Ihr Lieben,
wie beginnt man eine Predigt zu dem vielleicht schwierigsten und zugleich
wichtigsten Thema unseres Lebens? Dazu, dass unser Leben umkämpft
ist und dass da eine Macht ist, die uns von Gott wegtreiben will, die
uns das Glauben schwer, ja unmöglich machen will.
Zur heutigen Predigt gibt es ein Bild.
Es zeigt uns, was wir gehört haben im Evangelium:
Jesus fastete vierzig Tage in der Wüste.
Und dort - in der schattenlosen Hitze, begegnete ihm der Schatten des
Bösen.
Wir sehen Jesus - er sitzt da, erschöpft, auf einem Stein niedergesunken.
Der Schatten hinter ihm bringt nicht Linderung und Kühlung.
Er lässt die Fratze des Teufels erkennen. Des großen Widersachers.
Jesus wird hier nicht als strahlender Held gezeichnet - eher als einer,
der "in allem versucht wurde wie wir" - wie es im Hebräerbrief
heißt. (Hebr. 4,15)
Und genau darum geht es! Wie wir! Nur darum wird diese Geschichte erzählt.
Der große Gegenspieler Gottes ist genauso real wie Gott!
Wir glauben natürlich nicht an den Teufel - wenn Glauben doch Vertrauen
heißt.
Aber es wäre töricht und blauäugig, davor die Augen zu
verschließen, dass es das Böse als eine Macht gibt. Die Bibel
ist voll von Warnungen und Hinweisen in dieser Sache.
Nur wir tun oft so, als gäbe es nur uns Menschen - und vielleicht
noch Gott.
Jesus hat erzählt, wie der Böse versucht hat, ihn von seinem
Weg abzulenken.
Verwandle doch Steine in Brot! Wirf dich herab von diesem hohen Dach
- bete mich an!
Die Vorschläge scheinen uns befremdlich zu klingen. Für Jesus
waren es reale Möglichkeiten.
Und das, was dahinter steht, kennen wir alle: Es geht um Sättigung,
um Anerkennung und um Macht. Das sind die drei klassischen Versuchungen
- sie entsprechen drei Grundbedürfnissen des Menschen:
Den Hunger stillen, für das leibliche Wohl sorgen. Das tun
wir alle.
Wenn uns da was fehlt, dann werden wir schnell ungeduldig.
Die Anerkennung von Anderen - sie ist fast ebenso wichtig.
Einmal groß rauskommen - das gehört zu den Lebensträumen
von uns allen.
Und Macht haben - auch das übt Faszination aus.
Wer über andere bestimmen kann, der fühlt sich gut; Wer das
Gegenteil erfährt, das andere über einem Macht haben, der
empfindet das als Demütigung.
Befriedigung, Anerkennung und Macht - all das verspricht der Teufel
Jesus
Wir haben gehört: Jesus hat sich gewehrt - mit Verweis auf Gottes
Gebot - und am Ende ist der Schatten von ihm gewichen.
Stattdessen traten Engel zu ihm und dienten ihm.
Und wir ahnen, was für ein Kampf das gewesen sein musste. Dass
es Jesus alle Kraft kostete, die er hatte. Nicht umsonst hat der Künstler
ihn hier so erschöpft gemalt.
Diese 40 Tage in der Wüste waren der eine kritische Punkt im Leben
von Jesus - ganz am Anfang seines öffentlichen Auftretens steht
er gewissermaßen dem Kreuz gegenüber.
Noch einmal: Dass Jesus von dieser Erfahrung erzählt hat, das macht
nur Sinn, wenn wir es als eine eindringliche Warnung an uns hören.
Nehmt die Macht des Bösen nicht zu leicht!
Es sind dieselben Versuchungen, mit denen auch ihr zu tun habt!
Darum geht es hier.
Wir sind genauso den Einflüsterungen des Bösen ausgesetzt
wie Jesus damals in der Wüste.
Im Tiefsten geht es darum, was uns das Glauben schwer macht.
Die erste Versuchung: Wir wichtig ist die Stillung des Hungers?
Der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich,
dass diese Steine Brot werden. Er aber antwortete und sprach: Es
steht geschrieben: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern
von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht."
Fasten heißt freiwillig zu verzichten - um frei zu werden für
Anderes.
Essen macht müde und Jesus stand am Wendepunkt seines Lebens.
Derselbe Geist, der bei seiner Taufe auf ihn kam, führte ihn in
die Wüste - die vierzig Tage waren die Zeit der inneren Vorbereitung.
Wer Sattheit, oder Befriedigung anderer Bedürfnisse, oder seine
Gesundheit zu den obersten Zielen für sein Leben erklärt,
der wird kaum frei werden, einem geistlichen Ruf zu folgen.
All das sind gute Gaben Gottes, die uns auch versprochen sind - wer
aber bereit ist, dafür auch Gebote zu beugen oder außer Kraft
zu setzen, der erliegt einer Versuchung des Bösen.
Vorige Woche haben wir von Martha und Maria gehört. Martha stand
sich - gelinde gesagt - im Weg damit, zuallererst für das leibliche
Wohl zu sorgen. Es gibt Wichtigeres.
Manchmal tauchen gerade da, wo es um entscheidende geistliche Schritte
geht, plötzlich ganz banale Fragen auf, die uns ablenken. Da ist
einer, der will nicht, dass wir geistlich weiter kommen. Oder etwas
im Namen Gottes wagen. Seien wir auf der Hut!
