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich
verherrliche; denn du hast ihm Macht gegeben über alle Menschen,
damit er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast. Das
ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott
bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen. Ich habe
dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir
gegeben hast, damit ich es tue. Und nun, Vater, verherrliche du mich
bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt
war. Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus
der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben,
und sie haben dein Wort bewahrt. Nun wissen sie, dass alles, was du
mir gegeben hast, von dir kommt. Denn die Worte, die du mir gegeben
hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und
wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie
glauben, dass du mich gesandt hast.“
Wir kommen drin vor!
Das ist schon erstaunlich! Jesus ist gedanklich voll damit beschäftigt,
dass er bald sterben wird. Er ahnt die Schwere des Weges, der vor
ihm liegt.
Und doch: keine Panik
in seinen Worten. Kein Selbstmitleid.
Sondern eine ganz große
Gewissheit: dies ist der richtige und unabänderliche Weg!
So und nicht anders
muss es sein – weil es der Weg der Vollendung ist.
Vater,
die Stunde ist da! – Es waren fast die ersten Worte, die ich
vorgestern von der alten Dame hörte: Herr
Pfarrer, ich weiß, es wird nicht mehr lange sein.
Wie befreiend, wenn
man so direkt und ehrlich sein kann.
Woher kommt eine
solche innere Freiheit?
Darauf gibt Jesus
eine klare Antwort:
Aus der Gewissheit,
das ewige Leben zu haben.
Und dies ist das
kostbare Geschenk, das Jesus gibt.
Er gibt ewiges Leben
denen, die zu ihm gehören.
Das ist viel mehr als
eine Verbesserung unseres Lebens hier. Viel mehr? Was denn?
Was ist ewiges Leben
eigentlich? Ewig die gleiche Leier – wie bei der schlechten
Parodie vom Himmel, wie sie der Münchener im Himmel vormacht?
Jesus sagt:
Ewiges
Leben ist dies: erkennen – Gott kennen und Jesus als Gottes
Gesalbten.
Erkennen ist eines
der Schlüsselwörter des Glaubens.
Gott und Jesus
erkennen. Was ist gemeint?
Jedenfalls nicht bloß
ein Verstehen und Begreifen.
Nicht bloß eine Überzeugung
oder Erkenntnis, eine gelernte Lektion in Sachen Glauben.
Am Tiefsten verstehen
wir es da, wo wir der Beschreibung in der Schöpfungsgeschichte
lauschen: Adam, der Mensch erkennt seine Frau, Eva – und sie wurde schwanger.
Mit „erkennen“ ist die ganze Tiefe ihrer Beziehung beschrieben:
Die Freude der
Entdeckung:
Hier
ist ein fremdes Wesen mir doch geheimnisvoll vertraut.
Ich
fühle mich hingezogen zu ihm. Ich will nicht mehr ohne diesen
Anderen sein.
Was
mir fehlt, das finde ich bei ihm.
Was
mir wertvoll ist, das weiß ich bei ihm gut aufgehoben.
Vertrauen
auf den ersten Blick. Die beglückende Gewissheit: ich bin nicht
allein.
Dieser
Andere ist es, auf den ich mich unbedingt verlassen kann.
Auf
den ich mich stützen möchte. Der mich zu Höchstleistungen
inspiriert.
Und
in der Gemeinschaft mit ihm entsteht etwas ganz Neues, zu dem ich
allein nie imstande gewesen wäre.
Und dann die
Verschmelzung zweier Wesen, aus der etwas ganz Neues entsteht.
Wie die Zeugung eines
neuen Menschen.
Erkennen, das beschränkt
sich nicht auf Hören und Verstehen – mit dem Verstand.
Gerade das Johannes
– Evangelium werden wir nicht erfassen, wenn
nicht mit dem Herzen.
Kreisend und
wiederholend, dabei unmerklich fortführend, so gehen die Wege bei
ihm.
Das Johannes -
Evangelium ist viel mehr als ein Bericht der Ereignisse um diesen
Jesus.
Wenn wir ab morgen
Abend für Abend auf Johannes hören, dann wünsche ich mir, dass
wir das mit viel innerer und auch äußerlicher Ruhe tun.
Nicht, um etwas zu
leisten. Nicht um, die Ereignisse zu bedenken.
Sondern darum: um
Gottes Handeln darin zu erkennen.
Vielleicht machen wir
noch viel zu viele Worte um das, was im Tiefsten ganz einfach ist:
Gott ist die Liebe
– und alles was in seinem Namen, in seiner Vollmacht geschieht,
ist Liebe.
Heute hilft uns die
Musik dazu – und die schlichten Zeichen von Brot und Wein.
Ab morgen ist es das
Schweigen.
Wenn wir innerlich
still werden und Raum geben, dann wird Gott da hinein reden.
Verherrliche
Du mich – betet Jesus. Mach
Du mich dir ähnlicher, denn Du bist der Herr.
Noch so ein
wunderbares Grundwort des Glaubens: ver – herr - lichen.
Dem Herrn ähnlicher
machen – das ist im Tiefsten damit gemeint.
Würden wir das
wagen? So zu beten? Jesus – verherrliche uns!
Ich glaube, niemand
hier im Raum hat je gewagt, so zu beten.
Weil wir es
vollkommen missverstehen!
Es geht ja nicht
darum, dass wir glänzend herauskommen.
Sondern das Gott
unser kleines unbedeutendes Leben so verwandelt, dass in all unserem
Normalen, menschlichen etwas von seinem Glanz aufleuchtet.
Wie bei dieser alten
Dame kurz vor ihrem Tod.
Sie hat noch eine
wichtige Aufgabe – dessen bin ich gewiss und das habe ich ihr auch
gesagt.
Sie wird ihre Kinder,
Enkel und Urenkel segnen.
Von ihr wird der
Glanz Gottes ausgehen. Nicht, weil sie das machen könnte, sondern
weil Gott sich in ihr verherrlichen will. Gar nicht so selten tut Er
das durch unser Sterben hinweg.
Wie Jesus ja auch
gestorben ist – und darin am Deutlichsten den Sieg errungen hat.
So mag auch in uns
das sterben, was Gott nicht gefällt – und gerade das ist unsere
Verherrlichung. So, im Sterben des alten Menschen
werden wir dem Herrn ähnlicher.
Amen!
Björn Heymer |