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Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31 Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31
Predigt am  23.04.2006 über  Johannes 20, 24 - 29 --
 
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Platz für Zweifler

Gut, dass die Zweifler in der Bibel ihren Platz haben. So freut sich ein Bibelausleger über diese Ostergeschichte. Ohne Zweifel - an dieser Geschichte vom Oster-Zweifler ist nichts dran geglättet und bereinigt. Die Auferweckung Jesu bedeutet nicht das Ende alles Zweifels - genauso wenig, wie der Beginn des Reiches Gottes schon die sichtbare neue Welt herbeigeführt hat. Ein Mann, der bekanntermaßen ungläubig und zweifelnd war, besuchte eine Kirche. 
Zur Überraschung seines Begleiters beugt er vor dem Altar das Knie. „Ich denke, du glaubst gar nicht an Gott?” „Das tue ich auch nicht, aber - weiß ich denn, ob ich recht habe?”

In den letzten Jahren habe ich mit vielen über ihre Zweifeln gesprochen; manche sagen: Ich kann das Glaubensbekenntnis nicht mehr mitsprechen, dafür habe ich zu viele Zweifel. Nun ist unser Glaubens-Bekenntnis nicht eine Liste zum Abhaken, sondern eher eine Hilfe, uns Gott vor Augen zu führen, wie das Porträt einer geliebten Person. Und an einem Bild muss mir nicht jede Einzelheit gefallen, sondern der Gesamteindruck. Trotzdem fällt es manchen schwer - und für Thomas steht mit der Frage nach der Auferweckung eigentlich alles in Frage.

Wie gehen wir mit Zweifelnden um? In manchen Köpfen gibt es die Vorstellung, als ob man an der Kirchentür alle Fragen, allen Zweifel abgeben muss, um hinein zu dürfen. Die Geschichte des Thomas rät uns, viel Geduld mitzubringen. Auf jeden Fall nicht die Zweifler zu verurteilen, sondern Geduld zu lernen. So wie Jesus extra acht Tage drauf noch einmal kam, um einen zweifelnden Jünger zum Glauben zu helfen.

1. Glauben gibt es nicht auf Kredit

Vieles kriegt man auf Kredit: Geld, Möbel, Häuser, Autos. Manche beginnen Freundschaften auf Kredit, andere bauen auf den guten Ruf. Kredit kommt von credere (lat.=glauben). Banken überprüfen, ob jemand kreditwürdig, glaubwürdig ist. Wenn jemand mir glaubwürdig ist, nehme ich ihm viel ab. Aber an einer Stelle ist damit Schluss: Niemand kann einem anderen die glaubenweckende Begegnung mit dem Auferstandenen abnehmen.

 „Wir haben Jesus gesehen, wir sind ihm begegnet!” Ganz voll sind die 10 anderen, als sie Thomas davon erzählen. Wenn mir 10 Freunde das gleiche erzählen, bin ich normalerweise überzeugt. Aber hier geht es um etwas anderes. Und Thomas ist der Typ eines ehrlichen Zweiflers. Es gibt auch andere, abwehrende Zweifler z.B. „Lieber Gott”, so betet einer von ihnen, „wenn es dich gibt - und wenn du Gebet hörst, dann rette bitte meine Seele. - Falls ich eine habe”.

Thomas ist ehrlich. Er versucht nicht, sich Gott vom Leibe zu halten. Aber er will Gewissheit, die nicht schon an der nächsten Ecke aufgebraucht ist. Ich kann das verstehen: Wenn hier jemand sitzt, der nur glaubt, weil andere für ihn überzeugend sind, dann ist das auf Sand gebaut. Dann wird sein Glaubensschiff irgendwann auf ein unterirdisches Riff segeln und von heute auf morgen versenkt werden. Man kann seinen Glauben nicht auf den Glauben anderer bauen. Sie können von andren ermutigt, weitergebracht, getragen werden - aber Sie können darauf kein Leben bauen.

