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Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31 Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31
Predigt am  19. November 2006 über Jeremia 29, 1, + 4 -7, + 11-13 -
 
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Ihr Lieben,

manche werden es gemerkt haben – vor zwei Wochen hat Pfr. Müller auch schon über diesen Abschnitt aus dem Jeremiabuch gesprochen. In der Vorbereitungsgruppe haben wir gemerkt, dass in diesen Zeilen so viel enthalten ist, dass es durchaus lohnt, noch einmal genau hinzuhören. Heute also noch einmal zu einem Brief, der Weltgeschichte gemacht hat.

Jeremia war in Jerusalem geblieben – als einer von denen, die nach der totalen Niederlage des kleinen Königreiches Juda im Jahr 587 vor Christus nicht verschleppt wurden.

Er gehörte nicht zur Oberschicht. Anders als die oberen Zehntausend – sie waren von den Siegern gefangen genommen und deportiert worden.  

Zivilisten, die zu Opfern eines Krieges wurden

Vertrieben aus der Heimat, verschleppt mit kaum mehr als dem, was sie auf dem Leibe trugen lebten sie in Notunterkünften vor den Toren Babylons.

Wie lange? Das war die Frage, die sie umtrieb und nicht schlafen ließ.

Wie lange müssen wir hier bleiben – hier, wo es heiß ist und wo das Essen nicht schmeckt und man die Sprache nicht versteht.

Dies sind die Worte des Briefes, den der Prophet Jeremia von Jerusalem sandte an den Rest der Ältesten, die weggeführt waren, an die Priester und Propheten und an das ganze Volk, das Nebukadnezar von Jerusalem nach Babel weggeführt hatte.

Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; 6 nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen, und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehret euch dort, dass ihr nicht weniger werdet. 7 Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn's ihr wohl geht, so geht's auch euch wohl.11 Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe das Ende, des ihr wartet. Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und mich bitten, und ich will euch erhören.13 Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet,14 so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR..

Als meine Mutter kurz vor dem Abitur 1951 für ein Jahr nach Schottland geschickt wurde – gegen ihren Willen – einfach, weil ihre Eltern nicht das Geld hatten, um fünf Kinder durchzubringen, da hat sie in der ersten Zeit viel geweint.

Und der Kommentar ihrer Mutter lautete lapidar:

Stell Dich nicht an. Ein Jahr hält man es beim Teufel aus!

Exil – in welcher Form auch immer – ist schrecklich.

Und die Ungewissheit über die eigene Zukunft ist auch schrecklich.

Die oft zermürbende Suche nach Arbeit kann so ein Exil sein.

Man fühlt sich irgendwie draußen – ausgeschlossen von der Konsumgesellschaft, ausgeschlossen von der menschlichen Anerkennung.

Oder die quälende Frage, ob sich nicht doch ein Lebenspartner findet.

Oder ob eine zerbrochene Beziehung vielleicht doch wieder heil wird.

So etwas ist für Einzelne das, was damals das Exil war.

Wenn man sich so fühlt, als sei man nicht dort, wo man eigentlich gerne wäre.

In solche quälende, unsichere Lage hinein hat Jeremia von Gott eine Botschaft bekommen.

Der Brief, von dem wir gerade gehört haben, richtet sich an Leute, die nichts lieber hätten als ein Ende ihres Exils.

Die wie gelähmt waren – weil ihr Leben überhaupt nicht so war, wie es sein sollte.

Und die erste, wichtige Botschaft ist die: Gott ist auch da, wo Du jetzt gerade bist.

Auch wenn Du Dich gerade ganz weit weg fühlst von Gott – Er ist dir nah!

Für uns sagt und denkt sich das vielleicht leicht – damals war es etwas Unerhört Neues!

Bis dahin war für Israel der Glaube an seinen Gott an das eigene Land, gebunden – mit dem Tempel in Jerusalem und der entsprechenden Priesterschaft.

Ohne diese Bindung an einen konkreten Ort schien Glaube nicht denkbar –

wie es für jeden Glauben aller Völker damals galt und meistens bis heute gilt.

