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Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31 Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31
Predigt am  12. Febr. 2006  über  Jeremia 9, 22 + 23
 
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Ihr Lieben,

in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan in Rom sind in dem prächtigen Deckengemälde von Michelangelo die großen Propheten und gegenüber weise Frauen aus der griechischen Mythologie dargestellt. Eins haben alle diese Figuren gemeinsam: sie sind barfüßig.

Bis auf einen – der Prophet Jeremia. Der trägt Sandalen. Warum?

Eins ist sicher: ein Zufall ist das nicht! Michelangelo wusste sehr genau, was er malte!

Es gibt verschieden Versuche einer Antwort – mir leuchtet Folgende ein:

Die Sixtinische Kapelle wurde von ihren Erbauern exakt den Maßen des Jerusalemer Tempels angepasst. Nach den Angaben in der Bibel haben die Architekten gebaut –

Sehr bewusst sollte diese Kirche der Wohnort Gottes sein.

Und wenn wir nun daran denken, dass im 2. Mosebuch, Kap.3 berichtet wird, wie Mose seine Schuhe ausziehen sollte, als er zum brennenden Dornbuch trat, wird verständlich, weshalb alle diese Propheten und die Sibyllen eben barfüßig sind: sie stehen im Tempel – und es ist ein Zeichen der Ehrfurcht vor Gott.

So weit. Aber jetzt noch mal die Frage: warum hat nun Jeremia Sandalen an?

Das hat mit der besonderen Botschaft des Jeremia zu tun:

Durch sein ganzes Buch zieht sich ein Thema und das lässt sich so zusammenfassen:

Gott ist nicht immer da, wo wir ihn vermuten

Oder anders gesagt: er ist nicht so, wie wir ihn uns denken.

Was Jeremia von Gott erkannt hat, was er verkündigt, das widerspricht unseren Erwartungen.

Heute hören wir auf zwei Sätze aus diesem unbequemen Propheten:

So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.

Worum geht es? Um den Ertrag einer langen menschlichen Erfahrung vieler Generationen?

Menschliche Weisheit greift am Ende auch zu kurz – auf die eigene Stärke kann sich niemand verlassen und gar irdischer Reichtum verfällt schneller als wir kucken können.

Übt stattdessen Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit – und ihr gefallt Gott!

Das wäre nicht falsch und als Sinnspruch so recht etwas für´s Poesiealbum.

Und doch – das greift zu kurz! Das wäre nicht Jeremia! Aus zwei Gründen:

Zuerst einmal hätten wir übersehen, dass der Prophet hier nicht eine Weisheit von sich gibt, sondern mit höchster göttlicher Autorität spricht:

Co amar adonai! So spricht der Herr!

Mit dieser Formel leiten die Propheten die wörtliche Rede Gottes ein!

Und am Ende noch einmal: ne-um adonai! Ein Spruch Gottes!

Gott redet nicht, um unsere Poesiealben zu füllen! Wenn Er redet, dann geht es um Umkehr von einem falschen Weg, dann geht es um Neuschöpfung!

Und das Andere, was eine weisheitliche Deutung übersehen hätte:

Mitten drin, ganz unscheinbar, steht ein entscheidendes Wort:

Es ist das Verb, das beschreibt, was Gott von seinen Leuten erwartet:

Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin

Gott kennen, darum geht es! Im Hebräischen steht hier jada´ - dasselbe Wort taucht in der Schöpfungsgeschichte auf – Adam erkannte sein Weib – und sie wurde schwanger.

Jada´ ist weit mehr als verstehen, anschauen oder um etwas wissen.

Jada´ - das ist die innigste Form der liebevollen Gemeinschaft, die vorstellbar ist.

Weisheit, Stärke und Reichtum –

das galt alles als Kennzeichen dafür, dass Gott ein Leben segnet.

Wer das hat, der denkt doch: Ja, ich hab es richtig gemacht.

Und doch – diese drei guten Dinge bergen eine Gefahr in sich:

Die Gefahr, sich an die Stelle Gottes zu drängen.

Natürlich sagt man das nicht so.

Damals galt es als guter Ton, gerade dies als Geschenke Gottes zu sehen.

Wer weise geworden ist, dem hat Gott Gnade erwiesen.

Der Starke – wusste Gott an seiner Seite.

Und Reichtum galt damals geradezu als Beweis dafür, dass Gott segnet.

Und so war man sich sicher, wo Gott war:

Im Tempel, denn dort ging alles korrekt zu – mit Unterstützung der Reichen.

Und man war sich auch ziemlich sicher, was Gott über einen denkt: es ist schon gut so.

So entsteht eine Selbstsicherheit – die kommt aus der eigenen Stärke.

Eine Sicherheit, die ohne Gott auskommt – selbst wenn man von ihm spricht.

Das ist gemeint, wenn Gott sagt: der Weise rühme sich nicht seiner Weisheit….

Sich rühmen muss nicht prahlen bedeuten. Es geht darum, worauf man sein Leben baut.

Wenn einer im tiefsten überzeugt ist: „Mich trägt nur, was ich mir erworben habe.“

Dann ist er hier gemeint.

genau denen sagt Gott durch den Propheten:

Seid nicht allzu sicher! Ich bin nicht da, wo ihr es denkt!

