Hier kommen Sie zurück zur Startseite
Termine und Veranstaltungen in der Gemeinde + Linkliste
Gemeindeprofil, Bildergalerie, Artikel, Predigten
Gruppen in unserer Gemeinde (Kigo,Förderverein,Frauenhilfe,Hauskreise)
Adressen, Telefonnummern, Lageplan, Umfrage, Gästebuch
Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16, 7) Ev. Philippusgemeinde Köln Raderthal Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16, 7)
Predigt zu Römer 13, 8- 14, 1. Sonntag im Advent 2003-- Drucken

"Advent ist im Dezember" - Die Bischöfin der Landeskirche von Hannover, Margot Kässmann, hat sich zur Wortführerin einer Gegenbewegung gemacht: Lasst Advent erst im Advent sein. Bitte nicht schon am Volkstrauertag Weihnachtsmärkte, bitte nicht schon im Oktober Nikoläuse, bitte nicht schon im September Spekulatius. Viele sympatisieren wie ich damit: Wo immer wir gute Begrenzungen für mehr Kommerz aufheben, höhlen wir sie aus. Sie wirken nicht mehr, Advent macht keine Freude mehr, wo er sich verlagert. Und dann stehen wir Mitte November auf dem Weihnachtsmarkt - und wundern uns, dass wir uns nicht mehr auf Weihnachten freuen können
Viel Erfolg haben die Kirchen nicht mit ihrem Tritt auf die Bremse - die meisten Geschäfte behaupten, die Kunden wollten es so - die meisten Kunden sagen: Was ist schlimm daran - nur ein bisschen.. Aber hängt Advent von Nikoläusen und Lichterketten ab?
Die spannende Frage ist: was macht den Advent zum Advent? Was macht aus dieser Zeit vor Weihnachten eine Zeit der Ankunft? Wie kann die Freude Gottes, wie kann Jesus selbst bei uns ankommen? Wie können wir zu Menschen werden, die adventlich leben? Und wie kommen wir so bei anderen an, dass durch uns J ankommt? Adventlich leben - wie macht man das?
Röm 13:8-14 hilft uns dabei, adventlich zu leben. Adventlich leben - drei Stichworte dazu:
1. Schuldenfrei werden
Seid niemandem etwas schuldig, rät Paulus. Gibt es hier Menschen, die ganz schuldenfrei sind? * Als Student kaufte ich mir ein altes Auto. Folge: mein Konto wurde immer mehr überzogen, ich hatte zeitweilig gar keine Freiheit mehr, aber ich kam nicht auf den Gedanken, das Auto abzuschaffen. Als es schließlich auf einer Kölner Kreuzung verreckte, war das wie eine Befreiung. - Schulden sind wie ein Strudel: wenn man einmal reingeraten ist, kommt man kaum aus eigener Kraft wieder raus. Die Schuldnerberatungen sind voll von Menschen, die nicht mehr durchblicken, manche Jugendliche haben immense Handy-Schulden..
Aber Paulus meint nicht nur finanzielle Lasten. Viele leben ihr ganzes Leben lang aus Schuldgedanken. Ich denke an eine Familie, wo die alte Mutter alles regierte - immer wenn die Kinder (ca 55) mal in Urlaub fahren wollten, wurde sie so krank, dass alles wieder abgesagt werden musste. - "Es gibt Menschen, die verbringen ihr ganzes Leben damit, Dinge zu bedauern und ihre Scham zu verbergen", sagt der amerik. Pastor R.Warren. Verschuldet leben heißt: von der Vergangenheit regiert zu werden.
Die gute Nachricht von Advent ist: das muss nicht so sein. Christi Kommen ist die Entlastung aller Verschuldeten, die Befreiung aller Schuldigen, das Ende der Schuldgefühle. Was immer ich getan habe, ob ich wie Mose ein Mörder oder wie Paulus ein Verfolger war - meine Zukunft hängt nicht mehr davon ab. Ich darf schuldenfrei gegen alle und alles werden. Ich bekomme eine Zukunft, in der nur noch eine einzige Verpflichtung entscheidend ist: einander zu lieben.