So stellt Thomas Bedingungen. Wenn ich nicht..., dann..  Das tun viele Menschen. Aber sie bekommen nicht wie Thomas eine Woche später die Antwort. Warum eigentlich nicht? Weil Gott nicht mit sich handeln lässt über die Bedingungen, die erfüllt sein müssen. Ein Geschenk ist nichts zum Verhandeln. Wir ahnen das ja auch in unserm Umgang miteinander. Peinlich, wenn am Geschenk noch der Preisaufkleber dran ist oder wenn gerechnet wird.

Was bei Thomas anders war, dazu gleich. Jetzt nur soviel: Was Thomas zum Beweis genügt hätte - das Tasten der Finger in Jesu Seite und das Sehen mit eigenen Augen, die Sinneseindrücke also - all das braucht er nicht mehr, als ihm Jesus begegnet. Er bekennt, vom Auferstandenen zugleich gefunden und überwunden: Mein Herr und mein Gott! Ein größeres Bekenntnis hat uns dieses Evangelium nicht überliefert.

Das gehört zur Geduld Jesu mit uns: dass er unsere Wundersehnsucht ernst nimmt - und sie zugleich verändert. Weil nicht das Wunder den Glauben schafft, sondern der Glaube Wunder erleben wird. Wenn Sie wirklich dem Auferstandenen begegnen, dann bedeutet das immer eine Horizonterweiterung: Ein anderes Lebensgefühl, neuen Gehorsam, neue Liebe. Kleines wird klein, Großes wird groß. Dann rücken die sichtbaren, erlebbaren, spürbaren Beweise plötzlich in den Hintergrund. Thomas muss nicht mehr mit den Händen kontrollieren, ob es Jesus ist. So wenig wie ein Vater, der bei der Geburt zugeschaut hat, nachher noch Zweifel hat, ob es wirklich ein echtes gesundes Kind ist. Er hat es mit angesehen, er ist überzeugt. Thomas glaubt selber, glaubt nicht mehr auf Kredit.

2. Ostern ist der Krieg vorbei

Was hat denn nun bei Thomas die Veränderung geschafft? Der Text gibt uns zwei Hinweise. Der eine betrifft seine Umgebung, der andere betrifft Gottes Handeln. Und beides sind eigentlich zwei Seiten derselben Münze: Zuspruch des Friedens.

Es ist auffällig, dass Thomas beim ersten Mal nicht unter den anderen ist. Er fehlt. Niemand weiß warum. Vielleicht hatte er Grippe. Vielleicht war er auch ein Einzelgänger, der die Enttäuschung von Karfreitag mit sich selbst ausmachen wollte. Egal warum - jedenfalls ist er nicht in der Gemeinschaft der anderen.

Wenn ein Mensch hier nicht mehr hinkommt, bei dem Jesus etwas begonnen hat, dann müssen bei Ihnen alle Alarmglocken angehen. Einer der ersten Erfahrungen des neuen Glaubens ist: In der Gemeinschaft spricht Gott zu mir. „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich zu finden”. Für mich ist das eine der schmerzlichsten Irrlehren, die sich in unser Volk und in die Gedanken der Menschen eingefressen haben: Dass man auch für sich alleine glauben kann. Natürlich kann man das – an irgendeinen Feld-, Wald- und Wiesen-Gott. Aber man kann nicht für sich an den glauben, der die Gemeinde gegründet hat. Sie ist sein unsichtbarer Leib, sozusagen die Heimatadresse Jesu hier, bis er wiederkommt.

