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Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31 Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Markus 13, 31
Predigt zu Römer 5, 1 - 5, Reminiscere 2004-- Drucken

Ihr Lieben,

da trat vor drei Jahren in Hamburg ein Mann auf, der sich gerne "Richter Gnadenlos" nannte. Ronald Schill, von Beruf Amtsrichter, strebte mit einem Programm in die Politik, das mit hart und konsequent klingenden Sätzen Großes versprach:
Wenn man mich lässt, dann wird durchgegriffen. Die Missstände vor allem in der Innenpolitik und im Umgang mit Verbrechen werden beseitigt. Die Polizei wird aufgerüstet und mit Macht wird Recht und Ordnung wieder hergestellt.
Richter Gnadenlos erlangte einen beispiellosen politischen Erfolg - und erlitt jetzt einen ebenfalls beispiellosen Niedergang seiner Partei.
Offenbar hatten seine Versprechen, gnadenlos für Ruhe und Ordnung zu sorgen, eine Sehnsucht bei vielen angesprochen, die von den anderen Politikern nicht gestillt wurde.
Wonach sehnen sich Menschen?
Nach Ruhe - der ersten Bürgerpflicht, wie es im alten Preußen mal hieß?
Nach Unterhaltung und Zerstreuung, wie es die Medien uns anbieten?
Nach Sicherheit und Bequemlichkeit?
Wonach sehnen wir uns? Denken Sie doch mal einen Moment nach.
Was erwarten Sie heute morgen?
Dr. Reiner Knieling sagte auf der Missionale zur Frage, was er vom Besuch eines Gottesdienstes erwartet: "Ich erwarte, dass ich am Ende vitaler bin als vorher."
Ein gelungener Gottesdienst, das wäre also, wenn wir nachher fröhlicher, entspannter, getrösteter oder dankbarer geworden sind.
Beschreibt das unsere Sehnsucht heute morgen?
Dass wir etwas finden mögen, was uns aufrichtet?
Was uns neu Mut macht, weiter zu leben? Was uns froh gemacht hat oder tief berührt?
Vermutlich würden wir es sehr unterschiedlich beschreiben, was das wäre.
Aber die Frage will ich dennoch in den Raum stellen:
Wie kann es gelingen, dass der Gottesdienst eine solch positive Wirkung hat?
Wir hören heute einen Gedankengang von Paulus, der hier das Herzstück des Glaubens beschreibt - nicht, damit wir dazu nicken und klüger geworden wären, sondern damit wir ermutigt und bewegt werden.
Ich lese aus dem Römerbrief:
Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus; durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird. Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist.
Diese wenigen Sätze sind dicht gepackt voll mit schweren Begriffen: "gerecht werden vor Gott", Glauben", "Bedrängnis", "Geduld", "Hoffnung", "Frieden", "Gnade", "Liebe Gottes", "Heiliger Geist", "Herrlichkeit Gottes" -Das klingt ziemlich anstrengend, oder?
Worum geht es?
Paulus beschreibt hier sehr dicht, was der Glaube an Jesus bewirkt und woher er kommt.
Der Glaube bewirkt, dass wir Frieden mit Gott haben. Oder mit einem anderen Bild:
Dass wir als gerecht angesehen werden vor dem Ewigen Gericht Gottes - Freispruch, egal, was gewesen ist. Eine feste Zuversicht im Blick auf das, was kommt.
Das bewirkt der Glaube. Und woher kommt es, dass wir das glauben?
Gottes Heiliger Geist ist es, der uns glauben lässt. Der Glaube ist nicht unsere Leistung.
So sehr wir erleben, dass wir uns frei für oder gegen das Glauben entscheiden, so sehen wir im Rückblick: Gott hat in uns den Glauben geweckt.
Und dann ist da ein Wort, das für mich zu einem Schlüssel wurde - weil es nicht nur mein Nachdenken herausfordert, sondern weil es mein Herz angerührt hat:
Ich meine das Wort Gnade.
Durch Jesus Christus haben wir im Glauben Zugang zur Gnade Gottes - das sagt Paulus.
Dass echte Begnadigung gerade für Paulus eine zentrale Antwort Gottes ist, liegt an seiner eigenen Geschichte: Voll verblendeter Energie hatte er die ersten Christen verfolgt, hatte für Anklagen und Verurteilungen gesorgt, wo immer er konnte. Paulus war ein Überzeugungstäter - und darin war er gnadenlos.
Dann ist Jesus ihm in den Weg getreten - und hat ihn mit Gnade überwältigt.
Er hat ihm nicht eine gute Predigt gehalten - er hat ihn angerührt und damit überwältigt:
Dann ist Paulus Menschen begegnet, die ihn angenommen haben trotz seiner Vergangenheit.
Und so wurde aus dem gnadenlosen Fanatiker ein Zeuge der Gnade Gottes.
