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Ihr Lieben,
jeder kennt das Phänomen: je älter wir werden, desto schneller scheinen
die Jahre zu vergehen. Woran liegt das nur? Dieser Frage sind Verhaltenswissenschaftler
nachgegangen und haben eine einfache und einleuchtende Antwort gefunden:
Es liegt daran, dass wir mehr und mehr Dinge des Alltags immer gleich tun.
In aller Regel nimmt im Laufe unseres Lebens die Routine zu - und das empfinden
wir als entlastend und befreiend.
Wo die frischen Socken liegen - klar! Wer das weiß, spart sich die ständige
Sucherei.
Was wir den immer gleichen Menschen zum Geburtstag schenken? Das wär´
doch praktisch, wenn das mal klar und bewährt wäre - der Frau einen
Strauß Blumen - am besten immer vom selben Geschäft. Die Floristin
dort weiß dann irgenwann, was passt.
Oder das Urlaubsziel - warum jedes Mal neu überlegen und rumsuchen?
Die Pension in Österreich war letztes Jahr doch auch gut, oder?
Wir halten uns an Bewährtes - ob im Großen oder in den Kleinigkeiten.
Nur - jetzt kommt´s: Unser Gehirn speichert wiederkehrende Vorgänge
weniger deutlich ab. Sie hinterlassen kaum Eindrücke und gelten bald als
gar nicht geschehen.
Und je mehr Stunden unseres Tagesablaufs im Gedächtnis nicht gespeichert
werden, desto schneller scheint die Zeit zu vergehen. Deshalb ist für Kinder
ein Jahr eine unüberschaubar lange Zeit, während Ältere staunen,
wie schnell es schon wieder Sommer geworden ist.
Und irgendwann ist man tot und stellt fest: man hat eigentlich gar nicht gelebt!
Die umgekehrte Erfahrung machen wir gelegentlich auch: eine verregnete Wanderung
mit Freunden in der Eifel, bei der die Stimmung trotzdem super war und alle
am Ende einig waren: wir haben durchgehalten und es war klasse!
Ein gemütlicher Abend im Lokal und die Sonne geht hinter dem Stadtpanorama
mit Dom unter - erfüllte Zeit. Was aus dem Rahmen fällt, das prägt
sich ein.
Die Wissenschaftler, die das gründlich untersucht haben, empfehlen nun
Folgendes:
Nur wer sich immer wieder neuen Herausforderungen stellt, der hält die
dahinfliegende Zeit gewissermaßen auf.
Öfter mal die Wohnung umräumen oder neu einrichten; einen lange gehegten
Wunsch wirklich umsetzen, andere Länder entdecken, eine fremde Sprache
erlernen.
Wer so etwas tut, erlebt seine Zeit intensiver.
Und was für den Einzelnen gilt, das gilt ebenso für das Miteinander
in der Gemeinde!
Je mehr Routine wir entwickeln, desto weniger bedeutsam erscheint es uns, was
in der Gemeinde geschieht.
Selbst Dinge, die einmal als ganz besonders erlebt wurden, nutzen sich ab. Und
dann ist es irgendwann nicht mehr wirklich wichtig, ob wir dabei sind oder nicht.
Wir werfen heute einen Blick in die Anfangszeit der Christenheit. Da war alles
neu.
Ich lese aus der Apostelgeschichte im 2. Kapitel:
Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen; und an diesem Tage
wurden hinzugefügt etwa dreitausend Menschen. Sie blieben aber beständig
in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.
Es kam aber Furcht über alle Seelen, und es geschahen auch viele Wunder
und Zeichen durch die Apostel. Alle aber, die gläubig geworden waren, waren
beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe
und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte. Und sie
waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot
hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem
Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber
fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden.
Was mögen diese Zeilen bei Ihnen auslösen?
Wer das zum ersten Mal hört, der wundert sich wohl, mit welcher Radikalität
und Wucht die ersten Christen zu einer Gemeinde wurden: 3000 Menschen an einem
Tag und dann: täglich kamen Neue dazu. Kaum vorstellbar. Wie haben die
das nur gemacht? Ohne Computer, ohne Telefon und Kopiergerät? Irgendwie
ging es wohl.