Jesus zitiert aus dem 5. Mosebuch: Der Mensch lebt nicht vom Brot
allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.
Jesus hätte natürlich in göttlicher Vollmacht das Mannawunder
aus der alten Zeit noch einmal tun können. Aber: damit hätte
er seine Vollmacht missbraucht für eigene Zwecke.
Nicht alles, was möglich ist, ist auch erlaubt. Manch einer hat
Gaben anvertraut, mit denen sie oder er sehr behutsam und verantwortlich
umgehen muss.
Die zweite Versuchung berührt unsere Suche nach Anerkennung
Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte
ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn,
so wirf dich hinab; denn es steht: "Er wird seinen Engeln deinetwegen
Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit
du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt."
Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben: "Du
sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen."
Was tun wir nicht alles, um Anerkennung zu bekommen! Weil fast jeder
von uns Spuren und Erinnerungen an die Kränkung der Missachtung
in sich trägt.
Kennen Sie das: wenn früher im Sportunterricht die Mannschaften
zusammengestellt wurden?
Einer durfte sich sein Team wählen - immer abwechselnd, damit beide
Mannschaften möglichst gleich stark sein würden. Ich gehörte
fast immer zu den letzten, die genommen wurden. Bei anderen war es vielleicht
die Partnerwahl in der Tanzstunde.
Viele von uns haben solche Erfahrungen gemacht - auch die unter uns
übrigens, die heute strahlend und selbstsicher wirken.
Das tut schon weh - manchmal noch Jahrzehnte danach, wenn wir nur daran
denken.
Uns fehlt die Gewissheit: Gott hat mich wirklich ausgewählt,
sein Königskind zu sein.
Ohne wenn und aber. Ohne, dass wir etwas dafür tun müssten.
Das fällt uns so schwer, zu glauben. Weil andere schlecht über
uns denken, denken wir selber auch nicht gut über uns.
Nun springen wir nicht vom Dach, damit andere uns bewundern. Was tun
wir stattdessen?
Wir scheuen uns, offen und ehrlich zu sein. Wir spielen den Starken,
den Selbstsicheren - und belügen damit ständig neu die Anderen
- und uns selber auch.
Wir glauben auch die Lüge, dass Seelsorge und Beichte nur etwas
sei für Schwache und Kranke. Wir haben das doch nicht nötig,
denken wir - und wundern uns, dass wir im Glauben so wenig voran kommen.
Geistlichen Rat annehmen - und glauben, dass Gott uns damit dient -
das fällt uns schwer. So kommen wir nicht raus aus dem Schatten
des Bösen.
Jesus hat bewusst darauf verzichtet, dieses Bungee-Jumping zu vollziehen.
Er hat durchschaut, dass es ein hohles Versprechen ist.
Wieder mit einem Zitat aus dem 5. Mose: Du sollst den Herrn, deinen
Gott, nicht versuchen.
Gemeint ist: Missbrauche Gott nie für deine eigenen Zwecke.
Hüte Dich davor, etwas in seinem Namen zu tun - nur, um selber
groß rauszukommen damit.
Schließlich noch die dritte Versuchung: Macht haben
Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg
und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach
zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und
mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht
geschrieben: "Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und
ihm allein dienen."
Macht über andere zu haben ist eine hohe Verantwortung. Wir brauchen
gar nicht so weit nach oben zu schauen, wo es um Reiche und Könige
geht. Auch eine Mutter, die sehr genau weiß, wie sie ihre Kinder
beherrschen kann, indem sie nur in bestimmter Weise kuckt oder schweigt,
übt Macht aus. Oder ein Angestellter in der Firma, der durch sein
Verhalten den Umgangston prägt. Mobbing ist das moderne Wort für
vergiftende Machtausübung.
Es gibt Formen der Machtausübung, hinter denen steht mehr oder
weniger deutlich der Widersacher Gottes. Ein Kenner der Lage in Indonesien
erzählte mir vor ein paar Tagen, wie die Überlebenden Flutopfer
der Provinz Aceh von den regierenden Militärs in Lager eingesperrt
wurden - aus dem Kalkül heraus, dass auf diese Weise neu die politischen
Unruhen aufflammen. Denn davon leben die Generäle, dass das Land
nicht zur Ruhe kommt.
Jesus hat ähnliches vor Augen gehabt, als er sagte:
Die Könige herrschen über ihre Völker, und ihre Machthaber
lassen sich Wohltäter nennen. Ihr aber nicht so! Sondern der Größte
unter euch soll sein wie der Jüngste, und der Vornehmste wie ein
Diener.
Es gibt eine Ethik der Machtausübung, die sich hieraus entwickelt
hat, die versteht Macht als einen Dienst. Als eine Aufgabe, die getan
werden muss zum Wohl der Gemeinschaft - in Verantwortung vor Gott.
Wenn wir doch mehr Politiker in unserem Land hätten, die danach
leben würden.
Unser neuer Bundespräsident scheint da mutig etwas Neues in die
politische Kultur unseres Landes einzubringen. Von ihm ist bekannt,
dass er ein betender Mensch ist, der das auch offen sagt und andere
dazu ermutigt. Und der auch frei ist, dann unbequeme Fragen zu stellen
und Themen aufzunehmen. Unsere Politiker brauchen unser Gebet - gerade,
wenn es um die Ausübung ihrer macht geht.
Wir selbst brauchen an dieser Stelle auch das Gebet der Schwestern und
Brüder - dass wir der Versuchung der macht nicht erliegen. Du sollst
anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen
Amen!
Björn Heymer
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