Hier kommen Sie zurück zur Startseite Termine und Veranstaltungen in der Gemeinde + Linkliste Gemeindeprofil, Bildergalerie, Artikel, Predigten Gruppen in unserer Gemeinde (Kigo,Förderverein,Frauenhilfe,Hauskreise) Adressen, Telefonnummern, Lageplan, Umfrage, Gästebuch
Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31 Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31
Predigt am 3. Dezember 2006  über Johannes 4, 5 - 18 -
 
Drucken    

Die Liebe, nach der du dich sehnst

Ihr Lieben,

eine Mutter, die ihr Neugeborenes stillt – ist für mich eines der innigsten Bilder von Liebe.

Es ist die totale Nähe, die hier zum Ausdruck kommt. Die Hingabe der Mutter an ihr Kind. Das überhaupt nichts dafür kann, geliebt zu sein –

außer der Tatsache, dass es eben das besondere Kind ist.

Oder dies: ein Paar in inniger Umarmung – beide Körper sagen nur das Eine:

„Deine Nähe, deine Zärtlichkeit möchte ich immer haben“

Das Paar sucht die Nähe des Anderen aus der Faszination:

Dieser eigentlich fremde Mensch ist mir zugleich ganz vertraut.

Indem man gibt, empfängt man zugleich etwas, was man allein nicht hat.

Beide Bilder haben gemeinsam: Liebe sucht Nähe – und Liebe geht nicht allein.

Nun ist die deutsche Sprache bei der Liebe ja verhältnismäßig arm.

Das griechische Eros – also die sexuelle Bezogenheit aufeinander ist ebenso Liebe wie die Agape, die geschwisterliche Liebe. Oder auch Filia, die Freundschaft.

Dass wir hier nur einen Begriff kennen deutet an:

Wenn wir von Liebe reden, ist das immer auch eine Quelle großer Missverständnisse.

Wie einer seine Liebe ausdrückt – kann sehr unterschiedlich sein.

Und ob ein Anderer sich durch gut gemeinte Zuwendung wirklich geliebt weiß –

das kann zumindest fraglich sein.

Als Jesus dieser Frau am Brunnen begegnete – hat er sie geliebt?

Immerhin hat er offenbar eine tiefe Sehnsucht in ihr geweckt –

und zugleich vielleicht den wunden Punkt in ihrem Leben angesprochen:

Du sehnst Dich nach Liebe und nach Angenommen Sein.

Danach, dass dein Durst gestillt ist. Und zugleich ist in Dir der tiefe Schmerz des Scheiterns:

Beziehungen können mächtig schief gehen.

Manchmal genügt ein falscher Satz – und die Saat des Misstrauens ist ausgestreut.

Und vergiftet das Vertrauen, das vielleicht lange bestanden hatte.

Eine Enttäuschung, eine vielleicht unbedachte Tat – und etwas zerbricht.

Und solche Erfahrungen des Scheiterns erhöhen die Sehnsucht noch.

Dass da einer sei, wo das gelingt. Wo ich sicher sein kann: der steht zu mir.

Wo es mir leicht fällt, mich ganz hinzugeben.

In dieser Woche sprach ich mit vier Menschen, die in ganz unterschiedlichen Lebenslagen alle an einen ähnlichen Punkt gelangt sind:

Auf einmal ist eine tiefe Verunsicherung da:

Bin ich noch geliebt? Kann ich mich auf den Anderen noch verlassen?

Oder muss ich mich vor ihm schützen?“

Verletzt werden wir meistens von Menschen, die uns sehr nahe stehen. Nicht von Fremden.

Und wenn das geschieht, dann entsteht das lähmende Gefühl:

Ich bin allein. Ich vertraue mich am Besten niemandem mehr an“.

Im Extrem ist ein solcher Rückzug tödlich.

Morgen muss ich eine junge Frau beerdigen, von der mir so etwas erzählt wurde:

Sie konnte nicht glauben, dass es bedingungslose Liebe für sie geben könnte.

Selbst in ganz nahen Menschen fürchtete sie einen Feind.

Und über Jahre zog sie sich mehr und mehr zurück.

Bis sie vor einer Woche starb – mit 36 Jahren. Im Tiefsten an fehlender Liebe.

Wir haben in der Vorbereitung für heute über diese Begegnung am Brunnen nachgedacht.

Wie kaum eine andere Geschichte spricht sie von der unerfüllten Sehnsucht nach Liebe.

Und davon, dass Jesus das offenbar erkennt und behutsam anspricht.

Diese namenlose Frau hätte ihre tiefste Sehnsucht vermutlich gar nicht so auf den Punkt bringen können. Zuerst redet sie distanziert und selbstbewusst mit einem Fremden.

Doch als Jesus von lebendigem Wasser spricht, da ist offenbar ihr Lebensthema angesprochen. Und da bricht es aus ihr heraus:

Herr, gib mir von diesem wunderbaren Wasser!

Dann hätte ich die Kraft, mein Leben zu verändern. Dann wäre meine Sehnsucht gestillt.

