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Predigt zu Psalm 85, 1 - 8, 3. Sonntag im Advent 2003-- Drucken

Ihr Lieben,

der dritte Advent ist der Sonntag des Täufers Johannes.
Wie passend, dass wir heute morgen eine Taufe erleben werden.
Nun wissen wir, wie Taufen ablaufen: Die Familie ist glücklich und dankbar, dass da ein Kind geboren ist, dass dieser Henrik gesund und munter ist.
So ein Kind ist wie ein Sonnenstrahl. Das wissen die Eltern, das spüren heute morgen sicher auch Manche, die sich einfach mit an diesem Kind freuen.
Die Grundstimmung bei Taufen ist hell, wir feiern ein fest und empfinden Dankbarkeit. Taufgottesdienste machen Freude. Wunderbar.
Wer die Berichte vom Auftreten Johannes, des Täufers kennt, der weiß:
Das war mal ganz anders! Taufe betraf nicht neugeborene Kinder, sondern Erwachsene.
Menschen, die einen ernsten Ruf gehört haben und denen ein Stich durchs Herz gegangen ist.
Johannes der Täufer war ein Bußprediger.
Da war nichts sanftes oder liebliches an seiner Predigt.
Als Menschen Johannes hörten, war die Grundstimmung Erschütterung, Erschrecken!
Da haben Leute schlagartig erkannt: Gott - das ist der Heilige, der Herrscher und Richter - alles, was wir bisher gelebt haben, wird benannt, geprüft und beurteilt werden.
Und die Taufe - das war der Ausdruck eines Hilfeschreies an Gott:
Herr, hilf mir und sei mir gnädig! Wenn nicht, dann bin ich verloren!
Wir alle haben eben so gebetet. Haben Sie es gehört? Haben Sie es mitgebetet?
Eben, zu Beginn des Gottesdienstes haben wir die Worte aus dem 85. Psalm gesprochen.

HERR, der du bist vormals gnädig gewesen deinem Lande
und hast erlöst die Gefangenen Jakobs;
der du die Missetat vormals vergeben hast deinem Volk
und alle seine Sünde bedeckt hast; -
der du vormals hast all deinen Zorn fahren lassen
und dich abgewandt von der Glut deines Zorns:
hilf uns, Gott, unser Heiland,
und lass ab von deiner Ungnade über uns!
Willst du denn ewiglich über uns zürnen
und deinen Zorn walten lassen für und für?
Willst du uns denn nicht wieder erquicken,
dass dein Volk sich über dich freuen kann?
HERR, erweise uns deine Gnade
und gib uns dein Heil!

Inständig bittet hier einer Gott - um Gnade. Wer um Gnade bittet, der rechtfertigt sich nicht länger, der hat erkannt, dass er nichts vorweisen kann vor dem Richter, der hat Ja zu seiner Schuld gesagt. HERR, erweise uns deine Gnade und gib uns dein Heil!
Das sagt sich so leicht - dass Gott gnädig ist und dass wir alle gleichermaßen angenommen und geliebt sind von ihm.
Es sagt sich so leicht, dass wir schon gar nicht mehr merken, was wir da sagen!
Heute morgen können diese Worte des Psalms für uns zu einer Schule des Betens werden.
Zu drei Schritten sind wir eingeladen:
1. Schritt: sich erinnern 2. Schritt: fragen 3. Schritt: bitten
Das Geheimnis der Erlösung ist Erinnerung - hat mal jemand gesagt.
Es gehört zur Würde eines Menschen, dass er eine ganz einzigartige Geschichte hat. Erlebnisse, die ihn geprägt haben, Erfolge, aus denen wir unseren Selbstwert schöpfen und auch dunkle Seiten, die wir manchmal wie eine Last mittragen.
Und dass der Mensch sich an das Gewesene erinnert. Es ist Teil seines Lebens.
Der Psalm lässt für die Erinnerung den breitesten Raum:
Da hält einer Gott vor, wie er ihn in seiner eigenen Geschichte erlebt hat:
Mich erstaunt in der Bibel immer wieder, wie ehrlich die Menschen sind, die da zu Wort kommen.
Die Bibel erzählt nicht von Helden, sondern von Leuten, die gescheitert sind und die dazu stehen. Vielleicht sind das die wahren Helden, die niemandem mehr etwas vorspielen, wie toll und perfekt sie seien, sondern die den Mut haben, zu sagen wie es ist!

