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"Advent ist im Dezember" - Die Bischöfin der Landeskirche von
Hannover, Margot Kässmann, hat sich zur Wortführerin einer Gegenbewegung
gemacht: Lasst Advent erst im Advent sein. Bitte nicht schon am Volkstrauertag
Weihnachtsmärkte, bitte nicht schon im Oktober Nikoläuse, bitte nicht
schon im September Spekulatius. Viele sympatisieren wie ich damit: Wo immer
wir gute Begrenzungen für mehr Kommerz aufheben, höhlen wir sie aus.
Sie wirken nicht mehr, Advent macht keine Freude mehr, wo er sich verlagert.
Und
dann stehen wir Mitte November auf dem Weihnachtsmarkt - und wundern uns, dass
wir uns nicht mehr auf Weihnachten freuen können
Viel Erfolg haben die Kirchen nicht mit ihrem Tritt auf die Bremse - die meisten
Geschäfte behaupten, die Kunden wollten es so - die meisten Kunden sagen:
Was ist schlimm daran - nur ein bisschen.. Aber hängt Advent von Nikoläusen
und Lichterketten ab?
Die spannende Frage ist: was macht den Advent zum Advent? Was macht aus dieser
Zeit vor Weihnachten eine Zeit der Ankunft? Wie kann die Freude Gottes, wie
kann Jesus selbst bei uns ankommen? Wie können wir zu Menschen werden,
die adventlich leben? Und wie kommen wir so bei anderen an, dass durch uns J
ankommt? Adventlich leben - wie macht man das?
Röm 13:8-14 hilft uns dabei, adventlich zu leben. Adventlich leben - drei
Stichworte dazu:
1. Schuldenfrei werden
Seid niemandem etwas schuldig, rät Paulus. Gibt es hier Menschen, die ganz
schuldenfrei sind? * Als Student kaufte ich mir ein altes Auto. Folge: mein
Konto wurde immer mehr überzogen, ich hatte zeitweilig gar keine Freiheit
mehr, aber ich kam nicht auf den Gedanken, das Auto abzuschaffen. Als es schließlich
auf einer Kölner Kreuzung verreckte, war das wie eine Befreiung. - Schulden
sind wie ein Strudel: wenn man einmal reingeraten ist, kommt man kaum aus eigener
Kraft wieder raus. Die Schuldnerberatungen sind voll von Menschen, die nicht
mehr durchblicken, manche Jugendliche haben immense Handy-Schulden..
Aber Paulus meint nicht nur finanzielle Lasten. Viele leben ihr ganzes Leben
lang aus Schuldgedanken. Ich denke an eine Familie, wo die alte Mutter alles
regierte - immer wenn die Kinder (ca 55) mal in Urlaub fahren wollten, wurde
sie so krank, dass alles wieder abgesagt werden musste. - "Es gibt Menschen,
die verbringen ihr ganzes Leben damit, Dinge zu bedauern und ihre Scham zu verbergen",
sagt der amerik. Pastor R.Warren. Verschuldet leben heißt: von der Vergangenheit
regiert zu werden.
Die gute Nachricht von Advent ist: das muss nicht so sein. Christi Kommen ist
die Entlastung aller Verschuldeten, die Befreiung aller Schuldigen, das Ende
der Schuldgefühle. Was immer ich getan habe, ob ich wie Mose ein Mörder
oder wie Paulus ein Verfolger war - meine Zukunft hängt nicht mehr davon
ab. Ich darf schuldenfrei gegen alle und alles werden. Ich bekomme eine Zukunft,
in der nur noch eine einzige Verpflichtung entscheidend ist: einander zu lieben.
Der französische Schriftsteller Albert Camus war kein Christ. Er hat einmal
gesagt: "Wenn ich eine Morallehre schreiben müßte (also ein
Buch über das richtige Verhalten), dann würde das Buch 100 Seiten
umfassen und davon wären 99 Seiten leer. Auf die letzte Seite würde
ich schreiben: Ich kenne nur eine einzige Pflicht, d.i. die Pflicht zu lieben."
