Hier kommen Sie zurück zur Startseite
Termine und Veranstaltungen in der Gemeinde + Linkliste
Gemeindeprofil, Bildergalerie, Artikel, Predigten
Gruppen in unserer Gemeinde (Kigo,Förderverein,Frauenhilfe,Hauskreise)
Adressen, Telefonnummern, Lageplan, Umfrage, Gästebuch
Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31 Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31
Predigt zu Römer 11, 17 - 24, 10. Sonntag nach Trinitatis 2004-- Drucken

Ihr Lieben,

es gibt Themen, die springen uns sofort an - ein Stichwort, und unser Interesse ist geweckt.
Andere Themen stoßen auf wenig Interesse, ja sogar Ablehnung.
Was mögen Sie gedacht haben, als Sie vorhin das Thema des Gottesdienstes heute hörten?
Israel - Sonntag! Nun sollen wir uns also einen Tag lang Gedanken zu Israel machen.
Warum eigentlich? Und: ist das wichtig? Ist es ein Glaubensthema für uns?
Seit einigen Wochen geht es in den Predigten ja um Klarheiten im Glauben.
In unserer Reihe geht es heute um die klare Verwurzelung unseres Glaubens.
Noch einmal hören wir auf Paulus - wie schon an den vergangenen Sonntagen.
Er war, so haben wir erfahren - geborener Jude aus dem Stamm Benjamin.
Und ein in jüdischer Theologie ausgebildeter Schriftgelehrter dazu.
Und er war Christ geworden. Nach einer Begegnung mit Christus, die ihn umgeworfen hat.
Für ihn selber war klar: ein Christ zu werden, das ist die höchste Erfüllung jüdischen Glaubens. Alles, was sich für einen gläubigen Juden noch als offene Fragen stellt - das findet in Jesus, dem Messias, eine Antwort.
Und so wurde Paulus ein Judenmissionar.
Immer ging er zuerst in Synagogen und erzählte dort von Jesus.
Das tat er in seiner Heimat in der heutigen Türkei, aber auch in Griechenland und später wollte er es auch in Rom tun.
Paulus war familiär und wirtschaftlich ungebunden - und so reiste er herum und suchte das Gespräch mit Juden. Nichts war ihm selbstverständlicher als dies.
Aber dann erlebte er immer wieder zwei Reaktionen, die er nicht erwartet hatte:
das eine war sehr schmerzhaft, das andere hat ihn überwältigt, ja geradezu beflügelt.
Davon schreibt er den Christen in Rom - übrigens eine Gemeinde, die er nicht gegründet hat.
Paulus verwendet hier ein Bild aus der Landwirtschaft:
Das Bild von einem Obstgärtner, der einen Olivenbaum veredelt. Hinweis auf den Baum!
Nur: bei diesem Olivenbaum geht alles verkehrt herum:
Die edlen Zweige schneidet er heraus - und an ihre Stelle pfropft er wilde Zweige ein.
Der Olivenbaum steht als Bild für Israel als Ganzes, die Zweige für die Menschen, die aktuell leben - die Juden sind die edlen, die am Baum wachsen; die Heiden sind wilde Zweige von irgendwoher, die der Gärtner in den Baum einsetzt, damit sie dort weiterwachsen.
Ich lese aus dem 11. Kapitel:
Wenn aber nun einige von den Zweigen ausgebrochen wurden und du, der du ein wilder Ölzweig warst, in den Ölbaum eingepfropft worden bist und teilbekommen hast an der Wurzel und dem Saft des Ölbaums, so rühme dich nicht gegenüber den Zweigen. Rühmst du dich aber, so sollst du wissen, dass nicht du die Wurzel trägst, sondern die Wurzel trägt dich. Nun sprichst du: Die Zweige sind ausgebrochen worden, damit ich eingepfropft würde. Ganz recht! Sie wurden ausgebrochen um ihres Unglaubens willen; du aber stehst fest durch den Glauben. Sei nicht stolz, sondern fürchte dich! Hat Gott die natürlichen Zweige nicht verschont, wird er dich doch wohl auch nicht verschonen. Darum sieh die Güte und den Ernst Gottes: den Ernst gegenüber denen, die gefallen sind, die Güte Gottes aber dir gegenüber, sofern du bei seiner Güte bleibst; sonst wirst du auch abgehauen werden. Jene aber, sofern sie nicht im Unglauben bleiben, werden eingepfropft werden; denn Gott kann sie wieder einpfropfen. Denn wenn du aus dem Ölbaum, der von Natur wild war, abgehauen und wider die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft worden bist, wie viel mehr werden die natürlichen Zweige wieder eingepfropft werden in ihren eigenen Ölbaum.