HERR, der du bist vormals gnädig gewesen deinem Lande
und hast erlöst die Gefangenen Jakobs;
der du die Missetat vormals vergeben hast deinem Volk
und alle seine Sünde bedeckt hast; -
der du vormals hast all deinen Zorn fahren lassen
und dich abgewandt von der Glut deines Zorns:

Der Beter weiß: Gott hat vor allem anderen Geduld mit dem Volk. Und wie in einem Spiegel zeigt sich da, wie das Volk eben ist: Missetat und Sünde sind altertümliche Begriffe.
Die Sache dahinter ist heute so aktuell wie immer:
Nehmen wir nur das, was in diesen Tagen ständig in der Zeitung zu lesen ist: Wer andere betrügt, um einen Vorteil davon zu bekommen , der macht sich schuldig.
Ich meine die skandalöse Kungelei im Zusammenhang mit der Müllverbrennung hier in Köln. Da kann man sich aufregen - klar. Aber was die da oben im großen Stil treiben, das kennen die kleinen Leute doch auch: Auf wen nehmen wir Rücksicht? Von wem lassen wir uns beeinflussen? Eine Hand wäscht die Andere - das kann ganz ehrenhaft sein, das kann genauso schnell zu einer unfairen oder schädlichen Geschäftemacherei verkommen.
Unser Fehler ist: wir denken immer: "Damit hat Gott doch nichts zu tun. Das betrifft doch höchstens den Anderen, der eben nicht clever genug ist."
Dabei schildert die Bibel uns Gott immer so, dass er sehr aufmerksam beobachtet, wie Menschen miteinander umgehen. Gott ist nie neutral: Er liebt auch nicht einfach alle gleich. Gott ist höchst parteiisch - und zwar steht er auf der Seite der Rechtlosen, der Armen und Ausgebeuteten. Wer einem anderen Unecht tut, bewusst und gezielt, für den wird Gott wie der starke Bruder des Opfers.
Das ist der tiefe Sinn der Rede davon, dass alle Menschen Kinder Gottes sind - Geschwister!
So tröstlich das für uns klingt, wenn wir nur an uns selber denken - so ernst ist damit auch gesagt: die Schuld am anderen - die trifft immer auch Gott.
"Wer mein Volk antastet, der tastet meinen Augapfel an!" hat Gott einmal gesagt.
Und Jakobus fragt: Wie könnt ihr behaupten, ihr würdet Gott lieben, wenn ihr nicht einmal den Notleidenden in der Gemeinde praktisch helft.
Erinnerung heißt - ehrlich werden und erkennen: Gott hat bisher schon unendlich viel Geduld an mir erwiesen. Geduld, die ich nicht verdient habe.
Weil das so ist, kann ich ehrlich sein, ohne zu verzweifeln. Das ist ja auch wahr: dass Gott mich immer noch leben lässt. Darum darf ich zu ihm kommen - so wie ich bin.
2. Schritt: Fragen. Das mag uns erst mal überraschen. Käme jetzt nicht gleich die Bitte um Vergebung? Ja und nein!
Wenn Menschen erst mal fragen, zeigen sie, dass sie ehrlich erschüttert sind.

Willst du denn ewiglich über uns zürnen
und deinen Zorn walten lassen für und für?
Willst du uns denn nicht wieder erquicken,
dass dein Volk sich über dich freuen kann?