Mit der Umsiedlung der Oberschicht wollten die Babylonier die nationale Identität der Besiegten zerstören. Und es war ein Angriff auf den Glauben Israels.

Deshalb wurde der Tempel zerstört. Seht her: Euer Gott ist auch besiegt! Vergesst ihn.  

Wenn ein Volk so getroffen wird, dann braucht es zwei – drei Generationen, und der Glaube, und das Wissen über die Gottheiten eines Volkes sind vergessen.

Mit dem Glauben Israels kam es anders! Weil Israel nicht irgendeinen Glauben hatte, sondern das Volk des lebendigen Gott war und ist. Er zeigte in dieser dunklen Stunde der Geschichte seinen Propheten, dass er für Israel eine Zukunft bereit hat.

Das gilt bis heute: in dunkelster Stunde hat Gott Hoffnung und Zukunft!

Deshalb gab er dem Jeremia den Auftrag, den Verschleppten einen Brief zu schreiben.

Und in diesem Brief ruft Jeremia dazu auf:

„Sucht Gott dort, wo ihr jetzt seid!“

Das gilt bis heute: Gott ist da, wo sein Volk ist.

Er bindet sich nicht an einen Ort, sondern an sein Wort.

Hören wir das zuerst einmal ganz persönlich:

Auch wenn wir gerade ins Elend geraten sind, wenn unser Leben überhaupt nicht so ist, wie wir es uns vorgestellt haben – lasst uns treu weiter beten.

Und wenn es uns Mühe macht, dann sucht Euch Menschen, die mit Euch beten.

Die Euch an die Hand nehmen und vor Gottes Thron führen.

Wer kennt das nicht, dass ihm mal nicht nach Beten zumute ist?

Beten braucht die Gemeinschaft der Betenden. 

Gott baut seine Gemeinde durch die Gemeinschaft der Betenden immer wieder neu.

Was für ein großartiges Versprechen:

Gott lässt uns sagen: „Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, dann will ich mich von Euch finden lassen!“

Das ist gewissermaßen die Seligpreisung der Suchenden.

Nicht die Bestätigung derer, die meinen, schon alles von Gott verstanden zu haben.

Nicht die Vertröstung derer, die gar nicht erst einen Gedanken an ihn verschwenden.

Nicht ein Wort für die, die selber wissen, was für sie Heil, Leben und Erfüllung ist.

Nicht die Zwangsbeglückung derer, die das Suchen verlernt haben.

Wer sich aufmacht und Gott sucht, der darf gewiss sein, ihn auch zu finden.

Drei Formen der Gottsuche bietet Gott selber uns an:

„Ihr werdet mich anrufen und hingehen und mich bitten, und ich will euch erhören.“

Die suchen Gott, die ihn „anrufen“ – das ist das erste.

In der Bibel ist mit Anrufen nicht der Griff zum Handy gemeint. Auch wenn scherzhaft immer wieder gesagt wird, Gott habe eine eigene Telefonnummer: die 5015.

Weil in Psalm 50, Vers 15 steht:

„Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten und du sollst mich preisen.“

Gott anrufen – das meint viel mehr: die Nähe Gottes um seiner selbst willen suchen.

Seinen Namen laut aussprechen. Das geschah vor allem im Gottesdienst, im Tempel.

Es hat was mit einem Ritual zu tun, mit einer Ordnung, einer guten Gewohnheit.

Jeremia meint: Tut in der Fremde das weiter, was ihr zu Hause im Tempel getan habt!

Routine ist das weltliche Wort dafür. Oder Gewohnheit.

Wie immer wir es nennen – das Festhalten an vertrauten Formen bewahrt uns davor, mit unseren Stimmungsschwankungen unterzugehen.

Die Psalmen langsam und laut zu lesen – immer einen, bevor man schlafen geht.

Das wäre so ein hilfreiches Ritual, um Gott zu finden. 

Der zweite Weg, Gott zu suchen, ist: dort hingehen, wo er ist.