- Das klingt so seriös, aber zugleich ganz kalt. Als ob ich mit einem neuen
Kredit alle anderen nur umgeschuldet werden. Statt 20 Gläubiger habe ich
dann noch einen - aber verschuldet bin ich doch. Eine Pflicht ist etwas was
ich tue, weil ich muss und es einsehe.
Liebe ist etwas anderes: eine Sehnsucht, die nicht rechnet. Warum also Verpflichtung
zur Liebe? Weil die Weitergabe der Liebe Gottes uns nicht einengt, sondern befreit.
Weil sie uns nicht arm, sondern reich macht. Weil Jesus uns in unserem Handeln
nicht fesselt, sondern befreit. Weil Lieben nicht Last, sondern Lust ist. Die
Schriftstellerin Ricarda Huch hat das Geheimnis der Begegnung mit Gottes Liebe
so ausgedrückt: "Liebe ist das einzige, was wächst, indem wir
es verschwenden". - Adventlich lieben können die, die Gott schuldenfrei
gemacht hat.
2. Erwartungsvoll leben
Irgendwo las ich die Kindheitserinnerung eines Schriftstellers, der als Kind
im Advent nach den versteckten Weihnachtsgeschenken suchte und sie auch fand:
Seine Eltern hatten seinen großen Wunsch besorgt.. Danach war alles anders:
das schlechte Gewissen, die verlorene Erwartung. Das Schlimmste, so schrieb
er, war, am Weihnachtsabend Überraschung heucheln zu müssen, obwohl
er längst schon Bescheid wusste.
Erwartung lebt von der Vorfreude. Paulus sagt: Advent ist Vorfreude auf Gottes
Zukunft. "Das Schönste kommt noch" (Rienecker). Der Tag kündigt
sich an, obwohl noch alles dunkel ist. Die Nacht ist im Schwinden, denn Jesu
Auferstehung hat den letzten, den großen Tag Gottes eingeleitet. Wie auf
den letzten Kilometern der Tour de France: wenn die Favoriten ausreißen
wollen - dann muss man sich dranhängen. Jetzt geht's los.
Es gibt unter frommen Christen einen verräterischen Gebrauch des Wörtchens
"noch". In Gebeten z.B. Wir danken dir, dass wir noch in Freiheit
verkündigen dürfen, dass wir noch offen uns treffen dürfen. *
Als Jugendlicher sang ich ein Lied: "Noch dringt Jesu frohe Botschaft in
die dunkle Welt.." - das klingt als ob alles nur noch schlimmer werden
kann. Wo immer wir sind - es geht nur abwärts. Das Beste ist jetzt oder
liegt hinter uns.
Paulus redet anders von Gottes Zukunft. Er sagt: es ist noch nicht da, es hat
aber schon angefangen - und ich freue mich drauf. Es ist Zeit aufzustehen, weil
Jesu endgültiges Wiederkommen jetzt deutlich näher ist als damals,
wo ich Christ geworden bin. Es ist soz. mitten in der Nacht, aber der Morgen
kann schon erahnt werden. Wer zurückschaut wie Lots Frau, wird gelähmt:
es ist seit Stunden nur dunkler geworden - also wird es immer noch dunkler.
Wer vorausschaut, sieht dass jetzt der Tag anbricht. Der dunkelste Punkt ist
der Anfang des Lichtes: Es kann nur noch heller werden.
* Aufstehen fällt mir schwer, wenn vor mir nur Pflichten liegen. Ich kämpfe
mit Duschen und Kaffee gegen die Bettschwere. Aber wenn ich etwas Schönes
vor mir habe, worauf ich mich seit Wochen gefreut habe (z.B den Aufbruch in
den Urlaub ) dann komme ich ganz anders aus dem Bett.
Aufstehen zur Liebe? Wenn ich einen schwierigen Nachbarn habe - und ich empfinde
die Liebe als Pflicht, dann muss ich mich zwingen. Dann kann ich daran müde
werden, kaputt gehen. Wenn ich weiß: Jesus will mich reich machen durch
das, was ich verschenke, an Zeit, Ideen, Geduld - dann habe ich eine andere
Motivation. Ich will es ausprobieren, will es erfahren. Dann will ich anfangen,
aufbrechen. Adventlich leben heißt erwartungsvoll leben.