Der Beter überspringt nicht innerlich den Zorn Gottes. Gott ist in der Bibel nicht der liebe Gott, nicht der Harmlose und grenzenlos Gütige. Das hieße, Gott kleiner zu machen als er ist.
In diesen Fragen klingt das Erschrecken der Hörer mit:
Wenn Gott tatsächlich auf der Seite derer steht, an denen ich schuldig wurde - dann steht er ja gegen mich! Auch, wenn sein Gericht mich noch nicht getroffen hat.
Ja, so ist es! Wer bei Gott noch nie an den furcht erregenden Richter gedacht hat, der hat es noch nie mit dem Gott der Bibel zu tun bekommen. Der hat sich ein weich gezeichnetes, vertröstendes Bild gemacht. Und das fällt unter das 1. Gebot: Mach Dir keine falschen Bilder von Gott!
Dieser Psalm erinnert uns daran: Selbstsicherheit zerschmilzt vor Gott wie Schnee im Ofen!
Die vier Wochen des Advent sind eine Zeit der Erwartung.
Mein Eindruck ist aber: wir haben das Warten auf das Wunder von Weihnachten ersetzt durch ein lang ausgedehntes Feiern, das die ganze Adventszeit andauert.
Der Nikolaus bringt schon mal den ersten Satz Geschenke.
Das Festgebäck essen wir jetzt schon. In einem Haushalt hab ich schon eine Krippe gesehen.
Und die unendlich vielen Lichter - sie scheinen dies Jahr ja das Thema Nr. 1 zu sein.
Eigentlich wäre der Advent die Zeit der Sehnsucht nach dem Licht, also gerade eine besonders dunkle Zeit. Aber die Dunkelheit halten wir nicht aus - und überspringen sie einfach. Der Weihnachtsbaum ist schon jetzt voll geschmückt. Der Trend geht ja schon zum Zweitbaum - einer für die Adventszeit, einer für Weihnachten.
Die Weihnachtslieder singen wir schon zum Nikolaus, weil es ja ach so romantisch klingt.
Ist all das ein Ausdruck unserer inneren Haltung? Dass wir in der Begegnung mit Gott die innere Umkehr überspringen und nur noch die Botschaft vom lieben Gott hören wollen?
Früher wurde in den Wochen des Advent bewusst verzichtet, um mal selber zu spüren: wir haben es nötig, Buße zu tun. Das Aufleuchten des Lichtes macht erst dann Sinn, wenn man durch die Dunkelheit gegangen ist.
Unser Psalm erinnert uns an dieses Innehalten vor Gott. Er geht dann den
3. Schritt: bitten
Beten heißt: in der Gegenwart ankommen. Gerade nicht die Zukunft vorwegnehmen.
Heute geht es darum, Gott zu bitten: Lass uns doch noch einmal neu anfangen.
Die Taufe ist das Sakrament des Neuanfangs. Als der Täufer auftrat und die Menschen zur Umkehr aufrief, da bot er ihnen die Taufe an. Als das sichtbare Zeichen für die, die wirklich neu anfangen wollten. Darum gehört sie eigentlich an die Stelle im Leben eines Menschen, wo er neu mit Gott anfangen will. Darum gehört das Bekenntnis zur Taufe dazu.
Die Eltern und Paten sprechen es heute stellvertretend für das Kind. Und verpflichten sich damit: Sie wollen dafür sorgen, dass ihr Kind Gott kennen lernt. Sie wollen ihm von Gott und Jesus erzählen. Sie wollen ihm das Beten beibringen. Und das tut man am Besten, indem man es vormacht. Die Taufe von kleinen Kindern ist nur eine halbe Sache. Sie wird erst dann vollständig, wenn das Bekenntnis des Getauften dazukommt.
Die Bitte um Segen aus dem Psalm wollen wir heute also in zwei Richtungen aussprechen:
HERR, erweise uns deine Gnade
und gib uns dein Heil!
Lasst uns so beten für Henrik und auch für uns selbst.

Amen!

Björn Heymer