Wer sich mit der Veredelung von Bäumen auskennt, würde hier wohl nur verständnislos den Kopf schütteln. Das macht man doch nicht!
Wer schneidet von einem an bereits veredelten Baum die Äste ab, um an ihre Stelle Triebe eines anderen Baumes zu setzen, der wild und daher unbrauchbar ist?
Umgekehrt ist es nötig - das geschieht bis heute an jedem guten Obstbaum. Aber so?
Völlig unvernünftig! Geradezu absurd.
Man meint, das Kopfschütteln des Paulus zu sehen, wenn man das so hört.
Hier spiegeln sich die zwei unerwartete Erfahrungen des Judenmissionars Paulus wider:
1. Es begegneten ihm Juden, die von Jesus überhaupt nichts wissen wollten.
Ein verurteilter Gotteslästerer? - von Römern gekreuzigt? - der aus Galiläa stammt?
Das ist geradezu das Maximum an Argumenten dagegen, dass einer Gottes Gesalbter sein soll.
Und dann noch auferstanden von den Toten? Nein! Dieser Jesus war nie und nimmer der Messias - eher ein Verführer der Frommen. Wie kannst Du noch von ihm reden?
So reagierten viele - manche jagten ihn hinaus und verklagten ihn gar vor Gericht.
So was von den eigenen Leuten zu hören, das tat weh! Paulus war oft fassungslos.
Aber das Andere geschah auch:
2. In den Synagogen hörten auch Heiden den Predigten zu. Leute, die im Glauben an die vielen und sehr menschlichen Götter der Griechen und Römer keinen Trost gefunden hatten. Die eine Sehnsucht spürten, bei dem einen, gestaltlosen und universalen Gott etwas zu finden.
Es waren Leute, die gemerkt hatten: unsere selbstgemachten Göttervorstellungen tragen nicht über den Tod hinaus. Als die von der Auferweckung des Gekreuzigten hörten, da wurden sie hellhörig. Ja, das muss es sein! Einer, den Gott gesandt hat, um die Menschen zu erlösen.
Ein Retter und ein Mächtiger. Einer, von dem Kraft ausgeht.
Die Predigt von Jesus war ja auch begleitet von machtvollen Taten des Geistes. Manchmal wachten Tote wieder auf, Mauern stürzten in sich zusammen und Leute hörten die best verborgenen Wahrheiten über sich - aus dem Mund christlicher Propheten. So wurden viele Heiden gerne Christen, ohne erst Juden zu werden.
Und das immer wieder. Als sich dann die Gemeinden festigten, kam sehr bald ein Ton in die Auseinandersetzung, der Paulus zutiefst erschreckte:
Die jungen Christen reagierten so, wie sie es von den Juden erlebten:
Man sprach einander den Glauben ab - es kam zu Verdächtigungen und Verleumdungen.
Manche schauten abfällig auf die jüdische Gemeinde herab. Hatten die Christen doch die tiefere Erkenntnis, die deutlicheren Gebetserhörungen und die Geisterfahrungen.
Spätestens, als man Christen im Synagogengottesdienst nicht mehr haben wollte, gab es Grund genug, schlecht über Juden zu denken - und auch zu reden.
Wohlgemerkt, all das geschah aus einer Position der Schwäche heraus!
Die Juden bildeten damals im römischen Reich eine starke Minderheit. Ca. 7 % der Gesamtbevölkerung waren Juden - die Synagoge genoss allgemeine Anerkennung und staatlichen Schutz als Religionsgemeinschaft.
