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Ihr Lieben,
Woran liegt es wohl, dass heute weniger als ein Viertel der Menschen in unserem
Land nicht in der Lage ist, den Sinn des Pfingstfestes zu erklären?
In der Zeitung am Mittwoch war auf der ersten Seite zu lesen: Nur 23 Prozent
der Befragten konnten richtig erklären, welche Bedeutung das Pfingstfest
hat. Je jünger die Leute waren und je weiter im Osten man fragte, desto
weniger wussten Bescheid - nur 8% der unter 30 jährigen in den neuen Bundesländern.
Nun will ich gar nicht in Kulturpessimismus verfallen oder über die schlechte
Bildung oder fehlende religiöse Erziehung klagen. Meine Vermutung ist vielmehr:
Es liegt an dem Charakter des Ereignisses, an das wir beim Pfingstfest denken,
dass viele passen müssen, wenn sie Pfingsten erklären sollen.
Bis zur Himmelfahrt waren die Menschen um Jesus weitgehend Beobachter und Zeugen.
Leute, die etwas an sich erfahren haben, was sie berührt und verändert
hat.
Der Handelnde dabei war immer Jesus.
Das wird mit Pfingsten anders: Jesus kündigt an:
"Ihr werdet noch einmal etwas empfangen - und dann seid ihr dran! Ihr
werdet meine Zeugen sein" - und ich ergänze: "... in Worten
und Taten."
Das ist seither die Aufgabe, die Gott uns zutraut:
Wir werden Zeugen sein der verändernden Kraft Gottes.
Um Zeuge sein zu können brauchen wir eine Gabe von Gott: Seinen Geist.
Ohne den Geist Gottes gäbe es heute nicht die sehr genauen und glaubwürdigen
Berichte von Jesus.
Vor Pfingsten hatten die Jünger unendlich viel erlebt - so viel, dass niemand
es hätte vollständig und richtig wiedergeben können.
Das wusste Jesus auch. Deshalb hat er vieles von seiner Predigt bewusst in gut
merkbare Form gebracht - in Gleichnisse oder in gereimte Sätze.
Und doch hätte das nie gereicht.
Jesus wusste: diese gewaltige Aufgabe, die Lehre und den Bericht vom seinem
Kommen in die Welt weiterzugeben - das konnte nur gelingen, wenn Gott selber
darüber wachen würde.
"Der Geist, den Gott Euch geben wird, der wird Euch an alles erinnern,
was ich Euch gesagt habe." Hat Jesus versprochen. Und auch dies:
"Sorgt Euch nicht, was ihr sagen sollt, wenn man Rechenschaft über
Euren Glauben von Euch fordert. Der Geist wird Euch dann die richtigen Worte
eingeben."
Das ist nicht zu beweisen - aber aus der Geschichte tausendfach zu belegen:
Dass wir einen glaubwürdigen und zuverlässig überlieferten Text
der Bibel heute haben, das ist ein Wunder des Geistes Gottes.
Zugegeben - das haben wir heute einigermaßen sicher.
Wir haben unendlich viele Bibeln - jeder kann lesen und verstehen.
Wirklich? Wie viele haben die Bibel gelesen - und glauben doch nicht.
Dass in einem der Glaube wach wird, ist jedes Mal ein kleines Pfingsten.
Gott wirkt in uns den Glauben - nicht wir entscheiden uns dafür.
Wenn wir in dieser Woche wieder das Gemeindeseminar starten, dann wissen wir:
Wir können von Jesus erzählen. Wir können erklären, wie
es gemeint ist, dass wir getrennt sind vom Vater und dass Er uns zurückholt
durch Jesus.
Trotzdem: Glauben können wir nicht machen. Das tut der Geist.
Neben dem Zeugnis des Wortes gibt es das Zeugnis der Tat.
In der Lambertikirche am Prinzipalmarkt in Münster befindet sich eine alte
große Christusfigur. Irgendwann gingen die Arme verloren, sodass der Torso
heute als Fragment erscheint. Dazu erklären die Verantwortlichen:
"Genau so ist es mit dem Auferstandenen heute: Er hat keine anderen Arme
als unsere. Heute sind wir gefragt, seine Werke in dieser Welt zu tun."
Das können wir nun so oder anders hören. Wer jetzt denkt:
"Aha, auch in der Gemeinde geht es doch nur darum, was einer leistet und
vorzeigen kann." - der wird früher oder später entkräftet
oder entmutigt abwinken.
Die bessere Welt schaffen wir aus unserer Kraft nicht. Und selbst wenn wir stolz
und dankbar zurückblicken auf einen Erfolg - das schenkt uns Gott ja auch,
dann werden wir hoffentlich auch wissen, wie viel Gnade und geschenkte Kraft
dazu beigetragen hat.
Mir geht es im Rückblick auf die Bibelausstellung so. Die Bilderfolge eben
war ja auch ein Element daraus. Was für ein Geschenk, dass Gott uns gerade
zur rechten Zeit gemacht hat!
Wir haben es erlebt: "Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen...".
Das gilt es, immer wieder zu hören und dem gilt es, sich neu zu öffnen.
Die Jünger damals taten dazu nichts Besonderes: sie versammelten sich -
wie gewohnt - zum Gottesdienst. So, wie wir heute morgen.
Sie werden gebetet haben, wohl auch Loblieder gesungen - und dann wurden sie
erfasst und erfüllt von Kraft und Mut. Da war es keine Frage mehr, ob sie
vielleicht auch einmal von Jesus reden sollten. Sie alle begannen, zu predigen
- heißt es im Pfingstbericht.
Sie hingen nicht mehr ihrem Leiter - Petrus oder den Aposteln an den Lippen
- sie selber begannen, von Jesus zu sprechen.
Eine Gemeinde, in der Menschen mündig und mutig ihren Glauben bekennen
und weitergeben, wo immer sich Gelegenheit dazu bietet, ist eine geistgeleitete
Gemeinde.
Selbst wenn mal kein Pfarrer dabei ist - dürfte es kein Problem sein, einen
Gottesdienst zu feiern - oder in einem Gespräch über den Glauben zu
reden.
Wenn Gott seinen Geist gibt, dann ist das Bezeugen der Herrlichkeit keine Frage
mehr.
Jesus formuliert hier nicht einmal einen Auftrag: Nicht nach dem Motto:
Ihr müsst nun Zeugen sein - vielmehr als Feststellung:
Ihr werdet Zeugen Gottes in dieser Welt sein, weil der Geist Gottes Euch leiten
wird.
Das liegt auf einer Linie damit, dass er den Jüngern zusagt:
"Ihr seid das Licht der Welt." So ist es. Das braucht nicht weiter
begründet zu werden - es wird einfach geschehen, wo der Geist Gottes eingreift.
Wer das weiß und sich danach sehnt, der wird einstimmen in das Gebet:
O komm, du Geist der Wahrheit, und kehre bei uns ein,
verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein.
Gieß aus dein heilig Feuer, rühr Herz und Lippen an,
dass jeglicher getreuer den Herrn bekennen kann.
Amen!