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Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31 Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31
Predigt zu Apostelgeschichte 2, 41 - 47, 7. Sonntag nach Trinitatis 2004-- Drucken

Ihr Lieben,

jeder kennt das Phänomen: je älter wir werden, desto schneller scheinen die Jahre zu vergehen. Woran liegt das nur? Dieser Frage sind Verhaltenswissenschaftler nachgegangen und haben eine einfache und einleuchtende Antwort gefunden:
Es liegt daran, dass wir mehr und mehr Dinge des Alltags immer gleich tun.
In aller Regel nimmt im Laufe unseres Lebens die Routine zu - und das empfinden wir als entlastend und befreiend.
Wo die frischen Socken liegen - klar! Wer das weiß, spart sich die ständige Sucherei.
Was wir den immer gleichen Menschen zum Geburtstag schenken? Das wär´ doch praktisch, wenn das mal klar und bewährt wäre - der Frau einen Strauß Blumen - am besten immer vom selben Geschäft. Die Floristin dort weiß dann irgenwann, was passt.
Oder das Urlaubsziel - warum jedes Mal neu überlegen und rumsuchen?
Die Pension in Österreich war letztes Jahr doch auch gut, oder?
Wir halten uns an Bewährtes - ob im Großen oder in den Kleinigkeiten.
Nur - jetzt kommt´s: Unser Gehirn speichert wiederkehrende Vorgänge weniger deutlich ab. Sie hinterlassen kaum Eindrücke und gelten bald als gar nicht geschehen.
Und je mehr Stunden unseres Tagesablaufs im Gedächtnis nicht gespeichert werden, desto schneller scheint die Zeit zu vergehen. Deshalb ist für Kinder ein Jahr eine unüberschaubar lange Zeit, während Ältere staunen, wie schnell es schon wieder Sommer geworden ist.
Und irgendwann ist man tot und stellt fest: man hat eigentlich gar nicht gelebt!
Die umgekehrte Erfahrung machen wir gelegentlich auch: eine verregnete Wanderung mit Freunden in der Eifel, bei der die Stimmung trotzdem super war und alle am Ende einig waren: wir haben durchgehalten und es war klasse!
Ein gemütlicher Abend im Lokal und die Sonne geht hinter dem Stadtpanorama mit Dom unter - erfüllte Zeit. Was aus dem Rahmen fällt, das prägt sich ein.
Die Wissenschaftler, die das gründlich untersucht haben, empfehlen nun Folgendes:
Nur wer sich immer wieder neuen Herausforderungen stellt, der hält die dahinfliegende Zeit gewissermaßen auf.
Öfter mal die Wohnung umräumen oder neu einrichten; einen lange gehegten Wunsch wirklich umsetzen, andere Länder entdecken, eine fremde Sprache erlernen.
Wer so etwas tut, erlebt seine Zeit intensiver.
Und was für den Einzelnen gilt, das gilt ebenso für das Miteinander in der Gemeinde!
Je mehr Routine wir entwickeln, desto weniger bedeutsam erscheint es uns, was in der Gemeinde geschieht.
Selbst Dinge, die einmal als ganz besonders erlebt wurden, nutzen sich ab. Und dann ist es irgendwann nicht mehr wirklich wichtig, ob wir dabei sind oder nicht.
Wir werfen heute einen Blick in die Anfangszeit der Christenheit. Da war alles neu.
Ich lese aus der Apostelgeschichte im 2. Kapitel:
Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen; und an diesem Tage wurden hinzugefügt etwa dreitausend Menschen. Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. Es kam aber Furcht über alle Seelen, und es geschahen auch viele Wunder und Zeichen durch die Apostel. Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte. Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden.
Was mögen diese Zeilen bei Ihnen auslösen?
Wer das zum ersten Mal hört, der wundert sich wohl, mit welcher Radikalität und Wucht die ersten Christen zu einer Gemeinde wurden: 3000 Menschen an einem Tag und dann: täglich kamen Neue dazu. Kaum vorstellbar. Wie haben die das nur gemacht? Ohne Computer, ohne Telefon und Kopiergerät? Irgendwie ging es wohl.