Warum leben wir oft gnadenlos?
Wie kommt es, dass wir Versager nicht besonders mögen in der Gemeinde?
Ich meine nicht, ehemalige Versager. Solche, die sich bekehrt haben und sich jetzt angepasst und richtig verhalten. Die sind o.k. Die können ja was vorweisen.
Aber was ist mit denen, die immer wieder Mist bauen? Die uns oder andere immer noch enttäuschen? Chaoten nennen wir solche Leute vielleicht? Wie gehen wir mit denen um?
Wenn sie aufkreuzen, dann dulden wir sie vielleicht eine Zeitlang. Aber dann erwarten wir doch was, oder? Dass sie sich bessern. Dass sie zeigen, dass es ihnen ernst ist.
Dass man sich fortan auf sie verlassen kann.
Und das lassen wir den Anderen auch spüren. Warum sind wir so gnadenlos?
Könnte es sein, dass wir Glaube immer noch verwechseln mit einer Ansammlung von Richtigkeiten? Zu denen wir im Kopf Ja gesagt haben?
Vom Kopf her wissen wir: Jesus ist gnädig - ja auch mit uns.
Wenn wir ihm ähnlich werden wollen, dann sollten wir auch gnädiger sein.
Das sagt uns der Kopf.
Aber da drunter liegt der Bauch. Und aus dem Bauch heraus entscheiden wir:
Vielleicht sagt uns der Bauch:
Warum sollten andere es einfacher haben als ich es hatte? Wäre das nicht ungerecht?
Und dann mögen die Argumente noch so stark für Barmherzigkeit, oder Weitherzigkeit sprechen - es würde ja bedeuten, der andere bekommt heute was Besseres, als ich mir je erlaubt hätte. Nein, soll der doch klarkommen. Ich helfe ihm nicht.
Wer mit sich selber unbarmherzig ist, wird so auch über andere denken.
Ich denke an die endlosen Diskussionen über einen Eltern-Kind Raum. Manche haben gesagt: Früher ging es doch auch ohne. Warum soll jetzt da was getan werden?
Und haben dabei übersehen, dass es die Liebe zu den Suchenden war, die uns drängt, den Besuch des Gottesdienstes zu erleichtern.
Gnade können wir verstehen mit dem Kopf.
Aber Zugang zur Gnade haben wir nicht durch unsere Gedanken, sondern durch eine Person, durch eine Begegnung und Erfahrung.
Zugang zur Gnade haben wir durch Jesus Christus, sagt Paulus.
Ich habe gefragt, weshalb es uns schwer fällt, miteinander barmherzig umzugehen?
Es ist wohl so ähnlich wie mit der Liebe:
Da denken wir auch immer von den Gefühlen her. Wir liebe die, die uns lieben. Das fällt uns leicht, da sind wir auf sicherem Terrain. Aber Jesus hat gesagt: An den Feinden wird deutlich, ob ihr liebt. Alles andere ist nichts Besonderes, nichts Göttliches.
Und bei der Barmherzigkeit?
Wie kommen wir dahin, einen Anderen wirklich so anzunehmen, wie er ist?
Ohne Vorbehalte? Wir können das nicht.
Aber Gott tut es durch uns. Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen!
Das ist Fakt!, nicht eine Möglichkeit, nicht ein Angebot, sondern eine Tatsache.
Ebenso der Geist Gottes, der in Euch ist - Mit was für einer Gewissheit redet Paulus hier zu Leuten, die Jesus einmal im Glauben als Herrn angenommen haben!
Wir können den Geist dämpfen, wir können nicht nach der Liebe leben - aber das gilt:
Gott hat seinen Geist gegeben - nicht wenigen Auserwählten, sondern sehr freigiebig an alle, die sich nach seinem Namen nennen.
Wir brauchen uns nicht mit der Frage herumzuquälen, ob Gott uns wohl für würdig genug hält, ob er uns wirklich leitet. Ja, er tut es!
Und weil das für jeden in der Gemeinde gilt, brauchen wir das auch bei keinem sonst in Frage zu stellen. Und dann könnten wir doch wirklich auch gnädig miteinander leben, oder?
Nur nebenbei noch bemerkt:
Richter Gnadenlos - Ronald Schill ist vor einer Woche wohl endgültig politisch untergegangen. Geradezu gespenstisch fand ich es, dass seine Partei, die sich nach seinem Namen genannt hatte, ihn selber ausgeschlossen hat. Das hat sie nicht gerettet.
Als diese Nachricht kam, da hab ich mich mit etwas Erschrecken gefragt:
Könnte uns, der Kirche Jesu Christi das auch passieren?
Dass wir, die wir uns nach Jesus Christus nennen, ihn selber längst ausgeschlossen haben und nach ganz anderen Maßstäben leben? Eine wahrhaft gespenstische Vorstellung.
Jesus ist die Gnade Gottes in Person.
Wenn wir nicht gnädig miteinander umgehen, würden wir genau das tun.
Ich fürchte, eine Kirche, die Jesus nicht mehr in ihrer Mitte hat, hat keine Zukunft.

Amen!

Björn Heymer