Ganz anders die Christen - das waren meist einfache Leute, Arme und Ungebildete, Sklaven. Leute ohne Gewicht und Stimme in den Stadträten oder gar bei der Obrigkeit. Die Christen waren die Ohnmächtigen in der Auseinandersetzung.
Trotzdem mahnt Paulus gerade die Christen: Überhebt Euch nicht! Meint nicht, ihr seid besser, weil ihr Christus habt. Gerade Israel gegenüber ist das überhaupt nicht angebracht!
Denkt daran: ihr seid nur Zweige am Baum - und die Synagoge gehört auch dazu!
Damals ging es vor allem um die innere Haltung - gefährlich konnten die Christen den Juden nicht werden.
Aber wie schnell kann sich das ändern.
Die Geschichte ist weiter gegangen und seit langer Zeit sind die Verhältnisse umgedreht:
Die Christen stellen die Regierungsmacht - die Juden wurden zur verfolgten Minderheit.
Umso mehr müssen wir heute auf Paulus hören!
"... die Wurzel trägt dich" das gilt bis heute.
Drei klare Wurzeln, die uns bis heute mit Israel verbinden und die uns vor Überlegenheitsgefühlen bewahren sollten:
1. Wir haben erstens eine breite gemeinsame Gebetstradition: die Psalmen sind das Gebetbuch der Synagoge und der Kirche.
Und das heißt: Wir beten den gleichen Gott an.
Um es möglichst konkret zu sagen: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln...
ist ebenso gut jüdisch wie Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege, des, der die Herzen lenkt....
Wie viel Trost, wie viele Bilder für Glauben und Gott haben wir aus den Psalmen. So glauben wir Juden und Christen an den einen, den selben Gott und beten ihn mit denselben Worten an. Selbst das Vater Unser ist beileibe nicht ein besonders christliches Gebet. Es kann genauso von frommen Juden gebetet werden - ist es doch vom Juden Jesus formuliert worden.
2. Juden und Christen sind zweitens beides Bundespartner Gottes. Davon spricht der Prophet Jeremia, auf den wir vorhin in der Lesung gehört haben. Mit Israel hat Gott seinen Bund geschlossen, als Er das Volk aus der Sklaverei geführt hatte.
Der Bund mit Israel trägt das Siegel der Befreiung.
Und Jesus hat bei seinem letzten Mahl mit den Jüngern den neuen Bund geschlossen - in seinem Blut. Auch hier geht es um Befreiung - Befreiung von Schuld und Verlorenheit.
Der Bundesherr, der seine Treue frei zusagt, ist beide Mal derselbe - der lebendige Gott.
Den neuen Bund für Israel hatte Jeremia angekündigt - nicht zuletzt Paulus entdeckte staunend: dieser neue Bund gilt ebenso auch für die Heiden!
Und schließlich wissen Juden und Christen drittens darum, dass diese Welt nicht die Vollendung ist - es wird noch etwas Neues, etwas Besseres kommen nach dieser Welt.
Wir hoffen, dass Gottes neue Welt anbrechen wird, wenn Jesus sichtbar wiederkommen wird. Israel erwartet den Anbruch der neuen Welt mit dem Kommen des Messias.
Manche Juden gehen heute sogar so weit, zu sagen:
"Wer weiß, ob der Messias nicht das Angesicht und den Namen des Nazaräers tragen wird."
Wir sind verbunden mit Israel - so wie Kinder, die denselben Vater haben. Die sind auch oft sehr unterschiedlich. Aber die Herkunft ist dieselbe - und damit auch die Prägung.
Wir teilen die gemeinsame Gebetspraxis, wir sind beides Bundesgenossen Gottes und wir teilen die Hoffnung. All das existiert gewissermaßen auch ohne uns, ist uns vorgegeben. Unser Glaube empfängt davon seine Nahrung, seine Lebenskraft.
Nur das erste, das Beten ist unser Tun - Bund und Hoffnung sind Gottes Geschenke an sein Volk - aus Juden und Heiden. Das ist die klare Wurzel unseres Glaubens.
Also, seid nicht stolz, haltet Euch nicht für besser, sondern seid dankbar.

Amen!

Björn Heymer