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Ihr Lieben,
das große Fest rückt näher -heute hören wir auf Sätze
von Paulus, die klingen ein bisschen wie die Ansage eines Reiseleiters kurz
vor dem Ziel:
Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!
Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe!
Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und
Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen
und Sinne in Christus Jesus.
Der letzte Satz kommt sicher den meisten bekannt vor.
Vielleicht sogar so bekannt, dass Sie gedacht haben: Wie? Ist die Predigt schon
zuende?
Der gehört doch eigentlich ans Ende der Predigt. So als ausführliches
Amen.
Hier kommt er her - aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Philippi.
Es ist wohl der emotionalste Brief, der uns von diesem wichtigsten Theologen
der Christenheit erhalten ist.
Paulus saß im Gefängnis, als er diesen Brief schrieb.
Verhaftet als Unruhestifter, was im römischen Reich ziemlich lebensbedrohlich
war.
Für Leute, die sich auf einen verurteilten Verbrecher wie Jesus beriefen,
zumal.
Paulus rechnete damit, dass er seine Freunde nicht mehr wiedersehen würde.
Ja, dass dies wahrscheinlich die letzten Zeilen sein würden, die er an
sie schreiben konnte.
In seinem Schreiben findet er Worte, die Gewicht haben - bis heute.
Drei Themen möchte ich entfalten:
1. Freut Euch!
2. beten statt sorgen!
3. Friede ist eine Wirklichkeit
Zuerst einmal dies: Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich:
Freuet euch!
In ganz ähnlicher Weise klingen Zeilen, die Dietrich Bonhoeffer vor genau
60 Jahren - eine Woche vor Weihnachten 1943 aus der Gefängniszelle an seine
Eltern schrieb:
"Dass Elend, Leid, Armut, Einsamkeit, Hilflosigkeit und Schuld vor den
Augen Gottes etwas ganz anderes bedeuten als im Urteil der Menschen, dass Gott
sich gerade dorthin wendet, das begreift ein Gefangener besser als ein anderer,
und das ist für ihn wirklich eine frohe Botschaft. Indem er das glaubt,
weiß er sich in die alle räumlichen und zeitlichen Grenzen sprengende
Gemeinschaft der Christenheit gestellt - und die Gefängnismauern verlieren
ihre Bedeutung."
Hier, wie überhaupt bei der Botschaft von Weihnachten - geht es nicht um
fröhliche Stimmung, nicht um "Lach doch mal wieder!"
Paulus erinnert uns an Jesus, gerade weil der Glaube auch Traurigkeit mit sich
bringt.
Weil Nachfolge sich nicht gut mit den Kriterien einer Spaßgesellschaft
verträgt.
Jesus nachzufolgen ist riskant. Wer ernst macht mit Jesus, der wird wahrlich
nicht immer bewundert. Der kriegt auch mal zu hören: "Du nervst mit
deinem frommen Gerede!" Oder: "Was, du betest? Weißt du nichts
besseres?"
Und das wäre sicher noch harmlos. Schmerzhafter ist es, wenn man seinen
Glauben nicht teilen kann mit den Menschen, die einem sehr viel bedeuten - mit
dem Partner, mit den eigenen Kindern. Wenn man innere Ablehnung zu spüren
kriegt von Menschen, die einem viel bedeuten. Gerade wer den Glauben ernst nimmt,
wird immer auch eine gewisse Traurigkeit empfinden - weil so viele das eben
nicht teilen.
"Freut euch in dem Herrn auf allen Wegen." betont Paulus
- in Jesus!
Der Grund zur Freude liegt nicht in uns, auch nicht in unseren Lebensumständen.
Das, was uns wirklich froh macht, ist einzig und allein Jesus. Gerade weil Er
den Weg der Erniedrigung gegangen ist. Damit ist Gott dahin gekommen, wo Menschen
ihn wirklich brauchen.
Denkt immer daran, wenn es dunkel um Euch ist - oder auch in Euch: Jesus ist
nah bei Euch!
Das ist die gute Botschaft - von Weihnachten und vom ganzen Evangelium.
Das ist Grund zur Freude - erinnert uns Paulus, der seine Verurteilung und seinen
Tod vor Augen hat.
Das zweite Thema ist dies: Sorgt Euch nicht, sondern tragt alles, was euch bewegt,
vor Gott.
Beten statt sorgen - das wäre die Kurzform. Man kann viel über das
Beten sprechen, das wird nichts verändern. Erst, wenn wir damit beginnen,
wird sich etwas verändern.
Beten heißt innehalten. Es zu wagen, das Sorgen loszulassen.
Sorge in der Vorweihnachtszeit hat viele Gesichter!
Einer entwickelt in diesen Tagen eine geradezu märchenhafte Energie, Geschenke
auszusuchen, einzukaufen, zu schmücken und zu verpacken, Karten zu schreiben
und bloß niemanden zu vergessen - und ist dabei zutiefst von der Sorge
getrieben, jemand könnte ihm böse sein, könnte sich übergangen
fühlen oder schlecht über einen reden.
