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Ihr Lieben,
in der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten wird uns in den Gottesdiensten Gelegenheit
gegeben, über Kernthemen des Glaubens miteinander nachzudenken - und neu
darauf zu hören, was Gott dazu sagt.
Heute ist der Sonntag des Gebets. Unser Beten ist der tägliche Ausdruck
unserer Beziehung zu Gott. So etwas wie der Atem des Glaubens.
So sollte es sein - aber anders als bei der Atmung gibt es offenbar ein Glauben
ohne Gebet - oder mit nur sehr gelegentlichem Beten. Dabei sähe die Welt
und auch unser eigenes Leben anders aus, wenn wir anders beten würden.
Darum heute eine Ermutigung zum Beten.
Wir hören sie aus einem Seelsorgebrief des Paulus an Timotheus.
Timotheus war Mitarbeiter und geistlicher Schüler des Paulus.
Ich lese aus Kap. 2,1-6a
So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte
und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für
alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können
in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit. Dies ist gut und wohlgefällig
vor Gott, unserm Heiland, welcher will, dass allen Menschen geholfen werde und
sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn es ist EIN Gott und EIN Mittler
zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, der
sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung.
Paulus gibt hier sehr direkt und klar weiter, was Gott von uns, seiner Gemeinde
will:
Beten! Vor allem anderen dies - betont er.
Wir tun so viel, manches macht uns Freude und gelegentlich haben wir den Eindruck:
Es war richtig, dass wir genau dies getan haben. Mir ging es gestern so bei
den Besuchen in der englischen Siedlung. Innerhalb von zwei Stunden kam es zu
etlichen guten und wichtigen Begegnungen - mit Menschen, die offenbar nur darauf
warten, dass mal jemand kommt.
Oder im Rahmen der Bibelausstellung, die vor zwei Wochen zuende ging.
Allein bei den Veranstaltungen, die wir dort im Haus durchgeführt haben,
kamen mehr als 200 Menschen - viele, die wir sonst nicht in der Gemeinde sehen.
Wir tun eine Menge - und sind dabei von dem motiviert, was Paulus hier schreibt:
Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit
kommen.
Damit das geschieht, müssen doch welche hingehen zu den Menschen. Paulus
selbst hat es ja vorgemacht. Rastlos reiste er durch das römische Reich
- von einer großen Stadt in die nächste, um Menschen von Jesus vorzuschwärmen:
"Er ist der Mittler zwischen dem einen Gott und uns Menschen. Er hat sein
Leben hingegeben zur Erlösung!"
Und doch warnt derselbe Paulus vor einem falschen Aktionismus.
Wir stehen wir immer wieder in der Gefahr, viel Programm und Stress zu veranstalten
und darüber das Beten zu vernachlässigen.
Warum beten wir eigentlich so wenig?
Liegt es daran, dass wir Beten und Handeln immer als zwei unterschiedliche Dinge
ansehen?
Ist es so, dass wir die Erfahrung machen: wir setzen uns hin, um zu beten und
noch bevor wir anfangen, stürmt geradezu eine Fülle von Gedanken und
Sorgen über uns herein:
Ich müsste vorher nur noch eben mal meine E-Mails abrufen. Und den Tisch
in der Küche abräumen. Dann ist es gerade noch trocken - sollte ich
nicht jetzt schnell den Rasen mähen?
Und wenn das alles getan ist, fällt mein Blick auf eine ungelesene Zeitschrift.
Es ist zum Verrücktwerden! Alles scheint wichtiger zu sein als das Beten!
Paulus hat gut Reden, wenn er sagt:
So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte
und Danksagung für alle Menschen.
Vor allen Dingen - meine Erfahrung ist oft gerade umgekehrt: erst wenn alle
Dinge getan sind - und ich dann noch nicht zu müde bin, dann beginne ich
zu beten.
Wie ermutigt man zum Beten?
Man könnte erzählen, dass und wie Gott Gebete erhört hat. Das
tut Paulus indirekt.
Wir sollen beten, "damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen
können (...)" schreibt er. Der Gebetskreis, der sich Sonntags nach
dem Gottesdienst versammelt, schreibt die Anliegen, für die gebetet wird,
in ein besonderes Buch. Auch Anliegen, die Menschen auf einem Zettel notieren
und hinten in den Kummerkasten werfen, werden da aufgegriffen.
Dieses bewusste Beten hilft, um später wahrzunehmen:
Wie hat Gott auf unsere Gebet reagiert?
Diese Übung praktizieren viele Beter auch privat für sich - und manche
ziehen gerade daraus ihre neue Motivation zu Beten: Gott greift tatsächlich
ein!
Es macht wirklich einen Unterschied, ob gebetet wird oder nicht!
Um zum Beten zu ermutigen, könnte man die Wichtigkeit des Betens beschreiben.
Paulus beschreibt, was Beten alles sein kann!
1. Beten ist Bitten! Wie oft hat Jesus seine Leute geradezu eingeladen:
Redet mit Gott, wenn Euch etwas fehlt! Wenn Ihr Gott bittet in meinem Namen
- er wird es Euch gerne geben! Wo zwei von Euch eins werden, worum sie bitten
wollen, in meinem Namen - da wird Gott ihr Gebet erhören.
Kein Gebet ist zu unbedeutend. Gott will ja, dass wir Schritt für Schritt
das Vertrauen lernen.
Da kann auch mal ein Kind für sein Kuscheltier beten. Oder was auch immer.
Wir glauben immer, dass es nur sehr schwer und ernst zugehen darf beim Beten
- und lassen es dann lieber. Wie schade. Bittet doch Gott, wenn immer Euch etwas
auf der Seele liegt.