Ein Pfarrer traf einen Nachbarn auf der Straße. „Nichts für ungut, dass ich nicht zur Kirche komme, aber da sind mir zu viele Heuchler.” Der Pfarrer antwortet freundlich: „Für einen mehr wäre schon noch Platz”. Es stimmt: die Jünger/innen Jesu sitzen bunt gemischt zusammen. Petrus der Verleugner neben Jakobus und Johannes, den Ehrgeizigen. Judas der Verräter, neben Paulus, dem Choleriker. Die als erste am Grab war, Maria von Magdala, durch Jesus von schwerer Besessenheit geheilt, zusammen mit Maria, der Mutter Jesus, die überhaupt nicht einverstanden war mit dem Weg ihres Sohnes. Alles ist auch heute hier im Raum versammelt - Schuld, Heuchelei, Versagen, Kleinglauben,  - aber eben auch er. Und mit ihm sein Friede. Das Geschenk der Vergebung und des Neuanfangs, die Verheißung des Hl. Geistes und seiner Gaben.

Und genau hier, in der Gemeinschaft der Christen, da ist das Sanatorium, in dem geistlich aus dem Tritt Geratene wieder Boden unter den Füßen kriegen. Warum auch immer - acht Tage später ist Thomas dabei. Vielleicht hat ihn jemand abgeholt und mitgenommen. Wenn Sie hier sind, weil jemand Sie mitgenommen hat, danken Sie Gott für diesen Menschen. Er oder sie tut Ihnen einen unersetzlichen Dienst. Sie kommen in die Gegenwart des Auferstandenen.

Vielleicht bewundern Sie den Glauben derjenigen, die Sie hierhin eingeladen haben. Aber jetzt kommt alles darauf an, dass Sie das Sprechen Jesu, das Wort Gottes persönlich hören. Und das war für Thomas das zweite Element. Jesus tritt in ihre Mitte mit dem Wort: Friede sei mit euch! Vordergründig der alte Gruß der Hebräer: Schalom. Aber aus dem Munde des Auferstandenen wird hier der Friede ausgerufen, der Krieg zwischen Gott und seinem rebellischen Geschöpf für beendet erklärt. Und dieses Wort aus dem Munde Jesu schafft das Umfeld, in dem wir glauben wagen können.

Denn das Wort Gottes spricht uns Gottes Wirklichkeit zu: Das Ende der Furcht und Angst. Das Ende der Herrschaft der Sünde über uns. Die Macht des Todes ist zerbrochen. Friede herrscht mit unserm Schöpfer und deshalb auch untereinander und mit uns selbst. Der uns das zuspricht, hat diesen Frieden errungen. Die Verwundungen trägt er an Händen, Füßen und Seite. Die Male des Kreuzes sprechen eine deutliche Sprache: Hier kommt der in unsere Mitte, der uns erkauft hat. Niemand sonst hat ein Recht auf uns, außer ihm. Denn er hat uns Frieden verschafft.

3. Liebe strahlt auf

Ein ehrlicher Zweifel bei Thomas - so schildert Johannes ihn. Und deshalb braucht er den Tatsachenbeweis nicht mehr, weil sich ihm ein größerer Zusammenhang erschließt. Menschen bestehen eben nicht nur aus Logik und Verstand - auch Zweifler nicht. Jesus spricht den Zweifler auf einer ganz tiefen Ebene an - auf der Ebene der Liebe. Und diese Sprache überwindet alle Hindernisse des Verstandes.

Ich kann mir ungeheure Mühe geben mit Argumenten. Und das ist wichtig. Ein Mensch spürt immer auch, ob ich ihn ernst nehme, wenn ich seine Argumente ernst nehme. Wirklich weiter kommt man erst jenseits der Argumente. Gewonnen werden wir durch das Erlebnis der Liebe. Überwunden wird Zweifel durch den Blick auf den Gekreuzigten, der für uns gestorben ist.