Bei anderen bewirkt dieselbe Sorge das genaue Gegenteil - sie sind wie gelähmt
und grübeln tagelang alle möglichen und unmöglichen Verläufe
der einen oder anderen Begegnung durch.
Anrufe werden hinausgeschoben, Gespräche vermieden und am Ende geschieht
genau das, wovor man sich gefürchtet hat: eine Beziehung wird anstrengend
und schwierig.
Dann sind wir alle gut darin, uns Sorgen zu machen, ob das, was wir haben, denn
wohl reichen wird. Verrückt, wo wir in einem der reichsten Länder
der Welt leben und die allerwenigsten Hunger oder Frieren aus echter Not heraus
kennen.
Trotzdem sorgen wir uns.
Wer sich sorgt, ist meist entweder gefangen in seiner Vergangenheit, in Erfahrungen,
die ihn nur Schlimmes erwarten lassen - oder er versucht ständig, schon
heute die Zukunft zu sichern. Beides, die Vergangenheit über sich herrschen
zu lassen oder schon jetzt im Morgen zu leben, ist anstrengend und zutiefst
gottlos. Denn wer sich sorgt, der rechnet nicht mit Gottes Eingreifen. Und muss
dann sein ganzes Leben selber schultern.
Was Paulus hier empfiehlt ist tatsächlich meist das letzte, was uns Sorgenkünstlern
einfällt, oder? Sich hinsetzen, alles beiseite zu legen und vor Gott zu
treten.
Das soll doch der Advent sein: eine Zeit der Stille, der Besinnung und des Empfangens.
Ein ernstes und treues Beten für einen Menschen, der einem einfällt
(solche Einfälle sind oft gerade Gottes Erinnerungen), das bewirkt sicher
etwas. Manchmal fällt uns im Beten ein, was dem anderen wirklich helfen
würde. Und wir tun es fröhlichen Herzens. Manchmal werden wir gelassen,
gar nichts zu tun - weil Gott für den Anderen gut sorgt.
Beten ist nicht der Ersatz für unseren liebevollen Umgang miteinander.
Sondern im konkreten und intensiven Beten erfahren wir Leitung durch Gott für
unser Tun.
Da sparen wir uns vielleicht manches Belanglose und tun etwas Überraschendes
- weil Gott uns auf die Idee gebracht hat.
Weniger Sorgen, mehr wirklich beten, das würde uns zu adventlich lebenden
Menschen machen. Zu Menschen, die mit der neuen Ankunft Jesu rechnen.
"Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre
eure Herzen und Sinne in Christus Jesus."
Das ist jetzt nicht der Schluss! Das ist Thema meines dritten Gedankens
Paulus schreibt, was er selber erlebt hat: im Gefängnis zu sitzen, bedrängt
von einer höchst bedrohlichen Zukunftsaussicht - und dabei andere zu trösten.
Paulus konnte Briefe schreiben, durch die Menschen aufgemuntert werden - anstatt
zu klagen und um Hilfe in jeder Form zu bitten. Wie ist das möglich? Sicher,
das übersteigt unsere Vernunft.
Christus Jesus sind die letzten beiden Worte dieses Satzes. Die ungewohnte Reihenfolge
erinnert uns daran: Christus Jesus ist ein Bekenntnis - nicht ein Name.
Dieser Jesus ist der Christus, der von Gott Gesalbte, der Messias. Das Kind
in der Krippe - der mächtigste Herrscher der Welt. Wer kann das fassen?
Unsere Herzen und Sinne sollen in dieser Gewissheit bewahrt bleiben - wie könnte
einer klarer sagen:
Der Glaube an Jesus liegt nicht in unserer Hand.
Wenn ein Mensch an Jesus glauben kann, dann ist das Gottes Wirken in ihm.
Das halten wir für unnötig, solange es nicht viel kostet, an Gott
festzuhalten.
Als Jesus sich kurz vor seiner Hinrichtung von seinen Jüngern verabschiedete,
da hat er von der Erschütterung gesprochen, die auf sie wartet. Und dann
sagt er dem Petrus etwas zu, was mir immer wieder ein Trost ist: "Ich bete
für dich, dass dein Glaube nicht aufhöre!"
Jesus sorgt sich darum, dass wir glauben können, auch wenn es schwer wird.
Und was Er getan hat, dass sollen wir einander tun:
Wir haben in unserer Mitte Menschen, die den letzten Abschnitt ihres irdischen
Lebensweges gehen. Und sie werden begleitet von Menschen, die für sie beten,
die sie immer wieder besuchen, oder anrufen - und ihnen buchstäblich Mut
zusprechen.
Bitte, betet für die, die in Anfechtung sind! Jesus tut es auch.
Dieser Satz des Paulus ist ein Gebet - für seine Gemeinde, für uns:
"Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre
eure Herzen und Sinne in Christus Jesus."
Amen!