Der französische Schriftsteller Albert Camus war kein Christ. Er hat einmal gesagt: "Wenn ich eine Morallehre schreiben müßte (also ein Buch über das richtige Verhalten), dann würde das Buch 100 Seiten umfassen und davon wären 99 Seiten leer. Auf die letzte Seite würde ich schreiben: Ich kenne nur eine einzige Pflicht, d.i. die Pflicht zu lieben." - Das klingt so seriös, aber zugleich ganz kalt. Als ob ich mit einem neuen Kredit alle anderen nur umgeschuldet werden. Statt 20 Gläubiger habe ich dann noch einen - aber verschuldet bin ich doch. Eine Pflicht ist etwas was ich tue, weil ich muss und es einsehe.
Liebe ist etwas anderes: eine Sehnsucht, die nicht rechnet. Warum also Verpflichtung zur Liebe? Weil die Weitergabe der Liebe Gottes uns nicht einengt, sondern befreit. Weil sie uns nicht arm, sondern reich macht. Weil Jesus uns in unserem Handeln nicht fesselt, sondern befreit. Weil Lieben nicht Last, sondern Lust ist. Die Schriftstellerin Ricarda Huch hat das Geheimnis der Begegnung mit Gottes Liebe so ausgedrückt: "Liebe ist das einzige, was wächst, indem wir es verschwenden". - Adventlich lieben können die, die Gott schuldenfrei gemacht hat.
2. Erwartungsvoll leben
Irgendwo las ich die Kindheitserinnerung eines Schriftstellers, der als Kind im Advent nach den versteckten Weihnachtsgeschenken suchte und sie auch fand: Seine Eltern hatten seinen großen Wunsch besorgt.. Danach war alles anders: das schlechte Gewissen, die verlorene Erwartung. Das Schlimmste, so schrieb er, war, am Weihnachtsabend Überraschung heucheln zu müssen, obwohl er längst schon Bescheid wusste.
Erwartung lebt von der Vorfreude. Paulus sagt: Advent ist Vorfreude auf Gottes Zukunft. "Das Schönste kommt noch" (Rienecker). Der Tag kündigt sich an, obwohl noch alles dunkel ist. Die Nacht ist im Schwinden, denn Jesu Auferstehung hat den letzten, den großen Tag Gottes eingeleitet. Wie auf den letzten Kilometern der Tour de France: wenn die Favoriten ausreißen wollen - dann muss man sich dranhängen. Jetzt geht's los.
Es gibt unter frommen Christen einen verräterischen Gebrauch des Wörtchens "noch". In Gebeten z.B. Wir danken dir, dass wir noch in Freiheit verkündigen dürfen, dass wir noch offen uns treffen dürfen. * Als Jugendlicher sang ich ein Lied: "Noch dringt Jesu frohe Botschaft in die dunkle Welt.." - das klingt als ob alles nur noch schlimmer werden kann. Wo immer wir sind - es geht nur abwärts. Das Beste ist jetzt oder liegt hinter uns.
Paulus redet anders von Gottes Zukunft. Er sagt: es ist noch nicht da, es hat aber schon angefangen - und ich freue mich drauf. Es ist Zeit aufzustehen, weil Jesu endgültiges Wiederkommen jetzt deutlich näher ist als damals, wo ich Christ geworden bin. Es ist soz. mitten in der Nacht, aber der Morgen kann schon erahnt werden. Wer zurückschaut wie Lots Frau, wird gelähmt: es ist seit Stunden nur dunkler geworden - also wird es immer noch dunkler. Wer vorausschaut, sieht dass jetzt der Tag anbricht. Der dunkelste Punkt ist der Anfang des Lichtes: Es kann nur noch heller werden.
* Aufstehen fällt mir schwer, wenn vor mir nur Pflichten liegen. Ich kämpfe mit Duschen und Kaffee gegen die Bettschwere. Aber wenn ich etwas Schönes vor mir habe, worauf ich mich seit Wochen gefreut habe (z.B den Aufbruch in den Urlaub ) dann komme ich ganz anders aus dem Bett.
Aufstehen zur Liebe? Wenn ich einen schwierigen Nachbarn habe - und ich empfinde die Liebe als Pflicht, dann muss ich mich zwingen. Dann kann ich daran müde werden, kaputt gehen. Wenn ich weiß: Jesus will mich reich machen durch das, was ich verschenke, an Zeit, Ideen, Geduld - dann habe ich eine andere Motivation. Ich will es ausprobieren, will es erfahren. Dann will ich anfangen, aufbrechen. Adventlich leben heißt erwartungsvoll leben.