2. Beten ist Anbetung. Im Griechischen steht hier proseuchä - das
ist das Gebet, das von sich selber wegsieht und die Heiligkeit Gottes in die
Mitte stellt.
Früher gingen die Menschen dazu in den Tempel - um ein Opfer darzubringen
und sich dann vor Gott niederzuwerfen auf den Boden.
Weil Gott Ehre zukommt. Nicht, weil wir was davon hätten.
Zu dieser Form des Betens kommen wir so selten. Dabei haben wir irgendwie genau
das vor unserem inneren Auge. Das, was fromme Juden oder Muslime tun:
Egal, wo sie sind, zu festen Zeiten wird selbst das Fließband bei Ford
oder die lange Autobahnfahrt unterbrochen, weil Gebetszeit ist.
Anbetung - nicht, weil wir was davon haben, sondern weil Gott Gott ist.
Dazu kommen wir wohl so selten, weil wir das erste nicht wirklich tun! Wir bitten
nicht!
Alles, was uns so vom Beten ablenken kann, könnten wir als Gebete sagen:
Herr, Du hast meine E-Mails schon gelesen. Sorg Du doch dafür, dass ich
nichts wichtiges verpasse. Du siehst auch den Berg an Hausarbeit oder den Dingen,
die im Garten noch zu tun sind. Schenk mir die Gelassenheit, alles zu seiner
Zeit zu tun. Und Du weißt auch, warum mein Geist sich immer wieder nach
Zerstreuung sehnt. Füll meinen Mangel aus. Nur Du kannst das. Herr, ich
bin so müde geworden. Du weißt, warum. Hilf mir morgen, den Tag besser
einzuteilen und zeig mir, was ich lassen kann. Amen!
Erst, wenn wir die Dinge ins Gebet nehmen, die uns beim Beten stören, werden
wir sie los.
Erst dann kommen wir zur Anbetung. Manchem helfen Lieder dabei. An den Sing
and pray Abenden haben etliche diese Erfahrung gemacht. Was uns wenig erscheint,
ist doch genug.
Anbetung ist kein Leistungsakt, sondern ein Lassen von unserer Leistung.
3. Beten ist Fürbitte:
Der Unterschied zwischen Fürbitte und Bitte ist der, dass es bei der Fürbitte
nicht mehr um mich selber geht. Vermutlich deshalb steht es bei Paulus erst
hier, nach der Anbetung.
Darum ist nicht jedes Gebet für die Not eines anderen automatisch eine
Fürbitte!
Manches Mal beten wir zwar für jemand anders, aber wir tun es, weil das
Schicksal des Anderen uns beunruhigt oder verängstigt hat.
Das ist in Ordnung, aber dann ist es eine Bitte, die einen anderen einschließt.
In der Fürbitte weitet Gott das Herz des Beters für seine Anliegen:
Gott will, dass allen Menschen geholfen werde.
Wir beten grad mal für die, die wir kennen und die uns etwas bedeuten.
Fürbitte hat es mit Treue zu tun. Es gibt seit einigen Jahren in Deutschland
ein Netzwerk der Fürbitte. Das Wächterrufgebet ist eine Initiative,
in der Menschen sich verpflichtet haben, treu und regelmäßig für
Anliegen zu beten, die nicht ihre Privatsache sind:
Erweckung zu Glauben in unserem Land; Bewahrung christlicher Werte in Europa;
eine Bildungspolitik, die auch Erziehung zum Glauben ermöglicht und so
weiter.
Menschen in dieser Gebetsinitiative kommen einmal im Monat zur Fürbitte
zusammen - und verstehen dies als einen Dienst - nicht, weil ihnen danach ist.
In einer Gemeinde in Norddeutschland habe ich mal gehört, dass sie dort
eine hauptamtliche Beterin haben. Eine Frau, die diese besondere Aufgabe hat,
für die Gemeinde treu zu beten.
Das ist Arbeit - und nach Paulus wichtiger als alle Aktionen.
4. Beten ist Danksagung. Das ist der Rückblich beim Beten. Und wer
den Weg des Betens bis hierhin mitgegangen ist, dem braucht man dies eigentlich
gar nicht mehr zu sagen.
Gott erhört unsere Gebete - manchmal anders, als wir uns das vorstellen.
Aber so, dass etwas Gutes daraus wird.
Das Fachwort, das Paulus hier wählt, ist eucharistie.
Christen haben immer etwas zum Danken! Die Feier des Abendmahles heißt
in der katholischen Kirche Eucharistie - Danksagung. Weil da nicht nur Brot
und Wein ausgeteilt werden. Vor allem geschieht dies: Wir loben Gott für
das, was Er in Jesus getan hat:
Denn es ist EIN Gott und EIN Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich
der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung.
Das verkünden und feiern wir, wenn wir das Abendmahl feiern.
Wir sagen Gott Danke dafür, dass die Tür immer offen ist zum Vater.
Wir danken dafür, dass Jesus unsere Schuld weggetragen hat und dass wir
befreit leben dürfen. Diese Wahrheit sollen alle erfahren.
Sie macht uns frei von der Angst, dass wir nicht genügen würden.
Sie macht uns frei von dem Stress, wir müssten selber alles leisten.
Das Gebet steht wirklich vor allen Aktivitäten, weil es uns immer wieder
daran erinnert:
das Entscheidende ist längst von Jesus getan. Alles, was wir veranstalten,
ist nur Nachklang.
Es diene zu Gottes Ehre. Dann ist es gut.
Amen!