Sie kamen jeden Tag zusammen. Es gab ja keine Bücher, die man mit nach
Hause nehmen konnte. Also ließen sie sich von den Aposteln über Jesus
erzählen und erzählten es gleich selber weiter.
Dann beteten sie miteinander, sangen und entwickelten so viel ehrliches Interesse
am Anderen, dass allein der Umgang untereinander wie ein riesiger Magnet wirkte.
Schließlich teilten ihren Besitz und versorgten die Armen in ihrer Gemeinschaft.
Jeder bekam, was er brauchte. Die Idee des Kommunismus, dass die Gemeinschaft
allen nach Bedarf zuteilt, sie hat hier ihren Ursprung. Losgelöst vom Geist
Gottes ist sie gescheitert, aber mit der Liebe, die Gott in uns weckt? Sollte
es nicht doch möglich sein?
Wer früher schon diese Beschreibung der Urgemeinde gelesen oder gehört
hast, der könnte so etwas wie Wehmut empfinden - oder sich mit Schmerzen
daran erinnern, was er selber mal für Hoffnungen in den Weg mit Jesus gesetzt
hat. Und was ist daraus geworden?
Woran liegt es, dass unser Alltag, das Leben in der Gemeinde so wenig von dem
wiederspiegelt, was hier beschrieben ist?
Die Bibel will nie kopiert werden. Vielmehr geht es darum, sie zu kapieren:
Drei Gedanken, was wir brauchen, wenn wir uns vom Vorbild der Urgemeinde inspirieren
lassen wollen:
1. Wir brauchen Anfänge - jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt
2. Wir brauchen die Mitte - Brotbrechen und Gebet
3. Wir brauchen einander - glauben geht nicht gut alleine
1. Wir haben uns daran gewöhnt, den Glauben als eine Weltanschauung zu
begreifen.
Eine bestimmte Sichtweise, wie wir das deuten, was wir erleben.
So geschieht Glauben bei uns vor allem im Kopf, in unseren Gedanken.
Und da unterscheiden wir uns wesentlich von den Erfahrungen der ersten Christen:
Der Bericht des Lukas beginnt damit, dass Leute eine Botschaft hören -
sie annahmen und sich taufen ließen. Die Taufe war damals die äußere
Form, wie sichtbar wurde: ab jetzt wird etwas anders in meinem Leben - sie war
das Sakrament des Glaubensanfangs.
Das haben wir verloren. Heute ist die Taufe zum Sakrament des Lebensanfangs
geworden - Mit der Folge, dass wir für Anfänge im Glauben keine Form
haben.
Und was keine Form hat, das hat es schwer, durchgehalten zu werden.
In den vergangenen Jahren haben wir fünfmal das Gemeindeseminar durchgeführt.
Für viele war dieses Seminar ein ganz neues Verstehen, was Glauben sein
kann.
Trotzdem - die allermeisten haben sich nicht der Gottesdienstgemeinde angeschlossen.
Wenn wir sie fragen, würden sie bestätigen: "Das war eine gute,
eine wichtige Erfahrung."
Nur - es war kein neuer Anfang, der in der Gemeinde weitergeführt wurde.
Lukas spricht davon, dass die Leute gläubig geworden waren.
Entscheidend ist: sie wussten: Es gab in meinem Leben ein vorher - und dahin
will ich ganz bestimmt nicht wieder zurück. Und es gibt eine Gegenwart,
die durchstrahlt ist von der Zukunft, die Gott uns versprochen hat. Wer das
weiß, der lässt sich auf Neues ein - und verlässt die Routine
seines bisherigen Lebens. Damit komme ich zum Zweiten:
2. Wir brauchen die Mitte - Brotbrechen und Gebet
Das Brechen und Teilen von Brot bedeutete den ersten Christen viel mehr als
Gastfreundschaft und Tischgemeinschaft. Wenn sie zusammenkamen an einen Tisch,
dann nahm einer das Brot in die Hand, sprach ein Dankgebet darüber, wie
Jesus es getan hatte. Und dann erinnerte er daran: Jesus hat bei seinen letzten
Begegnungen mit den Aposteln immer wieder Brot genommen, es zerteilt und verteilt.