Sie kamen jeden Tag zusammen. Es gab ja keine Bücher, die man mit nach Hause nehmen konnte. Also ließen sie sich von den Aposteln über Jesus erzählen und erzählten es gleich selber weiter.
Dann beteten sie miteinander, sangen und entwickelten so viel ehrliches Interesse am Anderen, dass allein der Umgang untereinander wie ein riesiger Magnet wirkte.
Schließlich teilten ihren Besitz und versorgten die Armen in ihrer Gemeinschaft. Jeder bekam, was er brauchte. Die Idee des Kommunismus, dass die Gemeinschaft allen nach Bedarf zuteilt, sie hat hier ihren Ursprung. Losgelöst vom Geist Gottes ist sie gescheitert, aber mit der Liebe, die Gott in uns weckt? Sollte es nicht doch möglich sein?
Wer früher schon diese Beschreibung der Urgemeinde gelesen oder gehört hast, der könnte so etwas wie Wehmut empfinden - oder sich mit Schmerzen daran erinnern, was er selber mal für Hoffnungen in den Weg mit Jesus gesetzt hat. Und was ist daraus geworden?
Woran liegt es, dass unser Alltag, das Leben in der Gemeinde so wenig von dem wiederspiegelt, was hier beschrieben ist?
Die Bibel will nie kopiert werden. Vielmehr geht es darum, sie zu kapieren:
Drei Gedanken, was wir brauchen, wenn wir uns vom Vorbild der Urgemeinde inspirieren lassen wollen:
1. Wir brauchen Anfänge - jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt
2. Wir brauchen die Mitte - Brotbrechen und Gebet
3. Wir brauchen einander - glauben geht nicht gut alleine
1. Wir haben uns daran gewöhnt, den Glauben als eine Weltanschauung zu begreifen.
Eine bestimmte Sichtweise, wie wir das deuten, was wir erleben.
So geschieht Glauben bei uns vor allem im Kopf, in unseren Gedanken.
Und da unterscheiden wir uns wesentlich von den Erfahrungen der ersten Christen:
Der Bericht des Lukas beginnt damit, dass Leute eine Botschaft hören - sie annahmen und sich taufen ließen. Die Taufe war damals die äußere Form, wie sichtbar wurde: ab jetzt wird etwas anders in meinem Leben - sie war das Sakrament des Glaubensanfangs.
Das haben wir verloren. Heute ist die Taufe zum Sakrament des Lebensanfangs geworden - Mit der Folge, dass wir für Anfänge im Glauben keine Form haben.
Und was keine Form hat, das hat es schwer, durchgehalten zu werden.
In den vergangenen Jahren haben wir fünfmal das Gemeindeseminar durchgeführt.
Für viele war dieses Seminar ein ganz neues Verstehen, was Glauben sein kann.
Trotzdem - die allermeisten haben sich nicht der Gottesdienstgemeinde angeschlossen.
Wenn wir sie fragen, würden sie bestätigen: "Das war eine gute, eine wichtige Erfahrung."
Nur - es war kein neuer Anfang, der in der Gemeinde weitergeführt wurde.
Lukas spricht davon, dass die Leute gläubig geworden waren.
Entscheidend ist: sie wussten: Es gab in meinem Leben ein vorher - und dahin will ich ganz bestimmt nicht wieder zurück. Und es gibt eine Gegenwart, die durchstrahlt ist von der Zukunft, die Gott uns versprochen hat. Wer das weiß, der lässt sich auf Neues ein - und verlässt die Routine seines bisherigen Lebens. Damit komme ich zum Zweiten:
2. Wir brauchen die Mitte - Brotbrechen und Gebet
Das Brechen und Teilen von Brot bedeutete den ersten Christen viel mehr als Gastfreundschaft und Tischgemeinschaft. Wenn sie zusammenkamen an einen Tisch, dann nahm einer das Brot in die Hand, sprach ein Dankgebet darüber, wie Jesus es getan hatte. Und dann erinnerte er daran: Jesus hat bei seinen letzten Begegnungen mit den Aposteln immer wieder Brot genommen, es zerteilt und verteilt. Vor seinem Sterben tat er das und nach der Auferweckung auch. Daran haben die Apostel den Auferstandenen erkannt.