Thomas sieht die Zeichen der Hingabe, die er als Beweise sehen und fühlen wollte. Aber nun sind sie Beweise seines Versagens, seiner Schuld und Gottverlassenheit. In Jesus tritt der Schöpfer uns ja nicht als Fordernder gegenüber, der uns durch Argumente oder Forderungen zum Glauben zwingt. In Jesus treffen wir auf den sich hingebenden, sich opfernden Gott. Jesus kommt zu uns und sagt: Es ist alles vollbracht. Ich habe für dich bezahlt, was an Forderungen bestand. Ich habe das Urteil auf mich genommen, das deinen Tod beschlossen hat. Ich habe den Graben überbrückt, der zwischen dir und deinem Schöpfer bestand. Ich bringe dir den Frieden, den ihr seit Adam verloren habt.

Hebbel erzählt die Wette zwischen Wind und Sonne, wer mehr Macht hätte. Ein Wanderer hatte einen dicken Mantel an, und sie wollten ihn zwingen, den Mantel abzulegen. Zuerst blies der Wind, so stark er konnte. Fast ein Sturm wurde es. Aber der Wanderer machte seinen Mantel nur fester zu, stemmte sich gegen den Wind und ging weiter. Dann schien die Sonne, langsam, aber beharrlich. Zuerst öffnete der Wanderer die obersten Knöpfe, dann schlug er den Mantel auf. Aber die Sonne schien so warm, - schließlich legte er den Mantel ganz ab. Was die ganze Kraft des Sturmes nicht vermocht hatte, schaffte das sanfte Strahlen der Sonne. Bei Zweifel hilft ein ganzer Sturm von Argumenten weniger als das sanfte Strahlen der Liebe.

Hier auf der Ebene der Liebe findet Jesus den Einstieg zu seinem verlorenen Jünger. Mit dem Wort der Vergebung und der Liebe spricht er ihm den Glauben zu: sei nicht mehr ungläubig, sondern gläubig. Und deshalb werden auch die als glücklich gepriesen, die sich von der Liebe Gottes überwinden lassen, ohne direkte Osterzeugen zu sein. Denn sie haben nicht weniger Zugang, nicht schwächeren Boden unter den Füßen als die ersten Jünger. Niemand braucht mehr den Beweis von Händen und Augen, weil das Kreuz, der Beweis der Liebe Jesu, allen Zweifel überwinden kann. Dort begegnen wir der Liebe Gottes in Person.

John Newton war bis 1748 Kapitän eines Sklavenschiffes - und er verdiente gut daran. Er lebte davon, dass er anderen Menschen die Freiheit raubte und sie ins Elend stürzte. Der gleiche Mann hat das wunderschöne Lied Amazing Grace gedichtet: „Erstaunliche, nicht zu begreifende Gnade, die einen Schurken wie mich errettete. Ich war verloren, bin gefunden, war blind und kann sehen”. Wir werden gleich die schöne deutsche Übersetzung von K. Haacker singen. Wie passt der Menschenhändler zu dem Lied? Zwischen der Sklaverei und diesem Lied liegt eine Begegnung mit Jesus: ein Schiffbruch, bei dem  ihm aufging, dass Gott Wirklichkeit ist. Voller Scham über sein früheres Leben bekämpfte er ab da den Sklavenhandel. Dass Gott jemand wie ihn gebrauchen wollte, konnte er nur als Gnade bezeichnen. Begegnung mit dem Auferstandenen ist Begegnung mit der Liebe Gottes.

Verfasser: Pfr. Hans-Hermann Pompe, Wuppertal


„Amazing grace“ in der Übersetzung von Klaus Haacker:

O Wunder der Barmherzigkeit, du Licht in meiner Nacht!
Ich war verirrt, dem Tod geweiht, du hast mich heimgebracht.

Die Gnade hat mich aufgeschreckt aus falscher Sicherheit,
den Glauben dann in mir geweckt, aus aller Angst befreit.

In Nöten, Mühsal und Gefahr hat Gnade mich bewahrt;
ich weiß, sie führt mich wunderbar bis hin zur letzten Fahrt.

Wir werden einst nach dieser Zeit Gott loben immerdar
und rühmen die Barmherzigkeit, die unsre Rettung war.