3. Sichtbar leben
Man redet heute in vielen Bereichen über Leitbilder. Die Bundesanstalt für Arbeit ist im Gerede, weil sie für einiges Geld ihre Öffentlichkeitsarbeit aufpolieren lassen will. Auch die Gemeinden der rheinischen Kirche sollen sich ein Leitbild verschaffen Manche Leitbilder bleiben im Gedächtnis: "Ford, die tun was" , andere verkünden offen die Werte einer Konsumgesellschaft: "geiz ist geil" - wirklich? Geiz ist ein Teil - ein Teil der gottlosen Werte unserer Gesellschaft.
Es gibt kaum eine Zeit wie unsere, die soviel Ähnlichkeiten mit der griech.-röm. Gesellschaft der Zeit des NT hat. Hören Sie, wie Seneca (d.J.), einer der berühmtesten Philosophen und Politiker, Zeitgenosse des Paulus, seine Zeit beschreibt: "Jetzt wird man mehr mit Ehebrüchen als anders sündigen, und die Keuschheit wird ihre Zügel sprengen. Jetzt wird der Wahnsinn der Gastmähler gedeihen und ererbte Vermögen werden in der Küche ein schmähliches Ende finden. Jetzt herrscht übertriebene Körperpflege, und eine Sorge um die Schönheit um den Preis geistiger Hässlichkeit.. Trunkenheit wird einmal in hohem Ansehen stehen und Rekorde im Saufen werden als Leistung gelten" (de beneficiis).
Das ist doch höchst aktuell - der Lebensstil von Fernsehmoderatoren und Fussballidolen, von Ministern und Wirtschaftsführern prägt die Werte - damals wie heute. Die Leitbilder sind fast die selben, sie werden nur noch schneller in jedes Haus getragen.
Haben Sie ein Leitbild, das Ihnen hilft nicht unterzugehen im Meer der Beeinflussung? Etwas was Ihre Entscheidungen bestimmt, Ihnen Ziele setzt und Ihre Prioritäten ordnet? Haben Sie Werte, an denen Sie festhalten? Die nicht je nach Börsenkurs zur Disposition stehen?
Paulus beschreibt das Leitbild des Adventes: "lasst uns die Werke der Finsternis ablegen und die Waffen des Lichtes anlegen. Lasst uns ehrbar leben". Man kann dies etwas moderner ausdrücken: " Lasst uns ein Leben führen, das sich am hellen Tageslicht sehen lassen kann, ohne Fress- und Saufgelage, ohne Bettgeschichten und Ausschweifungen, ohne Streit und Eifersucht. Verhaltet euch so dass man euch den Herrn Jesus förmlich ansehen kann, und pflegt eure natürlichen Bedürfnisse so, dass es nicht zur Sucht ausartet" (Übersetzung von K.Haacker).
Es geht um sichtbar leben. Es geht um einen Lebensstil, der Aufmerksamkeit erregt, weil in ihm unser Herr Jesus Christus durchscheint. Ein Lebensstil, der so frei ist, dass er schon wieder interessant wird. Ein Lebensstil, der ganz von Jesus abhängt, alles von ihm erwartet und ihm alles glaubt.
Drei Prediger saßen beisammen, um die beste Position für das Gebet zu diskutieren. Während dessen arbeitete im Hintergrund ein Telefontechniker. Der erste meinte: "Knien ist wirklich die beste Haltung." "Nein", widersprach ein anderer, "ich erlebe die besten Ergebnisse, wenn ich meine Hände dabei zum Himmel ausstrecke." Der dritte fügte dazu: "Beides ist falsch. Am effektivsten bete ich, wenn ich mich mit dem Gesicht auf die Erde werfe." An dieser Stelle mischte sich der Techniker ins Gespräch ein: "Wenn ihr mich fragt, so habe ich am besten gebetet, als ich kopfüber an einem Telefonmasten hing."

Christen im Advent sind wie Leute, die am Telefonmast einer abgestürzten Gegenwart hängen - und als einzige beten können, weil ihr Tag schon anbricht. Sie können sichtbar leben, wie einmal alle Welt leben wird: Advent so feiern ist Vorfreude auf Gottes Zukunft.

Hans-Hermann Pompe