So wurde der Moment des Brotbrechens zu einer Form der Erinnerung: Jesus lebt und ist in unserer Mitte! Wir brauchen solche Formen, damit wir Jesus nicht im Alltag vergessen!
Wo immer wir Christen zusammen sind, ist er dabei. Eine Trauergesellschaft könnte sich bei der Mahlzeit an den Lebendigen erinnern; eine Hochzeitsfeier bekommt einen anderen Grundton, wenn beim Brotbrechen von Jesus geredet wird. Dasselbe gilt für einen Geburtstag oder einer ganz gewöhnlichen Mahlzeit zu Hause.
Wir haben es verlernt, Jesus, den Lebendigen mitzunehmen in unseren Alltag. Wir vergessen, dass Er da ist und so entdecken wir ihn nicht - geschweige denn fragen wir uns: Was würde Er jetzt tun? Was erwartet Er von mir, dass ich jetzt tue.
Denn das ist das Geheimnis des dritten Kennzeichens der ersten Gemeinde:
3. Wir brauchen einander - glauben geht nicht gut alleine
Vielleicht das Spannendste im Bericht des Lukas ist die Bemerkung, dass es da Leute gab, die ihre Häuser oder Grundstücke verkauften.
Man muss sich ja fragen: wie kamen die Reichen damals dazu, den Erlös solcher Verkäufe ganz und gar abzugeben, damit die Gemeinde was zu verteilen hat?
Daraus kann man kein Gesetz machen - es wurden auch nicht einfach alle Güter zu Geld gemacht. Aber jeder, der einen Anfang mit Jesus gemacht hat, fragte sich - und zwar ergebnisoffen! "Was soll und kann ich tun mit dem Besitz, den Gott mir anvertraut hat?"
Und dann teilten manche - und sie taten es gerne. Denn sie machten eine wunderbare Erfahrung: Jesus hatte das versprochen: wer dem Bedürftigen hilft, der begegnet mir!
Wer den Kranken pflegt, der schaut dem Herrn der Gemeinde ins Gesicht.
Hilfsbereitschaft oder die Freiheit, seinen Besitz gerne zu teilen, das geschieht nicht durch Appelle oder Überredung. Es geschieht ganz selbstverständlich und unspektakulär dort, wo Menschen Jesus lieb gewinnen. Wo sich die Werte im Leben wandeln, weil einer erkennt:
Jesus hat es sich so unendlich viel kosten lassen, mich zu befreien, mich zu lieben, da gebe ich mich selber gerne hin. Und das fällt dann leicht.
Das Teilen beschränkt sich nicht auf Geld. Teilen ist Ausdruck einer inneren Freiheit. Der eine teilt seine Zeit ebenso bereitwillig wie der Andere sein Haus öffnet.
Wieder jemand hilft mit seiner besonderen Begabung gerne aus, wo ein Vierter Geld geben kann, damit ein Dienst weiterhin geschehen kann.
Was auch immer es ist - es belebt die Gemeinschaft.
Wir werden nicht die Verhaltensweise der ersten Christen nachmachen - wie schnell würden wir bei einer unbarmherzigen Gesetzlichkeit landen. Aber lasst uns die Herausforderung annehmen, mit dem Geist Gottes zu rechnen. Damit zu rechnen, dass Neues geschieht, wo Jesus lebendig in der Mitte ist. Dann wird es nie langweilig in der Gemeinde.

Amen!

Björn Heymer