Die Geschichte, so wie sie erzählt wird, bleibt rätselhaft, geheimnisvoll.

In dem Gespräch sind Sprünge drin – wenn man das liest, versteht man gar nicht, was da bei der Frau aufgebrochen ist. Und warum.

Woher wusste Jesus, was sie so tief bewegte?

Manche Ausleger sagen: ihr Verhalten sprach Bände:

Sie geht in der Mittagshitze zum Brunnen. „Um die sechste Stunde“

Also wollte sie offenbar Begegnungen vermeiden.

Denn um die Zeit geht man im Orient normalerweise nicht zum Brunnen.

Wo sich morgens und abends immer Gelegenheit zu einem Schwätzchen bot, da war man um diese Zeit vor ungewollten Begegnungen ziemlich sicher.

Und Jesus? Er war um diese Stunde da, weil er ein Durchreisender war.

Er hatte kein schattiges Haus für diese Zeit.

Und damit - in der Entwurzelung des Reisenden - ist er genau da, wo er der Frau begegnet.

Er hat verzichtet auf Besitz, Wohnung und Normalität  – ja, er wurde einer, der auf Hilfe angewiesen war. Gerade so begegnet er dieser Frau in ihrer Not.

Und mehr noch: Er, der sonst immer der Helfer in Person war, der sonst immer für Andere da war – er bittet hier um Hilfe. Und er bittet eine Fremde, eine Frau, eine Frau aus Samarien.

Damit überschreitet er alle Grenzen des Anstands, des guten Geschmacks und der Konvention.

Er baut eine Brücke des Vertrauens, indem er sich helfen lässt.

Schon das, einen Dienst anzunehmen, ist eine Sprache der Liebe!

Sie gibt dem Anderen die Würde und Anerkennung.

Jesus sagt mit seiner Bitte:

Du kannst etwas, Du hast etwas, was mir fehlt. Ohne Dich fehlt etwas.

Wenn diese Begegnung so etwas wie ein Muster ist dafür, wie Gott Menschen in Not begegnet, dann dürfen wir das übertragen: So denkt Gott über jeden Menschen – über Dich:

Wenn Du fehlen würdest, dann würde etwas Wichtiges fehlen. Du bist ein Teil des Ganzen.

Du kannst etwas für mich tun.

Das altbekannte Zitat von John F. Kennedy hat seine Wurzeln hier:

Ere sagte es so: „Frag nicht, was Andere für Dich tun. Frag, was Du für Andere tun kannst.“

Sich geliebt zu wissen heißt dies - zu wissen:

Es gibt jemanden, für den bin ich unendlich wertvoll. Der will nicht ohne mich sein.

Ja, der lässt sich gefallen, dass ich ihm diene.

Wir beginnen mit diesem Sonntag wieder die Adventszeit.

Wieder nehmen wir uns eine Zeit der Vorbereitung, das Wunder der Liebe Gottes zu erfassen.

Wir suchen nach einer Antwort auf die Frage: Wie wird die Liebe Gottes so konkret erfahrbar, dass sie mein Herz erreicht? Wie spüre ich etwas davon?

Gott ist in seine Welt gekommen – nicht als ein Herrscher.

Sondern als ein Liebender – und deshalb als einer, der uns zutiefst dient.

Auch dieser Frau bietet er genau das an:

dass er ihr das größte Geschenk ihres Lebens machen will.

Nämlich die Erfüllung ihrer Sehnsucht, die immer wieder gesucht, aber nie gefunden hat.

Nun reden wir von Jesus so, als sei er nicht seit fast 2000 Jahren tot.

Wir glauben, dass Er lebt und dass Er auch heute so auf  Menschen zugeht – wie damals.

Damals begann die Begegnung mit einem Schluck Wasser. Jesus lässt sich dienen.

Dieser Schluck Wasser an den Unbekannten wurde zum Schlüssel.

Zu dem Schlüssel, der ihr den Raum der Liebe neu öffnete.

Wie finden wir die Liebe, nach der wir uns sehnen?

In der Nähe zum Auferstandenen – das ist die Erfahrung Vieler hier im Raum.

Manchmal ist es ein Dienst an einem Unbekannten, der zum Schlüssel wird.

Wo etwas geschieht im Namen Jesu, und man kann mitmachen, da begegnet man dem Herrn.

Und dann immer da, wo wir von ihm hören oder lesen.

Deshalb feiern wir Gottesdienste: als Angebote der Begegnung und der Nähe zum Auferstanden.

Deshalb haben wir in den Welcome Taschen die Grundgeschichte unseres Glaubens.

Meine Kinder sagen immer: das Super Buch. Das Buch, das von Jesus erzählt, die Bibel.

Deshalb laden wir in Bibelgesprächskreise ein. Wo Menschen miteinander die Bibel lesen.

Um darin den Auferstandenen zu finden.

Er ist die Liebe Gottes in Person.

Wer sich diese Liebe gefallen lässt, dessen Sehnsucht wird gestillt.

Amen.

Björn Heymer