Vor seinem Sterben tat er das und nach der Auferweckung auch. Daran haben die
Apostel den Auferstandenen erkannt.
So wurde der Moment des Brotbrechens zu einer Form der Erinnerung: Jesus lebt
und ist in unserer Mitte! Wir brauchen solche Formen, damit wir Jesus nicht
im Alltag vergessen!
Wo immer wir Christen zusammen sind, ist er dabei. Eine Trauergesellschaft könnte
sich bei der Mahlzeit an den Lebendigen erinnern; eine Hochzeitsfeier bekommt
einen anderen Grundton, wenn beim Brotbrechen von Jesus geredet wird. Dasselbe
gilt für einen Geburtstag oder einer ganz gewöhnlichen Mahlzeit zu
Hause.
Wir haben es verlernt, Jesus, den Lebendigen mitzunehmen in unseren Alltag.
Wir vergessen, dass Er da ist und so entdecken wir ihn nicht - geschweige denn
fragen wir uns: Was würde Er jetzt tun? Was erwartet Er von mir, dass ich
jetzt tue.
Denn das ist das Geheimnis des dritten Kennzeichens der ersten Gemeinde:
3. Wir brauchen einander - glauben geht nicht gut alleine
Vielleicht das Spannendste im Bericht des Lukas ist die Bemerkung, dass es da
Leute gab, die ihre Häuser oder Grundstücke verkauften.
Man muss sich ja fragen: wie kamen die Reichen damals dazu, den Erlös solcher
Verkäufe ganz und gar abzugeben, damit die Gemeinde was zu verteilen hat?
Daraus kann man kein Gesetz machen - es wurden auch nicht einfach alle Güter
zu Geld gemacht. Aber jeder, der einen Anfang mit Jesus gemacht hat, fragte
sich - und zwar ergebnisoffen! "Was soll und kann ich tun mit dem Besitz,
den Gott mir anvertraut hat?"
Und dann teilten manche - und sie taten es gerne. Denn sie machten eine wunderbare
Erfahrung: Jesus hatte das versprochen: wer dem Bedürftigen hilft, der
begegnet mir!
Wer den Kranken pflegt, der schaut dem Herrn der Gemeinde ins Gesicht.
Hilfsbereitschaft oder die Freiheit, seinen Besitz gerne zu teilen, das geschieht
nicht durch Appelle oder Überredung. Es geschieht ganz selbstverständlich
und unspektakulär dort, wo Menschen Jesus lieb gewinnen. Wo sich die Werte
im Leben wandeln, weil einer erkennt:
Jesus hat es sich so unendlich viel kosten lassen, mich zu befreien, mich zu
lieben, da gebe ich mich selber gerne hin. Und das fällt dann leicht.
Das Teilen beschränkt sich nicht auf Geld. Teilen ist Ausdruck einer inneren
Freiheit. Der eine teilt seine Zeit ebenso bereitwillig wie der Andere sein
Haus öffnet.
Wieder jemand hilft mit seiner besonderen Begabung gerne aus, wo ein Vierter
Geld geben kann, damit ein Dienst weiterhin geschehen kann.
Was auch immer es ist - es belebt die Gemeinschaft.
Wir werden nicht die Verhaltensweise der ersten Christen nachmachen - wie schnell
würden wir bei einer unbarmherzigen Gesetzlichkeit landen. Aber lasst uns
die Herausforderung annehmen, mit dem Geist Gottes zu rechnen. Damit zu rechnen,
dass Neues geschieht, wo Jesus lebendig in der Mitte ist. Dann wird es nie langweilig
in der Gemeinde.
Amen!