Wenn Du nicht in einer lebendigen Beziehung zu mir lebst, dann lebst Du an mir vorbei –

sagt Gott.

Von Leo Tolstoi stammt der Satz: Gott kennen ist Leben.

Ganz kurz und einprägsam. Vielleicht eine Zusammenfassung dieses Prophetenwortes!

Gott kennen ist Leben. Weil kennen nicht etwas starres ist – nicht eine Information, die man irgendwann gehört und abgespeichert hat.

Kennen heißt – im Gespräch sein. An den Anderen denken, mit Überraschungen rechnen – und vor allem: sich vom Geist des Anderen anregen zu lassen – anregen zum Handeln.

Drei Dinge nennt Gott, an denen er erkannt wird:

Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit.

Wo das geschieht, da ist Gott am Werk – und gleichzeitig erwartet er das von Menschen, die ihn kennen: Gott sagt einerseits: Ich übe Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit –

Und gleichzeitig: Ich habe Gefallen daran, wenn das geschieht – durch die Hand von Menschen.

Das heißt: da bin ich zu finden – sagt Gott: wo es Barmherzigkeit gibt, Recht und Gerechtigkeit.

Was ist Barmherzigkeit? – eigentlich auf Dauer eine Unmöglichkeit.

Barmherzigkeit ist nämlich genau da gefragt, wo das fehlt, worauf wir uns so gerne stützen:

Da steht einer vor uns und wir erkennen gleich: der hat sein Leben verpfuscht. Vermutlich hat er Fehler gemacht – und alles in uns sagt überdeutlich: er hat selber Schuld!

Und so einer sitzt da vor uns – riecht vielleicht nach Alkohol oder so, als hätte er sich lange nicht gewaschen.

Und dann barmherzig sein?

Der alte Fritz v. Bodelschwingh nannte sie die Brüder von der Landstraße – und er meint es genau so!

Genauso könnte es eine junge Mutter sein – ohne Beruf, allein mit einem Kind.

Wie reagieren wir? Was erkennen wir?

Sozialarbeit ist gelebte Barmherzigkeit.

Und Jeremia sagt: da ist Gott! Nicht in der Bibelstunde oder im Hauskreis?

Barmherzigkeit ist nicht leicht! Sie ist überhaupt nicht eine unserer Möglichkeiten.

Wir können aus unserer Stärke heraus vielleicht etwas tun, was wie Barmherzigkeit aussieht –

Aber dann sind wir immer noch bei uns – wir tun etwas Gutes, weil es uns gute Gefühle macht. Und das wird den Anderen demütigen.

Barmherzigkeit wäre, dem Anderen in Not wirklich zu helfen. Als einen Dienst, ohne etwas für sich davon zu haben. Weil Gott uns dazu drängt.

Barmherzigkeit – das ist ein Kind, geboren aus der Vereinigung von Mensch und Gott.

Nur wenn wir dort den Impuls zur Tat empfangen haben – ist es Barmherzigkeit!

Wer in Gott eintaucht und nicht an der Seite der Notleidenden wieder auftaucht, der ist nicht in den Gott eingetaucht, der hier durch Jeremia spricht.

Ich überspringe das Recht und komme zum Dritten:

Gott übt Gerechtigkeit auf Erden.

Dieses Wort hat im Hebräischen einen ganz eigenartigen, geradezu zauberhaften Klang:

Zedakah – das beschreibt die Qualität, wie Menschen in Gottes neuer Welt miteinander umgehen werden.

Es ist die Verwirklichung der Schöpfungsordnung ohne Schatten.

Wenn Gerechtigkeit sich durchsetzt, dann bekommt jeder nicht nur, was er verdient hat.

Denn das wäre ja genau das Sich Richten nach den eigene Stärken oder Leistungen.

Sondern alle bekommen, was Gott ihnen zugedacht hat.

Wo Gerechtigkeit herrscht, da gibt es keinen Mangel. Da wird jeder satt.

Da wird für Kranke gesorgt und niemand ist arm oder leidet unter Angst vor der Zukunft.

Gerechtigkeit – das ist geradezu einer der Namen Gottes.

Und noch einmal: wo einer Gott kennt, in Liebe mit ihm verbunden ist, da entspringt gerechtes Handeln.

In der Aufzählung steht das gegenüber dem sich Rühmen seines Reichtums.

Und das macht Sinn: Gerade Reichtum kann leicht zu ungerechtem Handeln verleiten.

Jesus spricht von dieser Gefahr sehr deutlich.

Wer Gott kennt, der rühmt sich nicht dessen, was er hat.

Der weiß ja wohl, dass alles Gabe ist – von Gott anvertraut.

Anvertraut, um damit das zu tun, was Gott uns zu tun ins Herz legt.

Die besten Gaben Gottes drängen sich an Gottes Stelle, wenn wir sie haben, ohne Gott zu kennen!

Und dann wäre es besser, sie nie gehabt zu haben.

Dies ist ein Ausspruch Gottes! betont Jeremia. Wohl wissend, dass  ihm vermutlich nicht alle zustimmen werden.

Amen!

Björn Heymer