Das klingt wie ein Widerspruch zu der Situation, in die hinein Jeremia spricht:

Fast wie ein Hohn! Das gerade konnten sie ja nicht mehr!

In den Tempel, in das Haus Gottes gehen.

Jeremia muss es also anders gemeint haben, dieses Hingehen.

Ich deute es als das Aufsuchen selbst gestalteter heiliger Orte.

Die Israeliten haben im Exil in Babylon die Synagoge erfunden.

Es war das erste Mal, dass man sich in einem Gottesdienstraum versammelte, der nicht ein Tempel war. Also, der keinen Altar hatte, wo Gott nicht ein Opfer dargebracht wird.

So ist es bis heute im Judentum und in der evangelischen Kirche:

Der Gottesdienstraum wird zum heiligen Ort nur durch die lebendige Gemeinde,

die sich dort versammelt!

Die eigenen Wohnung kann zum Haus Gottes werden. Wenn sich ein Hausbibelkreis dort versammelt.

Oder auch, wenn wir uns in der Wohnung einen Ort des Gebets schaffen – eine Stelle, wo wir uns zurückziehen zum Gebet und zum Lesen in der Bibel.

Hingehen – das meint: aus dem Alltag heraustreten, still werden, die Bibel zu lesen.

Darauf liegt das Versprechen Gottes: „Hier lasse ich mich finden!“

Und schließlich: Die suchen Gott, die ihn konkret bitten – das ist das dritte.

Gott hat sich an sein Versprechen gebunden.

Er sagt: „Wo jemand mich bittet, da erhöre ich das Gebet.“

Klingt uns dieser Satz problematisch? Gott ist schließlich kein Automat.

Wenn das so einfach wäre!

Wie steht es mit unseren Erfahrungen mit konkreter Bitte und dem, was dann geschieht?

Zum einen: Ich ertappe mich laufend, dass ich gar nicht den Mut habe, wirklich konkret zu bitten und Gottes Hilfe zu erwarten.

Entweder ich nehme die Sache selber nicht so wichtig oder ich bewahre mich lieber vor der Enttäuschung, dass dann doch nicht das in meinen Augen Richtige passieren könnte.

Die Bibel ist voller Ermutigungen, mit all unseren Anliegen und sehr konkret zu Gott zu gehen. Wer immer nur betet: „Ist schon alles in Ordnung, Gott – mach weiter so“

– der betet zumindest gedankenlos, vielleicht sogar gottlos.

So finden wir Gott jedenfalls nicht – und brauchen uns nicht zu wundern, wenn ein solcher Glaube kraftlos bleibt und leer. Gott will gebeten sein.

Aber: Die Leser des Briefes von Jeremia hätten diesen Aufruf total missverstehen können.

Klar hätten sie gewusst, für was sie beten: „Herr, bring uns auf dem schnellsten Weg wieder nach Hause. Wieder dorthin, wo es uns gut geht. Lass doch diese Krise zu Ende sein.“

Die persönliche Not Gott klagen – ganz klar. Das kennen wir.

Dabei musste Jeremia seinen Leuten damals ja von Gott her auch dies sagen:

„Das, was ihr jetzt erlebt, das ist das Gericht Gottes.

 Die Strafe dafür, dass Ihr so lange ohne mich gelebt habt.“

Nun ist nicht jede Krise gleich ein Gericht Gottes.

Aber wenn immer wir konkret beten, sollten wir auch fragen:

„Herr, was ist Dein Wille? Was macht Dir Ehre? Das soll geschehen!“

An jede unserer Bitten gehört die Bitte aus dem Vater-Unser: „Dein Wille geschehe!“

Manchmal zeigt sich später:

Was wir uns als gut und richtig vorgestellt hatten, das wäre nicht die beste Lösung gewesen.

Gott hat es gut gemacht mit mir – besser noch, als ich es mir hätte ausdenken können.

Wer so betet – konkret und mit dieser inneren Haltung – der findet Gott.

Amen!

Björn Heymer