3. Sichtbar leben
Man redet heute in vielen Bereichen über Leitbilder. Die Bundesanstalt
für Arbeit ist im Gerede, weil sie für einiges Geld ihre Öffentlichkeitsarbeit
aufpolieren lassen will. Auch die Gemeinden der rheinischen Kirche sollen sich
ein Leitbild verschaffen Manche Leitbilder bleiben im Gedächtnis: "Ford,
die tun was" , andere verkünden offen die Werte einer Konsumgesellschaft:
"geiz ist geil" - wirklich? Geiz ist ein Teil - ein Teil der gottlosen
Werte unserer Gesellschaft.
Es gibt kaum eine Zeit wie unsere, die soviel Ähnlichkeiten mit der
griech.-röm.
Gesellschaft der Zeit des NT hat. Hören Sie, wie Seneca (d.J.), einer der
berühmtesten Philosophen und Politiker, Zeitgenosse des Paulus, seine Zeit
beschreibt: "Jetzt wird man mehr mit Ehebrüchen als anders sündigen,
und die Keuschheit wird ihre Zügel sprengen. Jetzt wird der Wahnsinn der
Gastmähler gedeihen und ererbte Vermögen werden in der Küche
ein schmähliches Ende finden. Jetzt herrscht übertriebene Körperpflege,
und eine Sorge um die Schönheit um den Preis geistiger Hässlichkeit..
Trunkenheit wird einmal in hohem Ansehen stehen und Rekorde im Saufen werden
als Leistung gelten" (de beneficiis).
Das ist doch höchst aktuell - der Lebensstil von Fernsehmoderatoren und
Fussballidolen, von Ministern und Wirtschaftsführern prägt die Werte
- damals wie heute. Die Leitbilder sind fast die selben, sie werden nur noch
schneller in jedes Haus getragen.
Haben Sie ein Leitbild, das Ihnen hilft nicht unterzugehen im Meer der Beeinflussung?
Etwas was Ihre Entscheidungen bestimmt, Ihnen Ziele setzt und Ihre Prioritäten
ordnet? Haben Sie Werte, an denen Sie festhalten? Die nicht je nach Börsenkurs
zur Disposition stehen?
Paulus beschreibt das Leitbild des Adventes: "lasst uns die Werke der Finsternis
ablegen und die Waffen des Lichtes anlegen. Lasst uns ehrbar leben". Man
kann dies etwas moderner ausdrücken: " Lasst uns ein Leben führen,
das sich am hellen Tageslicht sehen lassen kann, ohne Fress- und Saufgelage,
ohne Bettgeschichten und Ausschweifungen, ohne Streit und Eifersucht. Verhaltet
euch so dass man euch den Herrn Jesus förmlich ansehen kann, und pflegt
eure natürlichen Bedürfnisse so, dass es nicht zur Sucht ausartet"
(Übersetzung von K.Haacker).
Es geht um sichtbar leben. Es geht um einen Lebensstil, der Aufmerksamkeit erregt,
weil in ihm unser Herr Jesus Christus durchscheint. Ein Lebensstil, der so frei
ist, dass er schon wieder interessant wird. Ein Lebensstil, der ganz von Jesus
abhängt, alles von ihm erwartet und ihm alles glaubt.
Drei Prediger saßen beisammen, um die beste Position für das Gebet
zu diskutieren. Während dessen arbeitete im Hintergrund ein Telefontechniker.
Der erste meinte: "Knien ist wirklich die beste Haltung." "Nein",
widersprach ein anderer, "ich erlebe die besten Ergebnisse, wenn ich meine
Hände dabei zum Himmel ausstrecke." Der dritte fügte dazu: "Beides
ist falsch. Am effektivsten bete ich, wenn ich mich mit dem Gesicht auf die
Erde werfe." An dieser Stelle mischte sich der Techniker ins Gespräch
ein: "Wenn ihr mich fragt, so habe ich am besten gebetet, als ich kopfüber
an einem Telefonmasten hing."
Christen im Advent sind wie Leute, die am Telefonmast einer abgestürzten
Gegenwart hängen - und als einzige beten können, weil ihr Tag schon
anbricht. Sie können sichtbar leben, wie einmal alle Welt leben wird: Advent
so feiern ist Vorfreude auf Gottes Zukunft.